Kurs:Numerik I/8 Numerische Integration

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8.1 Einführung

In Anwendungen der Mathematik müssen häufig Riemann-Integrale für stückweise stetige Funktionen berechnet werden. In vielen Fällen ist eine geschlossene Lösung eines solchen Integrals nicht bekannt, so dass es näherungsweise numerisch gelöst werden muss. Die numerische Lösung eines Integrals bezeichnet man auch als numerische Quadratur. In diesem Abschnitt sollen eine Reihe von Formeln zur numerischen Integration hergeleitet und untersucht werden.

Das Integral über eine stückweise stetige Funktion kann bekanntlich als Summe von Integralen über stetige Funktionen beschrieben werden, so dass wir uns auf die Betrachtung stetiger Funktionen beschränken können. Dazu definieren wir den Operator :C[a,b] mit

(f):=abf(x)dx

für fC[a,b]. Dieser ist linear, da für alle f,gC[a,b] und α,β

(αf+βg)=ab[αf(x)+βg(x)]dx=αabf(x)dx+βabg(x)dx=α(f)+β(g)

gilt und er ist positiv, d. h. man hat

fC[a,b],f0(f)0,

wobei f0 bedeutet, dass f(x)0,x[a,b] ist. Gesucht sind nun einfach auszuwertende Formeln, die jedem fC[a,b] einen Näherungswert ^(f) für den Wert des Integrals zuordnen und zwar so, dass der Quadraturfehler (f)^(f) möglichst klein ist.

Definition 8.1

Unter einer Quadraturformel n:C[a,b] zur Berechnung des bestimmten Integrals (f) versteht man eine Summe
(8.1) n(f):=(ba)i=0nσif(xi)
für fC[a,b] mit bekannten Gewichten σi (i=0,1,,n) und Stützstellen bzw. Knoten xi[a,b] (i=0,1,,n), wobei xixj (ij) sei.

Wenn wir die Abhängigkeit der Gewichte und Stützstellen von der Wahl von n darstellen wollen, schreiben wir statt σi und xi auch σi(n) und xi(n). Wie ist auch eine Quadraturformel n ein linearer Operator, denn man hat

n(αf+βg)=(ba)i=0nσi[αf(xi)+βg(xi)]=α(ba)i=0nσif(xi)+β(ba)i=0nσig(xi)
(8.2) =αn(f)+βn(g)

für alle f,gC[a,b] und α,β. Sind die Gewichte nichtnegativ, d. h. hat man σi0 (i=0,1,,n), so ist ferner mit auch n positiv und gilt also

fC[a,b],f0n(f)0.

Wir definieren weiter:

Definition 8.2

Eine Quadraturformel n hat mindestens den Genauigkeitsgrad r0, wenn
(8.3) n(xj)=(xj),j=0,1,,r
gilt. Im Fall, dass zusätzlich n(xr+1)(xr+1) richtig ist, sagt man, dass n den Genauigkeitsgrad r0 hat.

Da und n lineare Operatoren sind, folgt aus (8.3)

(8.4) n(j=0rajxj)=j=0rajn(xj)=j=0raj(xj)=(j=0rajxj)

für alle aj (j=0,1,,r), und damit der folgende Satz, wobei Πr wieder den Raum aller Polynome vom Grad r bezeichnet:

Satz 8.3

n ist genau dann eine Quadraturformel von mindestens dem Genauigkeitsgrad r, wenn gilt:
n(p)=(p),pΠr.

Wir bemerken in diesem Zusammenhang:

Satz 8.4

Zu n+1 Stützstellen xi (i=0,1,,n) mit xixk (ik) gibt es genau eine Quadraturformel n, welche mindestens den Genauigkeitsgrad n0 hat, d. h. für die gilt:
(8.5) n(p)=(p),pΠn.
Diese hat die Gewichte
(8.6) σi:=1ba(Li),i=0,1,,n,
wobei LiΠn (i=0,1,,n) die zu den xi gehörenden Lagrangeschen Basispolynome sind (vgl. Definition 6.2).

