Zufallsvariable

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Einführung

In der Stochastik ist eine Zufallsvariable oder Zufallsgröße (auch zufällige Größe,[1] Zufallsveränderliche, selten stochastische Variable oder stochastische Größe) eine Größe, deren Wert vom Zufall abhängig ist.[2] Formal ist eine Zufallsvariable eine Zuordnungsvorschrift, die jedem möglichen Ergebnis eines Zufallsexperiments eine Größe zuordnet.[1]

Zufallszahle

Ist diese Größe eine Zahl, so spricht man von einer Zufallszahl. Beispiele für Zufallszahlen sind die Augensumme von zwei geworfenen Würfeln und die Gewinnhöhe in einem Glücksspiel. Zufallsvariablen können aber auch komplexere mathematische Objekte sein, wie Zufallsbewegungen, Zufallspermutationen oder Zufallsgraphen.

Mehrere Zufallsvariablen für ein Experiment

Über verschiedene Zuordnungsvorschriften können einem Zufallsexperiment auch verschiedene Zufallsvariablen zugeordnet werden.[1] Den einzelnen Wert, den eine Zufallsvariable bei der Durchführung eines Zufallsexperiments annimmt, nennt man Realisierung[3] oder im Falle eines stochastischen Prozesses einen Pfad.

Entstehung des Begriffs

Während früher der von A. N. Kolmogorow eingeführte Begriff zufällige Größe der übliche deutsche Begriff war, hat sich heute (ausgehend vom englischen random variable) der etwas irreführende Begriff Zufallsvariable durchgesetzt.[4]

Motivation des formalen Begriffs

Die Funktionswerte X(ω) einer Zufallsvariablen X sind abhängig von einer den Zufall repräsentierenden Größe ω. Zum Beispiel kann ω das zufällige Ergebnis eines Münzwurfs sein. Dann kann zum Beispiel eine Wette auf den Ausgang eines Münzwurfs mithilfe einer Zufallsvariablen modelliert werden. Angenommen, es wurde auf Zahl gewettet, und wenn richtig gewettet wurde, wird 1 EUR ausgezahlt, sonst nichts.

Definition einer Zufallsvariablen

Sei X:Ω die Auszahlungssumme bei einem zweimaligen Münzwurf. Da der Wert von X vom Zufall abhängt, ist X eine Zufallsvariable, insbesondere eine reelle Zufallsvariable.

Einmaliger Münzwurf - Ergebnisraum

Sie bildet die Menge der Wurfergebnisse von einem Münzwurf die Ergebnismenge Ω1:={Kopf,Zahl}, während das zusammengesetzte Experiment des zweimaligen Münzwurfes die Ergebnismenge Ω:=Ω1×Ω1={Kopf,Zahl}2 ist.

Zusammengesetztes Ergebnis - zweimaliger Münzwurf

Die Menge der möglichen Auszahlungsbeträge im zusammengesetzten Experiment is {0,1,2}:

X(ω1,ω2)={0,wenn ω1=Kopf und ω2=Kopf,1,entweder ω1=Zahl oder ω2=Zahl.2,wenn ω1=Zahl und ω2=Zahl,

Ergebnisraum des Zufallsexperimentes

Ω:={Kopf,Zahl}2 nennt als Menge aller Ergebnisse eine Zufallsexperimentes Ergebnisraum. Besteht das Wettet man bei zwei Münzwürfen beide Male auf Kopf und bezeichnet die Kombination der Ausgänge der Münzwürfe mit ω=(ω1,ω2), so lassen sich beispielsweise folgende Zufallsvariablen untersuchen:

  • X1(ω):=X(ω1){0,1} als Auszahlung nach der ersten Wette,
  • X2(ω):=X(ω2){0,1} als Auszahlung nach der zweiten Wette,
  • X(ω):=X(ω1)+X(ω2){0,1,2} als Summe der beiden Auszahlungen.

Bezeichnungen

Zufallsvariablen selbst werden üblicherweise mit einem Großbuchstaben bezeichnet (hier X1,X2,X), während man für die Realisierungen die entsprechenden Kleinbuchstaben verwendet (so beispielsweise für ω=(Zahl,Kopf) die Realisierungen x1=1, x2=0, s=1).

