Kurs:Stochastik/Erzeugende Funktionen

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Erzeugende Funktionen

Erzeugende Funktionen nützen bei der Berechnung von

  • Momenten,
  • Faltung,
  • Grenzwerten von Wahrscheinlichkeiten

Definition - Erzeugende Funktion

Ist X eine Zufallsvariable auf (Ω,P) mit Werten in +, so heißt

GX(s)=GPX(s)=k=0skPX{k},0s1

die erzeugende Funktion von X (von PX).

Wegen k=0P{k}=1 stellt GX eine Potenzreihe dar mit Konvergenzradius 1. Somit ist GX wohldefiniert und beliebig oft differenzierbar in [0,1]{1}.

Bemerkungen

1. Wegen dndsnGX|s=0=n!PX{n},n+ so dass die Zuordnung PXGX(s) injektiv ist.

2. Man beachte auch die folgende Schreibweise: GX(s)=EX2.

3. Für unabhängige Zufallsvariablen X1,...,Xn mit Werten in + gilt:

GX1,...,Xn(s)=EsX1...sXn=EsX1...EsXn=GX1(s)...GXn(s)

Satz

Sei X eine Zufallsvariable mit Werten in +.

a) Der (linksseitige) Grenzwert G'X(1)=lims1G(s) existiert genau dann, wenn E(X) existiert. In diesem Fall ist E(X)=G(1).

b) Es existiere E(X). G(1) existiert genau dann, wenn E(X2) existiert. In diesem Fall ist Var(X)=GX(1)+G'X(1)(G'X(1))2.

Beweis a) (i)

a) Zunächst gilt für s[0,1]{1}:

G'X(s)=k=1ksk1PX{k}

i) Sei E(X)<.

G'X(s)k=1kPx{k}=E(X)<

Also auch

lims1G'X(s)G'X(1)E(X).

Beweis a) (ii)

ii) Sei G'X(1)<. Für s[0,1]{1} gilt:

k=1ksk1PX{k}G'X(s)limn1GX(n)=G'X(1)<

Also auch beliebige s1:

k=1ksk1PX{k}G'X(1)

und bei n:

E(X)G'X(1)<

Aus i) und ii) ferner:

G'X(1)E(X)G'X(1)

Beweis b)

b) Vorbemerkung: E(X2)< genau dann, wenn E(X(X1))<.

Ausgehend von G'X(s)=k=2k(k1)sk2PX{k},s[0,1]{1}, zeigt man wie in a) die gleichzeitige Existenz von E(X(X1)) und G'X(1). In welchem Fall dann E(X(X1))=G'X(s) ist. Die Verschiebungsformel schließlich liefert Var(X)=E(X(X1))+E(X)E(X2).

Beispiel (1)

Sei X B(n,p)-verteilt, so rechnet man mit q=1p.

GX(s)=k=0n(nk)(ps)kqnk=(q+ps)n, s

Ableitung an der Stelle 1 liefert:

G'X(1)=n(q+ps)n1p|s=1=np=E(X)
G'X(1)=n(n1)(q+ps)n2p2|s=1=n(n1)p2
Var(X)=n(n1)p2+np(np)2=np(1p)

Beispiel (2)

Seien X1,X2 unabhängige B(n1,p) beziehungsweise B(n2,p)-verteilte Zufallsvariablen. Aus Bemerkung 3 folgt:

GX1+X2(s)=GX1(s)GX2(s)=(q+ps)n1+n2

d.h. PX1+X2 ist die B(n2+n2,p)-Verteilung (mit Bemerkung 1), kurz:

B(n1,p)B(n2,p)=B(n1+n2,p)

Poissonverteilung (Beispiel) (1)

Ist X P(λ)-verteilt, so ist

GX(s)=k=0(λs)kk!eλ=eλseλ=eλ(s1),e.

Ableitung an der Stelle 1:

G'X(1)=λeλ(s1)|s=1=λ
G'X(1)=λ2eλ(s1)|s=1=λ2
Var(X)=λ2+λλ2=λ

(Erwartungswert und Varianz jeweils gleich λ).

Poissonverteilung (Beispiel) (2)

Sind X1 und X2 unabhängige, P(λ1)- beziehungsweise P(λ2)-verteilte Zufallsvariablen, so gilt:

GX1+X2(s)=e(λ+λ2)(s1)

d.h. P(λ1)P(λ2)=P(λ1+λ2), mit Bemerkung 1.

Negative Binominalverteilung (Definition) (1)

((NB(n,p)),n,0p1, setze q=1p)

Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auf mit der Wahrscheinlichkeitsfunktion

pk=(n+k1k)pnqk,k=0,1,...

heißt negative Binominalverteilung. Man kann auch schreiben

pk=(nk)(1)kpnqk,

wobei (rk)=(r)kk!,r.

