Kurs:Räumliche Modellbildung/Fluiddynamik Gruppe Nr1

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Gruppenteilnehmer

  • Chiara Berres
  • Laura Hohwieler
  • Nils Hauck

Thema und Fragestellung

In diesem Projekt wird untersucht, wie der Luftstrom im Inneren einer Blockflöte aussieht. Als weiterführende Frage wird untersucht, wie sich der Luftstrom verändert, wenn man unterschiedliche Töne spielt, d.h. nacheinander verschiedene Löcher öffnet oder schließt.

Rohdaten

Als Grundlage für die Modellierung dient die Querschnittszeichnung einer Blockflöte. Ausgehend davon wurde eine Skizze mit Abmessungen für die Implementation der Geometrie der Flöte in COMSOL Multiphysics erstellt.

Selbst erstellte Skizze zur Modellierung der Blockflöte
Abbildung 1: Selbst erstellte Skizze zur Modellierung der Blockflöte

Die Luftgeschwindigkeit beim Flötespielen liegt zwischen 10 und 40 ms. [1]

Untenstehende Abbildung zeigt den Aufbau einer Blockflöte mit den Fachbegriffen[2], die im Folgenden verwendet werden.

Bauplan mit Beschriftung
Abbildung 2:Skizze der Blockflöte mit Begriffen

Implementation in COMSOL Multiphysics

Zur Implementation in COMSOL Multiphysics wurde eine zeitabhängige Studie in zwei Raumdimensionen mit Fluidströmung und Einphasen-Strömung (laminare Strömung) angelegt.

Modellierung der Blockflöte

Die Blockflöte wurde mithilfe von Polygonen und Rechtecken als ein zusammenhängendes Element modelliert. Hierbei wurde vernachlässigt, dass eine Blockflöte in der Regel aus drei Teilen (Kopf, Mittelstück und Fuß) zusammengesetzt ist. Mithilfe der Funktionen "Schnittmenge" und "Differenz" wurden die Löcher (Tonlöcher, Daumenloch, Schallloch, Fenster, Windkanaleingang) ausgeschnitten. Die letzten beiden Tonlöcher wurden als Einfachloch modelliert, nicht als Doppelloch, wie es bei vielen Blockflöten üblich ist. Schließlich wurden der Flötenkörper und der Luftkanal (Windkanal und Innenbohrung) als zwei getrennte Gebiete angelegt.

Abbildung der Geometrie der Flöte aus COMSOL - Bildunterschrift: Modell der Blockflöte, erstellt in COMSOL Multiphysics
Abbildung 3: Modell der Blockflöte, erstellt in COMSOL Multiphysics

Mathematischer und physikalischer Hintergrund

Grundlagen

Als Grundlage des Modells dient der modellierte Flötenkörper mit Fingerlöchern, Schalloch, Fenster und Windkanaleingang (siehe Abbildung 3). Für die Modellierung der Luftströmung (Material: Luft) im Inneren der Flöte wurde die Laminare Strömung gewählt. Um den Flötenkörper bei den Ergebnissen auch darstellen zu können, wurde er als zweites physikalisches Gebiet mit der Größe "Wärmetransport" definiert. Dieser wurde jedoch in der Studie nicht weiter betrachtet, sondern dient nur zur Darstellung des Flötenkörpers.

Gebiete

Das Modell ist unterteilt in die folgenden Gebiete:

  • Flötenkörper
  • Flöteninneres (Fluidgebiet, bestehend aus Windkanal, Innenbohrung, Labiumsöffnung, Tonlöcher, Daumenloch und Schallloch)

Das Fenster und das Schallloch wurden als freier Ausfluss definiert, da diese Öffnungen zu keinem Zeitpunkt verschlossen werden. Im ersten Teil der Untersuchung wurden auch die Tonlöcher und das Daumenloch als freier Auslass definiert und so eine Öffnung aller Löcher simuliert. Im weiteren Verlauf wurden diese Löcher als Auslass mit einer zeitabhängigen Ausströmgeschwindigkeit r definiert, um das Öffnen (r0) und Schließen (r=0) der Löcher zu simulieren.