Bedeutung des Ergebnisraumes

Im Beispiel sind die Mengen Ω={Kopf,Zahl×{Kopf,Zahl und Ω1={Kopf,Zahl} eine konkrete Interpretation. In der weiteren Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie ist es oft zweckmäßig, die Elemente von Ω als Repräsentanten des Zufalls zu betrachten und die Verteilungsannahmen für die induzierte Verteilung z.B. auf die reellen Zahlen zu ohne ihnen eine konkrete Bedeutung zuzuweisen, und dann sämtliche zu modellierende Zufallsvorgänge als Zufallsvariable zu erfassen.

Definition - Zufallsvariable

Als Zufallsvariable bezeichnet man eine messbare Funktion von einem Wahrscheinlichkeitsraum in einen Messraum.

Eine formale mathematische Definition lässt sich wie folgt geben:[5]

Es seien (Ω,𝒮,P) ein Wahrscheinlichkeitsraum und (Ω,𝒮) ein Messraum. Eine (𝒮,𝒮)-messbare Funktion X:ΩΩ heißt dann eine Ω-Zufallsvariable auf Ω.

Beispiel: Zweimaliger Würfelwurf

Summe von zwei Würfeln:(Ω,𝒮,P)S(Ω,𝒮,PS).

Summe von zwei Würfeln

Experiment mit 2 fairen Würfeln - Laplaceverteilung

Das Experiment, mit einem fairen Würfel zweimal zu würfeln, lässt sich mit folgendem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,𝒮,P) modellieren:

  • Ω ist die Menge der 36 möglichen Ergebnisse Ω={(1,1),(1,2),,(6,5),(6,6)}
  • 𝒮 ist die Potenzmenge von Ω
  • Will man zwei unabhängige Würfe mit einem fairen Würfel modellieren, so setzt man alle 36 Ergebnisse gleich wahrscheinlich, wählt also das Wahrscheinlichkeitsmaß P als P({(n1,n2)})=136 für n1,n2{1,2,3,4,5,6}.

Definition von Zufallsgrößen

Die Zufallsvariablen X1 (gewürfelte Zahl des ersten Würfels), X2 (gewürfelte Zahl des zweiten Würfels) und S (Augensumme des ersten und zweiten Würfels) werden als folgende Funktionen definiert:

  • X1:Ω;(n1,n2)n1,
  • X2:Ω;(n1,n2)n2, und
  • X:Ω;(n1,n2)n1+n2,

wobei für 𝒮 die borelsche σ-Algebra auf den reellen Zahlen gewählt wird.

Bemerkung - Angabe des Messräume

Oft wird auf die konkrete Angabe der zugehörigen Räume verzichtet; es wird angenommen, dass aus dem Kontext klar ist, welcher Wahrscheinlichkeitsraum auf Ω und welcher σ-Algebra auf Ω gemeint ist. Im Zweifel sollte man den zugehörigen Messraum angeben.

Bemerkung - Sigma-Algebra bei endlicher Ergebnismenge

Bei einer endlichen Ergebnismenge Ω wird Σ meistens als die Potenzmenge von Ω gewählt. Die Forderung, dass die verwendete Funktion messbar ist, ist dann immer erfüllt.

Bemerkung - Sigma-Algebra bei überabzählbarer Ergebnismenge

Messbarkeit wird erst wirklich bedeutsam, wenn die Ergebnismenge Ω überabzählbar viele Elemente enthält. Dies ist bei Maßen auf den reellen Zahlen der Fall.

Klassen von Zufallsvariablen

Einige Klassen von Zufallsvariablen mit bestimmten Wahrscheinlichkeits- und Messräumen werden besonders häufig verwendet (z.B. die Borelsche_σ-Algebra auf den reellen Zahlen). Diese werden teilweise mit Hilfe alternativer Definitionen eingeführt, die keine Kenntnisse der Maßtheorie voraussetzen:

Reelle Zufallsvariable

Bei reellen Zufallsvariablen ist der Bildraum die Menge der reellen Zahlen versehen mit der borelschen σ-Algebra. Die allgemeine Definition von Zufallsvariablen lässt sich in diesem Fall zur folgenden Definition vereinfachen:

Definition - reelle Zufallsvariable

Eine reelle Zufallsvariable ist eine Funktion X:Ω, die jedem Ergebnis ω aus einer Ergebnismenge Ω eine reelle Zahl X(ω) zuordnet und die folgende Messbarkeitsbedingung erfüllt:

x: {ωX(ω)x}𝒮

Bemerkung zur Definition

Die Definition bedeutet, dass die Menge aller Ergebnisse, deren Realisierung unterhalb eines bestimmten Wertes liegt, ein Ereignis bilden muss.

