Kurs:Maßtheorie auf topologischen Räumen/Stetigkeit von Abbildungen in topologischen Räumen

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Einführung

Als Voraussetzung zu dieser Lerneinheit sollten Sie sich zunächst mit Netzen und Konvergenz befassen, die eine Verallgemeinerung des Folgenbegriffs in bzw. allgemeiner topologischen Räumen mit abzählbarer Umgebungsbasis dargestellt.

Stetigkeit - Konvergenz über Netze

Seien (X,𝒯X) und (Y,𝒯Y) zwei topologische Räume, f:XY eine Abbildung und x0X. Die Funktion f heißt stetig in xoX, wenn für alle Netze (xi)iIXI, die in X gegen xo konvergieren auch das Bildnetz (f(xi))iIYI gegen f(xo)Y konvergiert:

limxi𝒯Xxo𝒯Yf(xi)=f(x0):(xi)iI𝒯Xx0:(f(xi))iI𝒯Yf(x0)(f(xi))iI𝒯Yf(x0)U𝔘𝒯Y(f(x0))iUIi iU:f(xi)U

Dabei bezeichnet "" in "iiU" die partielle Ordnung auf der Indexmenge I.

Satz - Epsilon-Delta-Kriterium für topologische Räume

Seien (X,𝒯X) und (Y,𝒯Y) zwei topologische Räume, f:XY eine Abbildung und x0X. Die Funktion f ist genau dann stetig in xoX, wenn gilt

Uε𝔘𝒯Y(f(xo))Uδ𝔘𝒯X(xo)xX:xUδf(x)Uε

Bemerkung - Strukturgleichheit Epsilon-Delta-Kriterium

Diese Strukturgleichheit wird nun noch einmal vergleichend für topologische Räume betrachtet.

Analysis

In der Analysis ist das

ε>0δ>0x𝔻:|xxo|<δ|f(x)f(xo)|<ε

Normierte Räume

In normierten Räumen ersetzt man den Betrag durch eine Norm 𝔻 auf dem Definitionsbereich und eine Norm 𝕎 auf dem Wertebereich der Funktion

ε>0δ>0x𝔻:xxo𝔻<δf(x)f(xo)𝕎<ε

Metrischen Räume

In metrischen Räumen kann man den Abstand zwischen zwei Elementen im Raum messen. Der Ausdruck xxo𝔻 entspricht dem Abstand zwischen x und xo und drückt diesen durch eine Metrik über d𝔻(x,xo) auf dem Definitionsbereich. Mit einer weiteren Metrik d𝕎 auf dem Wertebereich der Funktion kann man die Stetigkeit wie folgt formulieren:

ε>0δ>0x𝔻:d𝔻(x,xo)<δd𝕎(f(x),f(xo))<ε

Topologische Räume

Verallgemeinert man den Ansatz auf topologische Räume drückt man die d𝔻(x,xo)<δ dann durch xUδ ausgedrückt, wobei x in einer Umgebung Uδ von xo liegt. Dadurch erhält man die Aussage analog zu metrischen Räume auch auf topologischen Räumen für Umgebungen.

Uε𝔘𝒯Y(f(xo))Uδ𝔘𝒯X(xo)xX:xUδf(x)Uε

Beweis - Epsilon-Delta-Kriterium für TR

Der Beweis gliedert sich in zwei Implikationen

  • (R1) f:XY ist stetig in xo nach Definition, dann gilt das ε-δ-Kriterium für topologische Räume
  • (R2) das ε-δ-Kriterium für topologische Räume gilt und man zeigt, dass f:XY stetig in xo nach Definition ist.

Beweisrichtung (R1)

Sei f:XY stetig in xo nach Definition. Dann gilt das ε-δ-Kriterium für topologische Räume. Unsere Indexmenge I:=𝔘𝒯X(xo) mit der partiellen Ordnung:

U1U2:U1U2.

Ohne Einschränkung seien die Netze (xU)UI so gewählt, dass xUU. Damit konvergieren diese Netze (xU)UI mit einem beliebigen xUU alle gegen xoX.

Beweisschritt (R1.1)

Sei nun Uε𝔘𝒯Y(f(xo)) beliebig gewählt. Da die oben definierten Netze (xU)UI mit xUU alle gegen xoX konvergieren, konvergiert mit der Definition der Stetigkeit auch das Bildnetz (f(xU))UI in Y gegen f(xo)Y.

Beweisschritt (R1.2)

Wegen der Konvergenz des Bildnetzes (f(xU))UI in Y gegen f(xo)Y gibt es eine Indexschranke UδI, ab der für alle

UUδUUδ

gilt:

f(xU)Uε

Beweisschritt (R1.3)

Da die Elemente xU der Netze (xU)UI beliebig aus U gewählt werden konnten (d.h. xUU gilt) und für einen größeren Index UUδUUδ auch xUUUδ gilt, erhält man: Uε𝔘𝒯Y(f(xo))Uδ𝔘𝒯X(xo)xX:xUδf(x)Uε Damit gilt das ε-δ-Kriterium.