Funktionen

Innerhalb der ersten 0,4 Sekunden wird die Anblasgeschwindigkeit von 0 auf die maximale Anblasgeschwindigkeit von 25 ms erhöht. Dies erfolgt mithilfe der Rampenfunktion rm1.

Rampenfunktion rm1
Abbildung 4

Um im zweiten Teil der Modellierung der Geschwindigkeit an den Löchern zu definieren und so das Öffnen der Löcher zu simulieren, wurde für jedes Tonloch und das Daumenloch eine geglättete Stufenfunktion definiert. Sie sorgt dafür, dass die Geschwindigkeit von 0 ms auf eine Ausflussgeschwindigkeit von 0,5 ms erhöht wird. Abbildung 5 zeigt die erste derartige Funktion für das erste geöffnete Loch. Die restlichen Funktionen sind im Abstand von 0,5 Sekunden entlang der x-Achse verschoben und simulieren so eine Öffnung der weiteren Löcher zu einem späteren Zeitpunkt.

Rampenfunktion step 1
Abbildung 5

Mathematische Definitionen

Folgende mathematische Definitionen wurden verwendet:

  • Anfangsgeschwindigkeit: u=(00)ms
  • Anfangsdruck:
    • in Modell 1 und 2: p=0 Pa
    • in Modell 3: p=100 Pa
  • Randbedingungen:
    • Windkanaleingang: Einlass (Dirichlet) mit u=u0=(rm1(t)umax0) ms mit umax=25 ms (maximale Anblasgeschwindigkeit)
    • Rand Flötenkörper: Wand (Gleiten, Neumann) mit t(tn)n=0 und t(t,x,n)=T(t,x)n
    • Schallloch und Fenster: offene Wand mit Nullspannung (Neumann): f0=0 Nm2

Berechnung des Volumenflusses

Mithilfe der Integralfunktion in COMSOL wurde an den Löchern berechnet, wie viel Luft (in m2s) herausfließt. Dies wurde später durch Multiplikation mit dem zugehörigen Flächeninhalt als Volumenfluss in m3s und cm3s umgerechnet.

Adiabatische Flüsse

Bei adiabatischen Flüssen ist die Energieerhaltung unabhängig vom System und es herrscht folgende baratrope Beziehung: p=cργ mit c=const und γ=1,4 (Isotropenexponent für Luft).

Die Konstante c kann bei einer Temperatur von 310 K aus dem Atmosphärendruck pα=101325 Pa und der Luftdichte ρα=1,138 kgm3 mit c85000 Pakgm3 bestimmt werden.

Folglich kann die Dichte mithilfe des Drucks wie folgt ausgedrückt werden, wobei pref=100 Pa der anfänglich eingestellte Referenzdruck ist:

ρ=(p+(pαpref)c)1γ

Es ergibt sich so für das vorliegende Modell die folgende Formel, die unter "Laminare Strömung" - "Fluideigenschaften" für die Dichte ρ eingegeben wird:

ρ=(p+10122585000)11,4

Ausgewählte Ergebnisse und Diskussion

Alle Tonlöcher und das Daumenloch geöffnet

Abbildung 6 zeigt die Veränderung des Luftstroms im Kopfteil der Flöte im Zeitraum von einer Sekunde. Der Anblasvorgang beginnt mit einer Geschwindigkeit von v=0 ms am Windkanaleingang und steigt in den ersten 0,4 Sekunden auf die vorgegebene maximale Anblasgeschwindigkeit von v=25 ms. Am Windkanalausgang liegt das Maximum der Luftgeschwindigkeit bei v=29.1 ms.

Abbildung 6
Abbildung 6

In den ersten 0,4 Sekunden baut sich der Luftstrom Kopf der Flöte auf und es entstehen Verwirbelungen (siehe Abbildung 7). Sobald die eingeblasene Luft ihre maximale Geschwindigkeit erreicht hat, stabilisieren sich die Verwirbelungen im Kopf der Flöte und es kommt nur noch im hinteren Bereich des Windkanals zu Veränderungen (siehe Abbildung 8).