Bezug zum Beispiel Würfelwurf

Im Beispiel des zweimaligen Würfelns sind X1, X2 und S jeweils reelle Zufallsvariablen.

Mehrdimensionale Zufallsvariable

Vorlage:Hauptartikel Eine mehrdimensionale Zufallsvariable ist eine messbare Abbildung X:Ωn für eine Dimension n. Sie wird auch als Zufallsvektor bezeichnet. Damit ist X=(X1,,Xn) gleichzeitig ein Vektor von einzelnen reellen Zufallsvariablen Xi:Ω, die alle auf dem gleichen Wahrscheinlichkeitsraum definiert sind.

Multivariate Verteilung

Die Verteilung von X wird als multivariat bezeichnet, die Verteilungen der Komponenten Xi nennt man auch Randverteilungen. Die mehrdimensionalen Entsprechungen von Erwartungswert und Varianz sind der Erwartungswertvektor und die Kovarianzmatrix.

Beispiel diskrete multivariate Verteilung

Im diskreten Fall kann als Beispiel der zweimalige Würfelwurf mit X=(X1,X2) als eine zweidimensionale Zufallsvariable angesehen werden.

Beispiel stetige multivariate Verteilung

Im stetigen Fall kann als Beispiel des Dartwurf auf ein rechteckiges Brett mit einem Koordinatensystem angesehen werden. Dabei steht omega für einen Wurf X(ω)=(X1(ω),X2(ω))=(x,y), die die Einstichstelle (x,y) des Wurfel <math>ω als zweidimensionale Zufallsvariable auf dem Brett angibt.


Unterschied - Zufallsvektoren - Wahrscheinlichkeitsvektoren

Zufallsvektoren sollten nicht mit Wahrscheinlichkeitsvektoren (auch stochastische Vektoren genannt) verwechselt werden. Diese sind Elemente des n, deren Komponenten positiv sind und deren Summe 1 ergibt. Sie beschreiben die Wahrscheinlichkeitsmaße auf Mengen mit n Elementen.

Komplexe Zufallsvariable

Bei komplexen Zufallsvariablen ist der Bildraum die Menge der komplexen Zahlen versehen mit der durch die kanonische Vektorraumisomorphie zwischen und 2 „geerbten“ borelschen σ-Algebra. X ist genau dann eine Zufallsvariable, wenn Realteil Re(X) und Imaginärteil Im(X) jeweils reelle Zufallsvariablen sind.

Numerische oder erweiterte Zufallsvariable

Vorlage:Hauptartikel Der Begriff Zufallsvariable ohne weitere Charakterisierung bedeutet meistens – und fast immer in anwendungsnahen Darstellungen – reelle Zufallsvariable. Zur Unterscheidung von einer solchen wird eine Zufallsvariable mit Werten in den erweiterten reellen Zahlen {,} als numerische Zufallsvariable[6] – entsprechend der Terminologie der numerischen Funktion – oder als erweiterte Zufallsvariable[6] (engl. extended random variable[7]) bezeichnet. Es gibt aber auch eine abweichende Terminologie, bei der Zufallsvariable eine numerische Zufallsvariable bezeichnet und eine reelle Zufallsvariable immer als solche bezeichnet wird.[8]

Die Verteilung von Zufallsvariablen, Existenz

Eng verknüpft mit dem eher technischen Begriff einer Zufallsvariablen ist der Begriff der auf dem Bildraum von X induzierten Wahrscheinlichkeitsverteilung. Mitunter werden beide Begriffe auch synonym verwendet.

Induzierte Verteilung - Bildmaß

Formal wird die Verteilung PX einer Zufallsvariablen X als das Bildmaß des Wahrscheinlichkeitsmaßes P definiert, also

PX(A)=P(X1(A)) für alle AΣ, wobei Σ die auf dem Bildraum der Zufallsvariable X gegebene σ-Algebra ist.

Alternative Notation in der Literatur

Statt PX werden in der Literatur für die Verteilung von X auch die Schreibweisen PX oder PX1 verwendet.

