Kurs:Funktionentheorie/Kurvenintegral

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Das komplexe Kurvenintegral ist die Funktionentheoretische Verallgemeinerung des Integrals aus der reellen Analysis. Als Integrationsgebiet tritt eine rektifizierbare Kurve an die Stelle des Intervalls. Integriert wird über komplexwertige anstelle reellwertiger Funktionen.

Definition - Integrierbarkeit

Sei

γ:[a,b]

eine rektifizierbare Kurve,

f:Spur(γ)

eine Abbildung.

f

heißt über

γ

integrierbar, wenn es eine Zahl

I

gibt, so dass zu jedem

ϵ>0

ein

δ>0

existiert, so dass für jede Zerlegung

a=t0<<tn=b

des Intervalls

[a,b]

mit

titi1<δ

für alle

1in
|Ii=1nf(γ(ti))(γ(ti)γ(ti1))|<ϵ

gilt.

Die Zahl I heißt Integral von f über γ und wird mit γf(z)dz:=I bezeichnet.

Bemerkung - Integrierbarkeit

  • f(γ(ti))(γ(ti)γ(ti1)) entspricht in der reellen Analysis dem orientierten Flächeninhalt von Rechtecken, die beim Riemannintegral das Integral approximieren.
  • i=1nf(γ(ti))(γ(ti)γ(ti1)) berechnet in den komplexen Zahlen die Riemannsumme aller Einzelterme eine Zerlegung des Intervalls [a,b] mit a=t0<<tn=b
  • |Ii=1nf(γ(ti))(γ(ti)γ(ti1))|<ϵ bedeutet, dass man das Integral I beliebig genau mit den Riemannsummen approximieren kann.

Integration über Ketten

Ist Γ=i=1nniγi eine Kette in , so heißt eine Funktion f:Spur(Γ) über Γ integrierbar, wenn sie über jedes γi integrierbar ist und wir setzen

Γf(z)dz:=i=1nniγif(z)dz

Zusammenhang zur rellen Integration

Ist

γ

sogar stückweise differenzierbar, so kann das Kurvenintegral mithilfe des Mittelwertsatzes auf eine Integral über den Parameterbereich zurückgeführt werden, wir haben in diesem Fall

γf(z)dz=abf(γ(t))γ(t)dt

wobei eine komplexwertige Funktion über ein reelles Interval integriert wird, in dem Real- und Imaginärteil getrennt voneinander berechnet werden.

Beispiel 1

Wir betrachten die Kurve γ:[0,1], γ(t):=exp(2πit), und die Funktion f(z)=1z. Da die Kurve differenzierbar ist, erhalten wir

γf(z)dz=γ1zdz=011exp(2πit)2πiexp(2πit)dt=012πidt=2πi

Beispiel 2

Wir modifizieren unser erstes Beispiel etwas und betrachten die Kurve γ:[0,1], γ(t):=exp(2πit), und die Funktion f(z)=zn für n1. Da die Kurve differenzierbar ist, erhalten wir

γf(z)dz=γzndz=01exp(2πit)n2πiexp(2πit)dt=012πiexp(2πi(n+1)t)dt=1n+1exp(2πi(n+1)t)|01=0

Darstellung des Integrals

Beide Beispiele zusammen ergeben also

γzndz=2πiδn,1

Dabei gilt:

δn,1:{0,1}nδn,1(n)={1,n=10,n=1

Diese Tatsache spielt eine wichtige Rolle bei der Definition des Residuums und dem Beweis zum Kurs:Funktionentheorie/Residuensatz.

Aufgabe

Einzeugen Sie eine Weg γ:[0,1] als Konvexkombination zweiter Ordnung zwischen den Punkt v=2+3i und w=5i. Der Hilfspunkt ist s=6i.

  • Geben Sie den Weg γ(t)=.... und berechnen Sie γ(t)=.....
  • Berechnen Sie das Wegintegral γf(z)dz mit f(z)=z3.

Eigenschaften

Unabhängigkeit von der Parametrisierung

Es sei

γ:[a,b]

ein stückweiser

C1

-Weg,

ϕ:[α,β][a,b]

ein orientierungserhaltender

C1

-Diffeomorphismus. Dann ist

γϕ:[α,β]

ein stückweiser

C1

-Weg und es gilt

γf(z)dz=γϕf(z)dz

d. h. der Wert des Integrals ist von der konkret gewählten Parametrisierung des Weges unabhängig.