Abbildung 7 Abbildung 8
Abbildung 7: Verwirbelung im vorderen Bereich der Flöte Abbildung 8: Verwirbelung in hinteren Bereich der Flöte

Die Zahlen an den Löchern der Flöte geben die Menge der Luft an, die aus den Löchern herausströmt. Sie verändert sich im Laufe der Zeit. Man erkennt, dass die meiste Luft die Flöte durch das Fenster und das Daumenloch verlässt, zeitweise auch durch das Schallloch. Die roten Pfeile visualisieren die Geschwindigkeit, mit der die Luft aus den Löchern strömt. Es scheint, als würde durch einige Löcher auch immer wieder Luft ins Innere der Flöte gezogen werden, da die Pfeile teilweise nach innen zeigen.

Abbildung 4
Abbildung 9

Auch der Druck innerhalb der Flöte baut sich in den ersten 0,4 Sekunden auf und bleibt danach relativ konstant (siehe Abbildung 10). Auffällig ist der hohe Druck an der Kante des Labiums, an der der Luftstrom gespalten wird (siehe Abbildung 11).

Abbildung 10 Abbildung 11
Abbildung 10: Druck im Inneren der Flöte Abbildung 11: Druck an der Labiumkante

Teilweise geschlossene Tonlöcher / Daumenloch

Im zweiten Teil der Untersuchung wurde die Flöte so angepasst, dass ab t=1 s stets nach 0,5 Sekunden ein weiteres Tonloch und zum Schluss (bei t=4,5 s) das Daumenloch geöffnet wird. Die Öffnung der Löcher ist erkennbar an den roten Pfeilen, die aus dem entsprechenden Loch nach außen zeigen. Dass die Geschwindigkeit an allen Löchern gleich ist, ist auf die vorgegebene Geschwindigkeit zur Modellierung der Öffnung zurückzuführen.

Es ist erkennbar, dass die Stromlinien bei geschlossenen Löchern an den entsprechenden Rändern vorbeiführen bzw. dass es lediglich Verwirbelungen in den geschlossenen Löchern gibt. Bei Öffnung eines Lochs führen die Stromlinien jedoch zum Rand, da ab dann Luft durch das jeweilige Loch herausströmt.

Tonlöcher und Daumenloch werden nacheinander geöffnet
Abbildung 12: Tonlöcher und Daumenloch werden nacheinander geöffnet


Auffällig ist, dass sich der große Wirbel in der Nähe des Daumenlochs bei der Version mit geschlossenen Löchern weiter hinten bildet als bei der Flöte mit geöffneten Löchern. Erst mit Öffnung des Daumenlochs bewegt er sich ein kleines Stück nach vorn, bleibt aber immer noch weiter hinten als bei der geöffneten Version und bewegt sich auch in den 0,4 Sekunden nach Öffnung des Daumenlochs nicht mehr weiter nach vorne. Dies kann daran liegen, dass die Öffnung der Löcher über eine vorgegebene Ausflussgeschwindigkeit definiert wurde, die auf Basis einer Literaturrecherche geschätzt wurde. Somit stimmt die Ausflussgeschwindigkeit an den Fingerlöchern vermutlich nicht exakt mit der Realität überein.

Wirbel vorne bei Melodie Wirbel bei allen Löchern offen
Abbildung 13: Position des Wirbel bei Melodie Abbildung 14: Position des Wirbel bei allen Löchern offen

Adiabatisches Fluid

Im dritten Teil des Projekts wurde das Modell so verändert, dass die Luft als adiabatisches Fluid betrachtet wird. Der Luftstrom in der Flöte gleich dem im zweiten Modell (inkompressibles Fluid).

Adiabatisch 100 Pa
Abbildung 15

Vergleich des Volumenflusses aus ausgewählten Löchern

Anhand von drei verschiedenen Modellen des Luftstroms in der Flöte kann verglichen werden, wie viel Luft aus den Löchern herausströmt.