Negative Binominalverteilung (Definition) (2)

Im Spezialfall n=1 spricht man von einer geometrischen Verteilung: Pk=qpk,k=0,1,....

Zählt X die Anzahl der 'Misserfolge' 0 bis zum Auftreten des n-ten 'Erfolges' 1 (unabhängige Wiederholungen), so ist X NB(n,p)-verteilt, p=P{1}>0.

Negative Binominalverteilung (Definition) (3)

Man rechnet GX(s)=(p1ps)n,0s1q (Binomische Reihe)

E(X)=nqp=μ,Var(X)=nqp2σ2.

(σ2=μp>μ, 'overdispension')

Es gilt:

NB(1,p)...NB(1,p)=NB(n,p) (n-mal verknüpft)

Grenzen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen

Notation: Ist (p0,p1,...) eine Wahrscheinlichkeitsfunktion auf +, (pk>0,k=0pk=1), so bezeichnet G(s)=k=0skpk,0s1, ihre erzeugende Funktion. Liegt eine Folge

(p0(n),p1(n),...),n1

von Wahrscheinlichkeitsfunktionen auf + vor, so konvergieren die Wahrscheinlichkeiten pk(n) bei n genau dann, wenn die Folge der zugehörigen erzeugenden Funktionen

G(n)(s)=k=0skpk(n),0s1,n1

konvergiert. Genauer:

Stetigkeitssatz

Gegeben sei eine Folge von Wahrscheinlichkeitsfunktionen aus +, mit der Folge G(n) der zugehörenden erzeugenden Funktionen. Dann existieren die Limiten

ak=limnpk(n)

für alle k=0,1,... genau dann, wenn der Limes

A(s)=limnG(n)(s)

für alle s(0,1) existiert. In diesem Fall ist

A(s)=k=0skak.

Bemerkung

Aus der ersten Formel folgt mit ak>0 und k=0ak1. (a0,a1,... bilden nicht notwendigerweise eine Wahrscheinlichkeitsfunktion).

Beweis (i)

i) Wir nehmen ak=limnpk(n) an und definieren A(s) durch A(s)=k=0skak. Wegen |pk(n)Gk|1 gilt für s(0,1):

|G(n)(s)A(s)|k=0r|pk(n)ak|sk+k=r+1sk

Zu ϵ>0 wähle r so groß, dass sr1s<ϵ. Dann limn|G(n)(s)A(s)|ϵ.

Beweis (ii) Teil 1

ii) Gelte nun die zweite Gleichung. Wir zeigen die erste sukzessive für k=0,1,....

Zunächst k=0:

p0(n)G(n)(s)p0(n)+k=11sk=p0(n)+s1s,s(0,1)

Für jeden Häufungspunkt p¯0 der beschränkten Folge p0(n),n1, gilt demnach:

A(s)s1sp¯0A(s), für alle s(0,1)

Wegen der Monotonie von A(s) existiert also A(0)=lims0A(s), so dass die obige Gleichung bei s0 liefert:

(*) p¯0=A(0)=limnp0(n).

Beweis (i), Teil 2

Zu k=1:

Aus der zweiten Gleichung folgt:

G(n)(s)p0(n)snA(s)A(0)s

links: Potenzreihe mit p1(n) als Anfangsglied, rechts: Differenzenquotient, der gegen A(0) bei s0 konvergiert.

Analog zu k=0:

p1=A(0)=limnp1(n)

Beispiel (1)

(Poissonverteilung als Grenzwert der negativen Binominalverteilung)

Nach der Definition lautet die erzeugende Funktion der NB(n,p) gleich (1q1sq)n. Nun gehe n, aber so, dass p=pn1, genauer:

Es gibt ein λ>0 mit (*) nqnλ,(qn=1pn). Die Erzeugende Funktion der NB(n,p) lautet dann mit λn=nqnλ:

Gs(n)=(1λnn1λnsn)neλeλs=eλ(s1)G(s),s

Beispiel (2)

G(s) ist erzeugende Funktion der P(λ)-Verteilung. Also folgt aus dem Stetigkeitssatz:

(n+k1k)pnnqnkeλλnk!, unter (*), k=0,1,....

Interpretation

Für große n ist k die Anzahl der auftretenden Ereignisse E ('Misserfolge') in einer langen Beobachtungsperiode, wobei E eine sehr kleine Auftrittswahrscheinlichkeit q=λn hat.

Bemerkung

Die Anwendung des Stetigkeitssatzes ist auf alle Fälle beschränkt, in denen die 'Grenzverteilung' die diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung ist. Der wichtigste Fall ist dabei gerade der mit einer 'stetigen Grenzverteilung' (später), so dass wir dort einen anderen Stetigketissatz benötigen werden.

Siehe auch


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