Beweisrichtung (R2)

Sei (xi)iIXI ein Netz, das in X gegen xo konvergiert. Es ist nun zu zeigen, dass bei gültigem ε-δ-Kriterium für topologische Räume auch das Bildnetz (f(xi))iIYI gegen f(xo)Y konvergiert.

Beweisschritt (R2.1)

Um die folgende Aussage

(f(xi))iI𝒯Yf(x0)U𝔘𝒯Y(f(x0))iUIi iU:f(xi)U

zu zeigen, sei nun Uε𝔘𝒯Y(f(x0)) beliebig gewählt.

Beweisschritt (R2.2)

Mit dem ε-δ-Kriterium für topologische Räume gibt nun ein Uδ𝔘𝒯X(x0), sodass für alle xUδ auch gilt, dass f(x)Uε.


Beweisschritt (R2.3)

Mit der Konvergenz von (xi)iIXI gegen xo, gibt es eine Indexschranke iUδ, sodass für alle iiUδ xiUδ erfüllt ist. Damit gilt dann auch mit ab der Indexschranke iUδ mit iiUδ, dass f(xi)Uε erfüllt ist.


Beweisschritt (R2.4)

Insgesamt konvergiert mit dem ε-δ-Kriterium für topologische Räume auch das Bildnetz (f(xi))iI gegen f(xo), da Uε𝔘𝒯Y(f(x0)) beliebig gewählt wurde. q.e.d.

Bemerkung - Epsilon-Delta-Kriterium für topologische Räume

Aus der Analysis ist das εδ-Kriterium für die Stetigkeit in eine Punkt x0 bekannt. Die obige Aussage ist ein Analogon dazu für topologische Räume. ε und δ als positive Zahlen machen in topologischen Räumen natürlich keinen Sinn. Die Bezeichnung dient lediglich dazu die analoge Struktur der Aussagen für eine in xo stetige Abbildung f:𝔻 aufzuzeigen.

ε>0δ>0x𝔻:|xxo|<δ|f(x)f(xo)|<ε

Stetigkeitsatz - Urbilder offener Mengen

Seien (X,𝒯X) und (Y,𝒯Y) zwei topologische Räume, f:XY eine Abbildung. f ist genau dann stetig in jedem Punkt x0X, wenn die Urbilder von offenen Mengen in (Y,𝒯Y) wieder eine offene Menge in (X,𝒯X).

f stetig U𝒯Y:f1(U)𝒯X

Bemerkung - Stetigkeit der Abbildung und Stetigkeit in einem Punkt

Normalerweise müsste man für die Stetigkeit der Abbildung f:XY die Stetigkeit von f in jedem Punkt xoX nachweisen und Stetigkeit in einem Punkt dann durch den Nachweis der definitierende Eigenschaft überprüfen. Der obige Stetigkeitssatz reduziert den Aufwand auf die Überprüfung, dass die Stetigkeit von f äquivalent zur Eigenschaft ist, dass Urbilder offener Mengen in Y wieder offen in X sind.

Beweis - Urbilder offener Mengen

Der Beweis gliedert sich in zwei Implikationen:

  • (S1) Aus f stetig im jedem Punkt xoX folgt, dass Urbilder offener Mengen wieder offen sind.
  • (S2) Wenn Urbilder offener Mengen immer offen in (X,𝒯X) ist, ist f stetig im jedem Punkt xoX.

Beweisrichtung (S1)

Wir führen den Beweis für (S1) durch Widerspruch und nehmen an, dass ein Urbild f1(U^) einer offener Mengen U^𝒯Y exisitiert, dass nicht offen ist, aber f in jedem Punkt xoX stetig ist.

Beweisschritt (S1.1)

Wenn Uo:=f1(U^) nicht offen in (X,𝒯X) ist, besitzt UoX in X Randpunkt. Sei xoUo ein Randpunkt von Uo (d.h. xo(Uo)Uo. Wegen xUo=f1(U^), liegt f(xo)U^ in einer offenen Menge.

Beweisschritt (S1.2)

Für Randpunkte einer Menge gilt, dass jede Umgebung U𝔘𝒯X(xo) Elemente aus dem Komplement von Uo, denn wenn es eine Umgebung von xUo=f1(U^) existiert, die ganz in Uo liegt, wäre xoUo ein innerer Punkt und kein Randpunkt von Uo. Nun konstruiert man ein Netz, das gegen xo konvergiert, dessen Bildnetz aber nicht gegen f(xo) konvergieren kann.

Beweisschritt (S1.3)

Als Indexmenge des Netzes verwendet man I:=𝔘𝒯X(xo) mit der partiellen Ordnung:

U1U2:U1U2.

Für jede Umgebung U1I wählen wir xU1(UocU1). Dabei geht ein, dass jede Umgebung um einen Randpunkt einer Menge, Element aus dem Komplement Uoc:=XUo der Menge enthält für jedes U1I existiert ein xU1X.