Beispiel - Induzierte Verteilung

Spricht man also beispielsweise von einer normalverteilten Zufallsvariablen, so ist damit eine Zufallsvariable mit Werten in den reellen Zahlen gemeint, deren Verteilung einer Normalverteilung entspricht.

Eigenschaften von induzierten Veteilungen

Eigenschaften, welche sich allein über gemeinsame Verteilungen von Zufallsvariablen ausdrücken lassen, werden auch wahrscheinlichkeitstheoretisch genannt.[9] Für Behandlung solcher Eigenschaften ist es nicht notwendig, die konkrete Gestalt des (Hintergrund-)Wahrscheinlichkeitsraumes zu kennen, auf dem die Zufallsvariablen definiert sind.

Bedeutung der Verteilung auf Omega

Häufig wird deswegen z.B. von einer reellen Zufallsvariablen X:Ω lediglich die Verteilungsfunktion angegeben und der zu Grunde liegende Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,𝒮,P) offen gelassen.


Existenz einer Verteilung auf Omega 1

Obwohl man in der Regel nur mit der induzierten Verteilung arbeitet, ist dennoch notwendig zu klären, dass zumindest ein (Ω,𝒮,P), das die durch Zufallsvariablen X induzierte Verteilung generieren kann.

Existenz einer Verteilung auf Omega 2

Ein solcher Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,𝒮,P) lässt sich aber zu einer konkreten Verteilung leicht angeben, indem beispielsweise Ω=, 𝒮 als die Borelsche σ-Algebra auf den reellen Zahlen und P als das durch die Verteilungsfunktion induzierte Lebesgue-Stieltjes-Maß gewählt wird. Als Zufallsvariable X kann dann z.B. die identische Abbildung X: mit X(ω)=ω gewählt werden.[10]

Familien von Zufallsvariablen

Wenn eine Familie von Zufallsvariablen betrachtet wird, reicht es aus wahrscheinlichkeitstheoretischer Perspektive genauso, die gemeinsame Verteilung der Zufallsvariablen anzugeben, die Gestalt des Wahrscheinlichkeitsraums kann wiederum offen gelassen werden.

Zugehörigkeit zu einer Familien von Zufallsvariablen

Die Frage nach der konkreten Gestalt des Wahrscheinlichkeitsraumes tritt also in den Hintergrund, es ist jedoch von Interesse, ob zu einer Familie von Zufallsvariablen mit vorgegebenen endlichdimensionalen gemeinsamen Verteilungen ein Wahrscheinlichkeitsraum existiert, auf dem sie sich gemeinsam definieren lassen. Diese Frage wird für unabhängige Zufallsvariablen durch einen Existenzsatz von É. Borel gelöst, der besagt, dass man im Prinzip auf den von Einheitsintervall und Lebesgue-Maß gebildeten Wahrscheinlichkeitsraum zurückgreifen kann.

Beweisidee von Borel

Ein möglicher Beweis nutzt, dass sich die binären Nachkommastellen der reellen Zahlen in [0,1] als ineinander verschachtelte Bernoulli-Folgen betrachten lassen (ähnlich Hilberts Hotel).[11]

Mathematische Attribute für Zufallsvariablen

Verschiedene mathematische Attribute, die in der Regel denen für allgemeine Funktionen entlehnt sind, finden bei Zufallsvariablen Anwendung. Die häufigsten werden in der folgenden Zusammenstellung kurz erklärt:

Diskret

Eine Zufallsvariable wird als diskret bezeichnet, wenn sie nur endlich viele oder abzählbar unendlich viele Werte annimmt oder etwas allgemeiner, wenn ihre Verteilung eine diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung ist.[12] Im obigen Beispiel des zweimaligen Würfelns sind alle drei Zufallsvariablen X1, X2 und S diskret. Ein weiteres Beispiel für diskrete Zufallsvariablen sind zufällige Permutationen.

Konstant

Eine Zufallsvariable wird als konstant bezeichnet, wenn sie nur einen Wert annimmt: X(ω)=c für alle ω. Sie ist ein Spezialfall einer diskreten Zufallsvariable.

Es gilt

X(ω)=cωΩP(X=c)=1

die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Eine Zufallsvariable die nur die rechte Seite erfüllt, heißt fast sicher konstant.