Beweis

Es ist

γϕf(z)dz=αβf(γ(ϕ(s)))(γϕ)(s)ds=αβf(γ(ϕ(s)))γ(ϕ(s))ϕ(s)ds=ϕ(α)ϕ(β)f(γ(t))γ(t)dtSubstitution t=ϕ(s)=abf(γ(t))γ(t)dt=γf(z)dz

Linearität

Da das Integral über in

f

lineare Summen definiert ist, ist es selbst linear im Integranden, d. h. es gilt

γ(αf+βg)(z)dz=αγf(z)dz+βγg(z)dz

für rektifizierbares

γ

,

α,β

und integrierbare

f,g:spur(γ)

.

Orientierungsumkehrung

Es sei γ:[a,b] ein rektifizierbarer Weg, der umgekehrt durchlaufene Weg γ:[a,b] sei definiert durch γ(s)=γ(a+bs). Dann ist für integrierbare f:spur(γ)

γf(z)dz=γf(z)dz

Beweis

Es ist

γf(z)dz=abf(γ(s))(γ)(s)ds=abf(γ(a+bs))γ(a+bs)(1)ds=baf(γ(t))γ(t)dtSubstitution t=a+bs=abf(γ(t))γ(t)dt=γf(z)dz

Approximation durch Streckenzüge

Die hier vorgestellte Version des Integrationsweges wirkt sehr allgemein, allerdings sind die meisten in der Praxis auftretenden Integrationswege stückweise stetig differenzierbar. Da sich mit stückweise stetig differenzierbaren Wegen einfacher arbeiten lässt, wollen wir im folgenden noch zeigen, wie sich ein beliebiger Integrationsweg für stetige Integranden durch Streckenzüge approximieren lässt. Dies kann man benutzen, um Aussagen über allgemeine rektifizierbare Wege auf Streckenzüge zurückzuführen.

Aussage

Es sei G ein Gebiet, γ:[a,b] ein rektifizierbarer Weg, f:G stetig und ϵ>0. Dann gibt es einen Streckenzug γ^:[a,b] mit γ(a)=γ^(a), γ(b)=γ^(b) und |γ^f(z)dzγf(z)dz|<ϵ.

Beweis

Sei zunächst G=BR(z0) eine Kreisscheibe. Da spur(γ) kompakt ist, gibt es ein r>0 mit spur(γ)B¯r(z0)G. Auf B¯r(z0) ist f gleichmäßig stetig, also können wir ein δ>0 wählen, so dass |f(z)f(w)|<ϵ für z,wBr(z0) mit |zw|<δ gilt. Wähle nun nach Definition des Integrals eine Unterteilung a=t0<<tn=b von [a,b], so dass |γ(s)γ(t)|<δ für s,t[ti1,ti] und

|γf(z)dzi=1nf(γ(ti))(γ(ti)γ(ti1))|<ϵ

gilt. Definere γ^ durch

γ^(t):=1titi1(γ(ti1)(tit)+γ(ti)(tti1)),t[ti1,ti]

Also ist γ^ der Streckenzug, der die Punkte γ(ti) durch Strecken verbindet. Insbesondere verläuft γ^ in Br(z0). Nach Konstruktion ist weiterhin |γ^(t)γ(ti)|<δ für t[ti1,ti]. Es folgt

|γf(z)dzγ^f(z)dz|=|γf(z)dzabf(γ^(t))γ^(t)dt|ϵ+|i=1nf(γ(ti))(γ(ti)γ(ti1))i=1nγ(ti)γ(ti1)titi1ti1tif(γ^(t))dt|ϵ+i=1n|γ(ti)γ(ti1)|1titi1ti1ti|f(γ^(t))f(γ(ti))|ϵ+i=1n|γ(ti)γ(ti1)|1titi1ti1tiϵ=ϵ+ϵL(γ)

Damit folgt die Behauptung.

Ist G keine Kreisscheibe, überdeckenwir - wegen der Kompaktheit von spur(γ) ist das möglich - spur(γ) mit endlich vielen Kreisscheiben, die in G liegen, und wenden auf jeden Teilweg die obige Konstruktion an. Damit folgt die Behauptung auch im allgemeinen Fall.


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