Beweisschritt (S1.4)

Wegen xU1U1 konvergiert das Netz (xU1)U1I gegen xo. Wegen xU1Uoc gilt, f(xU1)U^Y. Damit konvergiert das Bildnetz (f(xU1))U1I nicht gegen f(xo)Y, weil f(xo)U^𝒯Y ist und damit ist auch U^𝔘𝒯Y(f(xo)) eine Umgebung von f(xo).

Beweisschritt (S1.5)

Bei einer Konvergenz von (f(xU1))U1I gegen f(xo) muss aber auch für U^ eine Indexschranke U2I des Netzes geben, aber der für U1U2 alle Elemente f(xU1) des Netzes auch in U^ liegen. Damit ist f nicht stetig in xo, was ein Widerspruch zur Annahme war.

Beweisrichtung (S2)

Seien nun Urbilder offener Mengen unter f:XY wieder offen. Es gilt also:

  • Uδ:=f1(Uε)𝒯X für alle Uε𝒯Y

Ferner sei xoX beliebig gewählt und das Netz (xi)iI sei so gewählt, das es gegen xoX konvergiert. Zu zeigen ist nun, dass das Bildnetz (f(xi))iI in (Y,𝒯Y) gegen f(xo)Y konvergiert.

Beweisschritt (S2.1)

Wähle nun eine beliebige offene Menge Uε𝔘𝒯Y(f(x0)). Man muss nun eine Indexschranke iϵ finden, ab der für alle iiε gilt, dass f(xi)Uε.

Beweisschritt (S2.2)

Da Urbilder offener Menge offen sind, gilt:

xoUδ:=f1(Uε)𝔘𝒯X(xo),

Beweisschritt (S2.3)

Da das Netz (xi)iI nach Vorraussetzung so gewählt war, das es gegen xoX konvergiert, gibt es eine Indexschranke iδI, ab der für iiδ, dass xiUδ. Wähle dann das gesuchte iε:=iδ, denn dann erhält man:

f(xi)f(Uδ)=f(f1(Uε))=Uε

q.e.d.

Bemerkung

Da eine Topologie über Menge definiert wird, sind mengentheoretische Formulierung für die Stetigkeit in Regel für die Beweisführung besser geeignet als Netze. Einen ähnlichen Ansatz geht man mit Filtern, die ebenfalls als Mengensystem formuliert sind und die Konvergenz von Filter über die Teilmengenbeziehung zur Menge der Umgebungen von xo formuliert wird - d.h. dass ein Filter konvergiert, wenn dieser feiner als der Umgebungsfilter ist.

Beweisalternative für Beweisrichtung S2

In der Beweisalternative verwendet man die Negation der Aussage (S2) und führt diese zum Widerspruch. Die Negation von (S2) lautet: ¬(S2) f stetig ist nicht in jedem Punkt xoX und die Urbilder offener Mengen wieder offen.

Beweisschritt (S2.1) - Alternative

Wenn f in xoX nicht stetig ist, gibt es ein Netz (xi)iI, das gegen xoX konvergiert und eine Umgebung Uε von f(xo)Y, wobei für jeden Index iI ein weiterer Index k(i)i) exisitiert, für den f(xk(i)) nicht in Uε liegt (d.h. f(xk(i))Uε).

Beweisschritt (S2.2) - Alternative

Da Urbilder von offenen Menge U wieder offen in (X,𝒯X) sind, gilt u.a.

Uδ:=f1(Uε)𝒯X

Weil f(xo)Uε gilt, erhält man auch xoUδ. Damit ist Uδ auch eine Umgebung von xoX.

Beweisschritt (S2.3) - Alternative

Da das Netz (xi)iI gegen xoX konvergiert, gibt es zu Uδ eine Indexschranke iδI, ab der mit iiδ dann xiUδ gilt. Damit gilt aber auch, dass

f(xi)f(Uδ)=Uε,

was ein Widerspruch zu Annahme war, dass für eine jeden Index iI ein größerer Index k(i)I existiert, für den f(xk(i))Uε liegt.

Aufgabe

Sei 𝒯 die durch den Betrag || auf X:= definierten euklidischen Topologie. Ferner sei 𝒯0:={,} die chaotische Topologie auf X:=Y:= und 𝒯1 die diskrete Topologie, bei der jede Teilmenge von X offen ist. Wir betrachten nun die Identität f:XY mit f(x)=x für alle x. Obwolh X=Y= gilt, versehen wir den Definitionsbereich mit unterschiedlichen Topologien. Überprüfen Sie, ob die Abbildung stetig ist oder nicht.

  • Ist die Abbildung mit (X,𝒯1) und (Y,𝒯) stetig?
  • Ist die Abbildung mit (X,𝒯) und (Y,𝒯1) stetig?
  • Ist die Abbildung mit (X,𝒯0) und (Y,𝒯1) stetig?
  • Ist die Abbildung mit (X,𝒯1) und (Y,𝒯0) stetig?

Siehe auch

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