Beweis.

Für die durch die Stützstellen xi und Gewichte σi in (8.6) definierte Quadraturformel n gilt für k=0,1,,n

(8.7) n(Lk)=(ba)i=0nσiLk(xi)=(ba)i=0nσiδki=(ba)σk=(Lk).

Da sich jedes Polynom vom Grad n auf eindeutige Weise als Linearkombination der Lk (k=0,1,,n) darstellen lässt (vgl. (6.6)) und sowie n lineare Operatoren sind, folgt damit analog zu (8.4) die Beziehung (8.5). Die so definierte Quadraturformel n ist eindeutig. Denn für jede andere Quadraturformel 𝒥n mit Gewichten σ^k und Genauigkeitsgrad n0 hat man wegen LkΠn die Identität 𝒥n(Lk)=(Lk) und bekommt man analog zu (8.7) 𝒥n(Lk)=(ba)σ^k, so dass (ba)σ^k=(Lk) und demnach σ^k=σk folgt.

q.e.d.

Weiter stellen wir fest:

Satz 8.5

Ist n eine Quadraturformel, die einen Genauigkeitsgrad r0 hat, so folgt für ihre Gewichte σi
i=0nσi=1.

Beweis.

Da n einen Genauigkeitsgrad r0 hat, folgt

(ba)i=0nσi=n(1)=(1)=ab1dx=ba.

q.e.d.

Bezüglich der Konvergenz der durch eine Quadraturformel

n(f):=(ba)i=0nσi(n)f(xi(n)

erzeugten Näherungswerte n(f) gegen den exakten Wert des Integrals (f) für n kann man allgemein den folgenden Satz angeben, den wir hier jedoch nicht beweisen können (für einen Beweis siehe H. Heuser: Funktionalanalysis, Teubner, Stuttgart, 1992, S. 268).

Satz 8.6 (Szegö)

Man hat
limnn(f)=(f),fC[a,b]
genau dann, wenn gilt:
(a) i=1n|σi(n)|M,n,
(b) limnn(xj)=(xj),j0.

Mit Hilfe von Satz 8.5 erschließt man ferner:

Korollar 8.7

Es sei n eine Quadraturformel mit Gewichten σi(n)0 (i=0,1,,n) für alle n und einem Genauigkeitsgrad n0. Dann hat man
limnn(f)=(f),fC[a,b]
genau dann, wenn gilt:
limnn(xj)=(xj),j0.

8.2 Interpolatorische Quadraturformeln

8.2.1 Allgemeines

Es seien nun fC[a,b] und xi[a,b],i=0,1,,n mit xixk (ik) gegeben und QnΠn bezeichne das (eindeutige) Interpolationspolynom zu den Stützpunkten (xi,f(xi)),i=0,1,,n. Sind LiΠn (i=0,1,,n) wieder die zu den n+1 Stützstellen xi gehörenden Lagrangeschen Basispolynome, so kann das Interpolationspolynom Qn damit gemäß (6.7)in der Form

Qn(x)=i=0nf(xi)Li(x)

geschrieben werden. Wir definieren nun:

Denition 8.8

Eine Quadraturformel n mit
n(f):=(Qn)=abQn(x)dx=(ba)i=0n{1baabLi(x)dx}f(xi),
d. h. mit Gewichten
(8.8) σi:=1ba(Li),i=0,1,,n
heißt interpolatorische Quadraturformel.

Wegen der Übereinstimmung der Gewichte in (8.8) und (8.6) können wir mit Satz 8.4 schließen:

Korollar 8.9

Eine interpolatorische Quadraturformel n hat mindestens den Genauigkeitsgrad n0 und ist zu den gegebenen Stützstellen die einzige Quadraturformel mit einem Genauigkeitsgrad n.

Ferner können wir zeigen:

Satz 8.10

Eine interpolatorische Quadraturformel In besitzt die Gestalt
n(f)=(ba)i=0nσif(xi)
mit
(8.9) σi:=01k=0kinttktitkdt mit tk:=xkaba.