Unabhängig

Vorlage:Hauptartikel Zwei reelle Zufallsvariablen X,Y heißen unabhängig, wenn für je zwei Intervalle [a1,b1] und [a2,b2] die Ereignisse EX:={ω|X(ω)[a1,b1]} und EY:={ω|Y(ω)[a2,b2]} stochastisch unabhängig sind. Das sind sie, wenn gilt: P(EXEY)=P(EX)P(EY).

In obigem Beispiel sind X1 und X2 unabhängig voneinander; die Zufallsvariablen X1 und S hingegen nicht.

Unabhängigkeit mehrerer Zufallsvariablen X1,X2,,Xn bedeutet, dass das Wahrscheinlichkeitsmaß PX des Zufallsvektors X=(X1,X2,,Xn) dem Produktmaß der Wahrscheinlichkeitsmaße der Komponenten, also dem Produktmaß von PX1,PX2,,PXn entspricht.[13] So lässt sich beispielsweise dreimaliges unabhängiges Würfeln durch den Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,Σ,P) mit

Ω={1,2,3,4,5,6}3,
Σ der Potenzmenge von Ω und
P((n1,n2,n3))=163=1216

modellieren; die Zufallsvariable "Ergebnis des k-ten Wurfes" ist dann

Xk(n1,n2,n3)=nk für k{1,2,3}.

Die Konstruktion eines entsprechenden Wahrscheinlichkeitsraums für eine beliebige Familie unabhängiger Zufallsvariable mit gegebenen Verteilungen ist ebenfalls möglich.[14]

Identisch verteilt

Zwei oder mehr Zufallsvariablen heißen identisch verteilt (bzw. i.d. für identically distributed), wenn ihre induzierten Wahrscheinlichkeitsverteilungen gleich sind. In Beispiel des zweimaligen Würfelns sind X1, X2 identisch verteilt; die Zufallsvariablen X1 und S hingegen nicht.

Unabhängig und identisch verteilt

Vorlage:Hauptartikel Häufig werden Folgen von Zufallsvariablen untersucht, die sowohl unabhängig als auch identisch verteilt sind; demnach spricht man von unabhängig identisch verteilten Zufallsvariablen, üblicherweise mit u.i.v. bzw. i.i.d. (für independent and identically distributed) abgekürzt.

In obigem Beispiel des dreimaligen Würfelns sind X1, X2 und X3 i.i.d. Die Summe der ersten beiden Würfe S1,2=X1+X2 und die Summe des zweiten und dritten Wurfs S2,3=X2+X3 sind zwar identisch verteilt, aber nicht unabhängig. Dagegen sind S1,2 und X3 unabhängig, aber nicht identisch verteilt.

Austauschbar

Austauschbare Familien von Zufallsvariablen sind Familien, deren Verteilung sich nicht ändert, wenn man endlich viele Zufallsvariablen in der Familie vertauscht. Austauschbare Familien sind stets identisch verteilt, aber nicht notwendigerweise unabhängig.

Mathematische Attribute für reelle Zufallsvariablen

Kenngrößen

Zur Charakterisierung von Zufallsvariablen dienen einige wenige Funktionen, die wesentliche mathematische Eigenschaften der jeweiligen Zufallsvariable beschreiben. Die wichtigste dieser Funktionen ist die Verteilungsfunktion, die Auskunft darüber gibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Zufallsvariable einen Wert bis zu einer vorgegebenen Schranke annimmt, beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, höchstens eine Vier zu würfeln. Bei stetigen Zufallsvariablen wird diese durch die Wahrscheinlichkeitsdichte ergänzt, mit der die Wahrscheinlichkeit berechnet werden kann, dass die Werte einer Zufallsvariablen innerhalb eines bestimmten Intervalls liegen. Des Weiteren sind Kennzahlen wie der Erwartungswert, die Varianz oder höhere mathematische Momente von Interesse.

Stetig oder kontinuierlich

Das Attribut stetig wird für unterschiedliche Eigenschaften verwendet.

  • Eine reelle Zufallsvariable wird als stetig (oder auch absolut stetig) bezeichnet, wenn sie eine Dichte besitzt (ihre Verteilung absolutstetig bezüglich des Lebesgue-Maßes ist).[15]
  • Eine reelle Zufallsvariable wird als stetig bezeichnet, wenn sie eine stetige Verteilungsfunktion besitzt.[16] Insbesondere bedeutet das, dass P({X=x})=0 für alle x gilt.