Der Volumenfluss an den Tonlöchern, am Schallloch und am Daumenloch wurde durch Integration über die entsprechenden Kanten multipliziert mit der zugehörigen Kreisfläche berechnet. An der Labiumsöffnung wurde ebenfalls das Integral über die zugehörige Kante gebildet, allerdings multipliziert mit der Fläche des Fensters (Rechtsecksfläche), nicht mit der Fläche der gesamten Labiumsöffnung.

Modell 1: Inkompressibles Fluid, alle Löcher geöffnet

Das Volumen der aus den Tonlöchern herausfließenden Luft im Zeitraum von einer Sekunde im Modell mit inkompressiblem Fluid liegt pro Loch zwischen 0 und ca. 0,2cm3s Luftvolumen. Lässt man Sekunde 0 unbeachtet, so liegt der Durchschnitt der einzelnen Löcher zwischen 0,026cm3s und 0,0102 cm3s. Der Volumenfluss am Schallloch, am Daumenloch und an der Labiumsöffnung ist jeweils deutlich größer als an den Tonlöchern. Er beträgt durchschnittlich ca. 0,967 cm3s am Schallloch, ca. 0,729 cm3s am Daumenloch und ca. 8,096 cm3s an der Labiumsöffnung. In Summe fließen somit ca. 10,122 cm3s aus der Flöte heraus. Alle Werte sind in Tabelle 1 zusammengefasst.


Tabelle 1
Tabelle 1

Modell 2: Inkompressibles Fluid, Labiumsöffnung und Schallloch geöffnet

Im zweiten Modell wird der Ausfluss an den Tonlöchern über eine vorgegebene Geschwindigkeit an den Rändern gesteuert. Aus diesem Grund ist eine Integralbildung über diese Kanten nicht aussagekräftig, da die Geschwindigkeit vorgegeben ist. Es wird daher hier nur noch auf die Labiumsöffnung und das Schallloch geschaut, die als offene Ränder definiert sind.

Der maximale Volumenfluss an der Labiumsöffnung liegt in diesem Modell mit inkompressiblem Fluid bei 4,5 cm3s, durchschnittlich (ohne Sekunde 0) bei 3,8 cm3s. Der Volumenfluss am Schallloch ist mit maximal 8,6 cm3s und durchschnittlich (ohne Sekunde 0) 5,9 cm3s etwas höher. Die konkreten Werte sind in Tabelle 2 (s.u.) zusammengefasst.

Auffällig ist, dass sich das Verhältnis zwischen Volumenfluss an der Labiumskante und am Schallloch im Gegensatz zum ersten Modell hier umgekehrt hat. Dies ist vermutlich auf die an den Tonlöchern vorgegebene Ausflussgeschwindigkeit zurückzuführen.

Modell 3: Adiabatisches Fluid, Labiumsöffnung und Schallloch geöffnet

Bei der Modellierung des adiabatischen Fluids stimmen die Werte nahezu vollständig mit denen des inkompressiblen Fluids überein (vgl. Tabelle 3)

Tabelle 2: inkompressibles Fluid Tabelle 3: adiabatisches Fluid

Es ist daher anzunehmen, dass die laminare Strömung auch für schwach viskose Fluide eine gute Approximation darstellt. Um das erste Modell (inkompressibles Fluid, alle Löcher geöffnet) mit den anderen beiden Modellen zu vergleichen, bietet es sich an, den Unterschied der Werte mithilfe einer geeigneten Norm zu berechnen.

Quellenangaben

  1. Birckenstaedt & Knoch: Zusammenfassung der wichtigsten Textabschnitte aus Veröffentlichungen zur Tröpfchen- und Aerosol-Ausbreitung beim Musizieren. O.O. 2020, S. 1. Abrufbar unter https://www.bdlo.org/media/uploads/files/ZusammenfassungStudien_2020-07-08.pdf (letzter Zugriff: 22.07.2023).
  2. nach Mollenhauer: Blockflöten-Begriffe. Abrufbar unter https://www.mollenhauer.com/images/stories/faq/_blockfloetenbegriffe.jpg (letzter Zugriff: 22.07.2023).