Beweis.

Mit tk wie in (8.9) lassen sich die Gewichte σi (i=0,1,,n) aus (8.8) mit Hilfe der Substitution x:=(ba)t+a umschreiben in

σi=1ba(Li)=1baabLi(x)dx=1baabk=0kinxxkxixkdx
(8.10) =01k=0kin(ba)t(ba)tk(ba)ti(ba)tkdt=01k=0kinttktitkdt.

q.e.d.

Die Transformation von x nach t in (8.9) ist sinnvoll, da damit die Gewichte σi in einer interpolatorischen Quadraturformel von den Intervallgrenzen a und b unabhängig werden und nur von der relativen Verteilung der Stützstellen in [a,b] abhängen.

8.2.2 Newton-Cotes-Formeln

Wir wollen nun auf spezielle interpolatorische Quadraturformeln, die Newton-Cotes-Formeln, eingehen. Diese ergeben sich durch äquidistante Wahl der Stützstellen in [a,b]. Insbesondere erhält man die abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln, wenn die Randpunkte des Intervalls [a,b] selbst Stützstellen sind, wenn also für n1gilt::(8.11)<math>xi:=a+ih(i=0.1,,n),h:=(ba)/n. Bei den offenen Newton-Cotes-Formeln sind die Randpunkte von [a,b] selbst keine Stützstellen, so dass man

xi:=a+(i+1)h(i=0,1,,n),h:=(ba)/(n+2)

hat. Wir wollen hier nur die abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln genauer untersuchen.

Lemma 8.11

Für die Gewichte σi (i=0,1,,n) der abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln gilt:
(8.12) σni=σi=1n0nk=0kinskikds.

Beweis.

Die zweite Identität in (8.12) folgt mit

tk:=xkaba=khba=kn

aus (8.9) mit der Substitution t:=s/n, denn man hat

σi=01k=0kintkninkndt=1n0nk=0kinskikds.

Somit müssen wir noch die erste Identität in (8.12) zeigen. Dazu sei i{0,,n}. Sind LiΠn die Lagrangeschen Basispolynome, so ist LniΠn und Q(x):=Li(b+ax)Πn sowie

Q(xnj)=Li(b+axnj)=Li(b+a[a+(nj)ban])=Li(a+jban)=Li(xj)
=δij=δni,nj=Lni(xnj)

für j=0,1,,n. Da Lni und Q demnach offenbar Interpolationspolynome zu den Punkten (xnj,δni,nj),j=0,1,,n sind, muss wegen der Eindeutigkeit des Interpolationspolynoms LniQ gelten, so dass wir schließlich mit der Substitution t:=b+ax Folgendes erhalten (vgl. (8.10)):

σni=1baabLni(x)dx=1baabQ(x)dx=1baabLi(b+ax)dx=1baabLi(t)dt=σi.

q.e.d.

Wir geben nun einige Spezialfälle der abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln an.

Beispiel 8.12

(1) Für n=1 hat eine interpolatorische Quadraturformel nach Satz 8.10 die Gestalt

1(f)=(ba)[σ0f(x0)+σ1f(x1)].

Dabei ergeben sich für die zugehörige abgeschlossene Newton-Cotes-Formel mit h=ba die Stützstellen x0=a und x1=b und wegen σ1=σ0 (Lemma 8.11) und σ0+σ1=1 (Satz 8.5) die Gewichte

σ1=σ0=12.

Man erhält so die (Sehnen-) Trapezregel

(8.13) 1(f):=ba2[f(a)+f(b)].

(2) Für n=2 hat man mit h=(ba)/2 die Stützstellen x0=a,x1=(a+b)/2 und x2=b und unter Verwendung von Lemma 8.11 und anschließend Satz 8.5 die Gewichte

σ2=σ0=1202(s1)(s2)(01)(02)ds=1402(s23s+2)ds=14[836+4]=16,
σ1=1σ0σ2=126=23.