Messbarkeit, Verteilungsfunktion und Erwartungswert

Wenn eine reelle Zufallsvariable X auf dem Ergebnisraum Ω und eine messbare Funktion g: gegeben ist, dann ist auch Y=g(X) eine Zufallsvariable auf demselben Ergebnisraum, da die Verknüpfung messbarer Funktionen wieder messbar ist. g(X) wird auch als Transformation der Zufallsvariablen X unter g bezeichnet. Die gleiche Methode, mit der man von einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,Σ,P) nach (,(),PX) gelangt, kann benutzt werden, um die Verteilung von Y zu erhalten.

Die Verteilungsfunktion von Y lautet

FY(y)=P(g(X)y).

Der Erwartungswert einer quasi-integrierbaren Zufallsgröße X von (Ω,Σ,P) nach (¯,(¯)) berechnet sich folgend:

E(X)=ΩX(ω)dP(ω).

Integrierbar und quasi-integrierbar

Eine Zufallsvariable heißt integrierbar, wenn der Erwartungswert der Zufallsvariable existiert und endlich ist. Die Zufallsvariable heißt quasi-integrierbar, wenn der Erwartungswert existiert, möglicherweise aber unendlich ist. Jede integrierbare Zufallsvariable ist folglich auch quasi-integrierbar.

Beispiel

Es sei X eine reelle stetig verteilte Zufallsvariable und Y=X2.

Dann ist

FY(y)=P(X2y).

Fallunterscheidung nach y:

y<0:

P(X2y)=0FY(y)=0

y0:

P(X2y)=P(|X|y)=P(yXy)FY(y)=FX(y)FX(y)

Standardisierung

Vorlage:Hauptartikel Eine Zufallsvariable nennt man standardisiert, wenn ihr Erwartungswert 0 und ihre Varianz 1 ist. Die Transformation einer Zufallsvariable Y in eine standardisierte Zufallsvariable

Z=YE(Y)Var(Y)

bezeichnet man als Standardisierung der Zufallsvariable Y.

Sonstiges

  • Zeitlich zusammenhängende Zufallsvariablen können auch als stochastischer Prozess aufgefasst werden
  • Eine Folge von Realisierungen einer Zufallsvariable nennt man auch Zufallssequenz
  • Eine Zufallsvariable X:Ωn erzeugt eine σ-Algebra X():={X1(B)|B(n)}, wobei (n) die Borelsche σ-Algebra des n ist.

Literatur

  • Karl Hinderer: Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie. Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York 1980, ISBN 3-540-07309-4.
  • Erich Härtter: Wahrscheinlichkeitsrechnung für Wirtschafts- und Naturwissenschaftler. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1974, ISBN 3-525-03114-9.
  • Michel Loève: Probability Theory I. 4. Auflage. Springer, 1977, ISBN 0-387-90210-4.

Wikibuch - Zufallsvariablen Funktionen von Zufallsvariablen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Vorlage:Literatur
  2. Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger: Eine Einführung in die faszinierende Welt des Zufalls. Vieweg+Teubner Verlag, 2010, ISBN 978-3-8348-0815-8, doi:10.1007/978-3-8348-9351-2, S. 12.
  3. Vorlage:Literatur
  4. Jeff Miller: Earliest Known Uses of Some of the Words of Mathematics. Abschnitt R.
  5. Karl Hinderer: Grundbegriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie. Springer, Berlin 1980, ISBN 3-540-07309-4 (nicht überprüft)
  6. 6,0 6,1 Vorlage:Literatur
  7. Vorlage:Literatur
  8. Vorlage:Literatur
  9. Loève: Probability Theory. 4. Auflage. Band 1, Springer 1977, ISBN 0-387-90210-4, S. 172f.
  10. Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972, ISBN 0-12-065201-3, Definition 5.6.2.
  11. Olav Kallenberg: Foundations of Modern Probability. 2. Ausgabe. Springer, New York 2002, ISBN 0-387-95313-2, S. 55.
  12. Vorlage:Literatur
  13. Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972, ISBN 0-12-065201-3 (Definition 5.8.1)
  14. Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. Springer-Verlag, Berlin/ Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-89729-3, Kapitel 11.4.
  15. Marek Fisz: Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. 11. Auflage. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1989, Definition 2.3.3.
  16. Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972, ISBN 0-12-065201-3, S. 210.


Siehe auch

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