Unter Verwendung von Satz 8.10 ergibt sich so die Simpson-Regel bzw. Keplersche Fassregel

(8.14) 2(f):=ba6[f(a)+4f(a+b2)+f(b)]

(3) Der Fall n=3 führt auf die Newtonsche 3/8-Regel

3(f):=ba8[f(a)+3f(2a+b3)+3f(a+2b3)+f(b)].

(4) Für n=4 bekommt man die Milne-Regel

4(f):=ba90[7f(a)+32f(3a+b4)+12f(2a+2b4)+32f(a+3b4)+7f(b)].

Als Beispiel berechnen wir ein Integral näherungsweise mit der Simpson-Regel.

Beispiel 8.13

Es seien f(x):=1/(1+x2),a=0 und b=1, so dass

(f)=0111+x2dx

ist. Die Simpson-Regel liefert dafür den Näherungswert

2(f)=16[f(0)+4f(12)+f(1)]=16(1+445+12)=4760=0.78333.

Der exakte Wert des Integrals lautet hier

(f)=arctan(x)|x=0x=1=arctan(1)=0.78540.

Für n7 sind die Gewichte in den abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln nichtnegativ und sind diese Quadraturformeln demzufolge positiv. Für n=8 und n10 treten negative Gewichte auf und ist damit als Folge von Satz 8.5

i=0n|σi(n)|>1,

was zu einer Verstärkung von Rundungsfehlern bei den Funktionswerten f(xi) führt. Die Verwendung der abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln für n8 ist daher nicht zu empfehlen. Für die (abgeschlossenen) Newton-Cotes-Formeln lässt sich sogar

limni=0n|σi(n)|=1

beweisen (Satz von Kusmin), so dass man aus dem Satz 8.6 von Szegö die Existenz eines fC[a,b] schließen kann, für das die Konvergenz limnn(f)=(f) nicht gilt. Letzteres lässt ja auch der Satz 6.24 von Faber generell für interpolatorische Quadraturformeln vermuten. Eine Erhöhung von n bei den (abgeschlossenen) Newton-Cotes-Formeln muss also nicht zwangsläufig zu einer genaueren Näherung n(f) von (f) führen.

Wir geben hier noch einige weitere interpolatorische Quadraturformeln an.

Beispiel 8.14

(1) Für n=0 und x0:=a oder x0:=b muss wegen Satz 8.5 σ0=1 gelten, so dass man alternativ folgende beiden Rechteckregeln erhält:

(8.15) 0(f):=(ba)f(a),0(f):=(ba)f(b).

(2) Für n=0 bekommt man im Fall der offenen Newton-Cotes-Formeln h:=(ba)/2 und

x0:=a+ba2=a+b2,σ0=i=0nσi=1

und damit eine weitere Rechteckregel, die Mittelpunktregel

0(f):=(ba)f(a+b2).

(3) Die offene Newton-Cotes-Formel für n=1 lautet mit h:=(ba)/3,

x0:=a+13(ba),x1:=a+23(ba)

und den Gewichten σ0=σ1=1/2, die man aus der Formel (8.9) errechnet, wie folgt:

1(f):=ba2[f(2a+b3)+f(a+2b3)].

(4) Die offene Newton-Cotes-Formel für n=2 lautet mit h:=(ba)/4,

x0:=a+14(ba),x1:=a+12(ba),x2:=a+34(ba)

und den mit Hilfe von (8.9) zu berechnenden Gewichten wie folgt:

2(f):=ba3[2f(3a+b4)f(a+b2)+2f(3a+b4)].

Man beachte, dass sie ein negatives Gewicht beinhaltet.

8.2.3 Quadraturfehler und Genauigkeitsgrad

Für den durch eine beliebige interpolatorische Quadraturformel in Bezug auf den exakten Wert des Integrals entstehenden Fehler, kann man die im folgenden Satz angegebene Abschätzung beweisen.

Satz 8.15

Es sei n eine interpolatorische Quadraturformel mit Stützstellen xi (i=0,1,,n), welche mindestens den Genauigkeitsgrad rn besitze und es sei fC(r+1)[a,b]. Dann gilt
(8.16) |(f)n(f)|γr(ba)r+2(r+1)!maxξ[a,b]|f(r+1)(ξ)|
für
γr:=mintn+1,,tr[0,1]01k=0r|ttk|dt
mit
(8.17) tk:=xkaba(k=0,1,,n).
Hat man insbesondere für die tk (k=0,,n) aus (8.17) und frei wählbare tk (k=n+1,,r) mit
s(t):=k=0r(ttk)
die Beziehung s(t)0,t[0,1] oder s(t)0,t[0,1], dann folgt mit
γ^r:=01s(t)dt
und einem ξ[a,b] die Fehlerdarstellung
(8.18) (f)n(f)=γ^r(ba)r+2(r+1)!f(r+1)(ξ).

Beweis.

Seien xi[a,b],i=n+1,,r zunächst beliebig gewählt, so dass die xi (i=0,,n,n+1,,r) paarweise verschieden sind und sei QrΠr das Interpolationspolynom zur den Stützpunkten (xi,f(xi)),i=0,1,,r. Da n den Genauigkeitsgrad r hat, gilt dann

n(f)=(ba)i=0nσif(xi)=(ba)i=0nσiQr(xi)=n(Qr)=I(Qr)

und demnach

(f)n(f)=(f)I(Qr)=ab[f(x)Qr(x)]dx.

Mit

ω(x):=(xx0)(xxn),φ(x):=(xxn+1)(xxr)

und unter Verwendung von Satz 6.11 hat man für ein ξ(x)[a,b]

f(x)Qr(x)=1(r+1)!ω(x)φ(x)f(r+1)(ξ(x)).

Da die linke Seite der letzten Gleichung stetig in x ist, ist es auch die rechte Seite und darum hat man

(8.19) (f)n(f)=1(r+1)!ab[ω(x)φ(x)f(r+1)(ξ(x))]dx.

Man beachte nun, dass die xi (i=0,1,,n) durch die Quadraturregel festgelegt sind. Wir wollen abschließend zeigen, dass für die Stützstellen xi (i=n+1,,r) die anfangs gemachte Voraussetzung hinsichtlich der paarweisen Unterschiedlichkeit fallen gelassen werden kann. Es seien daher jetzt letztere Punkte vollkommen beliebig aus [a, b] gewählt. Für jedes m können wir dann Punkte xi(m) (i=n+1,,r) finden, die zusammen mit den xi (i=0,1,,n) paarweise unterschiedlich sind und für die

limmxi(m)=xi(i=n+1,,r)

gilt. Setzen wir

φm(x):=(xxn+1(m))(xxr(m)),

so hat man unter Verwendung des ersten Teils des Beweises

|(f)n(f)|1(r+1)!maxξ[a,b]|f(r+1)(ξ)|ab|ω(x)φm(x)|dx
1(r+1)!maxξ[a,b]|f(r+1)(ξ)|{ab|ω(x)φ(x)|dx+ab|ω(x)||φm(x)φ(x)|dx0(m)}
(8.20) 1(r+1)!maxξ[a,b]|f(r+1)(ξ)|ab|ω(x)φ(x)|dx.

Wählt man nun xi (i=n+1,,r) so, dass der Wert des letzten Integrals minimal wird und wendet man die Substitution x:=(ba)t+a an, so gelangt man schließlich zu

γr:=minxn+1,,xr[a,b]abi=0r|xxi|dx=(ba)r+2mintn+1,,tr[0,1]01i=0r|tti|dt,

womit die Abschätzung (8.16) gezeigt ist.
Ist nun mit gewissen Punkten xi (i=n+1,,r)

(8.21) ω(x)φ(x)0,x[a,b],

so erhält man aus (8.20)

(f)n(f)1(r+1)!maxη[a,b]|f(r+1)(η)|ab[ω(x)φ(x)]dx.

Weiter gewinnt man mit (8.19)

(f)n(f)1(r+1)!minη[a,b]|f(r+1)(η)|ab[ω(x)φ(x)]dx.

Der Zwischenwertsatz, angewandt auf die Funktion f(r+1), liefert somit für ein ξ[a,b]

(f)n(f)=1(r+1)!f(r+1)(ξ)ab[ω(x)φ(x)]dx,

so dass die Substitution x:=(ba)t+a in diesem Fall zu der Formel (8.18) führt. Analog schließt man im Fall, dass „“ statt „“ in (8.21) vorliegt.

q.e.d.

Beispiel 8.16

Wir nutzen im Folgenden aus, dass nach Korollar 8.9 der Genauigkeitsgrad einer interpolatorischen Quadraturformel nmindestens<math>r:=nist.(1)Sei<math>fC1[a,b] und 0(f):=(ba)f(a) die Rechteckregel aus (8.15). Aus (8.18) gewinnt man für 0 mit r=n=0, mit x0:=a bzw. t0:=0 sowie mit

k=00(ttk)=t0,t[0,1]

und γ^0:=01tdt=12 die Fehlerdarstellung

(f)0(f)=(ba)22f(ξ),

wobei ξ ein Punkt aus [a,b] ist. Entsprechend erhält man für die Rechteckregel 0(f):=(ba)f(b) mit r=n=0,x0:=b bzw. t0:=1 sowie mit

k=00(ttk)=t10,t[0,1]

und γ^0:=01(t1)dt=12 die Fehlerdarstellung

(f)0(f)=(ba)22f(ξ).

(2) Im Fall der Trapezregel

1(f):=ba2[f(a)+f(b)]

gilt für fC2[a,b] mit einem ξ[a,b] die Fehlerdarstellung

(f)1(f)=(ba)312f(ξ).

Denn mit r=n=1,x0:=a,x1:=b bzw. t0:=0,t1:=1 hat man

k=01(ttk)=t(t1)0,t[0,1]

sowie

γ^1:=01t(t1)dt=1312=16.

Der Genauigkeitsgrad einer interpolatorischen Quadraturformel n ist mindestens r:=n. Für gerade n hat man im Fall der abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln sogar das folgende Resultat (für den Beweis siehe Plato, S. 103):

Satz 8.17

Die abgeschlossene Newton-Cotes-Formel n besitzt für gerades n2 den (exakten) Genauigkeitsgrad r:=n+1.

Letzteres Ergebnis können wir z. B. für die Fehlerdarstellung der Simpson-Regel verwenden.

Beispiel 8.18

Es sei fC4[a,b]. Dann hat man für n=2 und r=3 mit x0:=a,x1:=(a+b)/2,x2:=b bzw. t0:=0,t1:=1/2,t2:=1 und mit dem gewählten Punkt t3:=1/2

k=03(ttk)=t(t12)2(t1)0,t[0,1]

sowie

γ^3:=01[t(t12)2(t1)]dt=1120.

Also ergibt sich für die Simpson-Regel

2(f):=ba6[f(a)+4f(a+b2)+f(b)]

mit einem ξ[a,b] der Quadraturfehler

(f)2(f)=(ba)54!120f(4)(ξ)=(ba)52880f(4)(ξ).

8.3 Summierte abgeschlossene Newton-Cotes-Formel

Wie bereits in Abschnitt 8.2.2 erläutert wurde, garantiert eine Erhöhung von n keineswegs, dass die Newton-Cotes-Formeln Näherungswerte zunehmender Genauigkeit für (f) liefern. Um Letzteres zu erreichen, müssen wir daher anders vorgehen. Und zwar teilen wir zunächst das Intervall [a,b] mittels Stützstellen

xk:=a+kh(k=0,1,,N),h:=baN

in N gleiche Stücke auf, so dass sich insbesondere

h=xk+1xk

für alle k{0,1,,N1} ergibt. Dann nähern wir das Integral

(f)=abf(x)dx=k=0N1xkxk+1f(x)dx

durch

𝒥n(f):=k=0N1xkxk+1Qn(x)dx

an, wobei QnΠn das (eindeutige) Interpolationspolynom zu n+1 paarweise verschiedenen, in jedem Intervall [xk,xk+1] in gleichen Abständen gewählten Stützpunkten ist (vgl. Definition 8.8). Wir wählen also eine interpolatorische Quadraturformel und ersetzen jedes der Integrale xkxk+1f(x)dx durch den sich damit ergebenden Wert. Eine so gewonnene Quadraturformel bezeichnet man als summierte Quadraturformel. Wir wollen solche Formeln nun genauer betrachten, wobei wir uns hier auf die abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln zu deren Generierung beschränken wollen. Letztere Wahl legt die Stützpunkte in jedem Intervall [xk,xk+1] durch (8.11) fest, wobei dort a:=xk und b:=xk+1 zu wählen ist.

Wir beginnen mit den beiden Rechteckregeln aus (8.15). Für diese erhält man

xkxk+1Q0(x)dx=hf(xk) bzw. xkxk+1Q0(x)dx=hf(xk+1)

so dass Summation über k die folgenden summierten Rechteckregeln liefert:

𝒥0(h):=hk=0N1f(xk),𝒥^0(h):=hk=0N1f(xk+1).

Für diese gelten die nachstehenden Fehlerabschätzungen.

Satz 8.19

Es sei fC1[a,b]. Dann gibt es ξ,ξ^[a,b], so dass gilt:
(8.22) (f)𝒥0(h)=ba2hf(ξ),(f)𝒥^0(h)=ba2hf(ξ^).

Beweis.

Aus Beispiel 8.16 (1) ergibt sich für k=0,1,,N1 die Existenz eines ξk[a,b] mit

xkxk+1f(x)dxhf(xk)=h22f(ξk).

Summation über k führt auf

(f)𝒥0(h)=h22k=0N1f(ξk)=ba2h1Nk=0N1f(ξk).

Aufgrund von

Nminx[a,b]f(x)k=0N1f(ξk)Nmaxx[a,b]f(x)

bzw.

minx[a,b]f(x)1Nk=0N1f(ξk)maxx[a,b]f(x)

existiert nach dem Zwischenwertsatz ein ξ[a,b] mit

f(ξ)=1Nk=0N1f(ξk),

so dass die erste Fehlerdarstellung in (8.22) folgt. Die zweite zeigt man analog.

q.e.d.

Im Fall der Trapezregel (8.13) hat man

xkxk+1Q1(x)dx=h2[f(xk)+f(xk+1)].

Summation über k führt auf die summierte Trapezregel

𝒥1(h):=h2(f(a)+2k=1N1f(xk)+f(b))

mit der im folgenden Satz angegebenen Fehlerdarstellung.

Satz 8.20

Es sei fC2[a,b]. Dann existiert ein ξ[a,b] mit
(f)𝒥1(h)=ba12h2f(ξ).

Beweis.

Der Beweis verläuft analog zu dem von Satz 8.19. Nach Beispiel 8.16 (2) gibt es für k=0,1,,N1 ein ξk[a,b] mit

xkxk+1f(x)dxh2[f(xk)+f(xk+1)]=h312f(ξk).

Summation über k liefert mit einem ξ[a,b]

(f)𝒥1(h)=ba12h21Nk=0N1f(ξk)=ba12h2f(ξ),

wobei die Existenz eines solchen ξ aus der Anwendung des Zwischenwertsatzes auf f geschlossen werden kann.

q.e.d.

Schließlich betrachten wir noch die summierte Simpson-Regel, wobei wir die Darstellung xk:=a+kh mit h:=(ba)/N für jedes k0 verwenden, so dass insbesondere

xk+xk+12=xk+12(xk+1xk)=a+kh+12h=xk+1/2,k=0,1,,N1

folgt. Die Simpson-Regel, angewandt auf das Intervall [xk,xk+1], lässt sich somit in der Form

xkxk+1Q2(x)=h6[f(xk)+4f(xk+1/2)+f(xk+1)]

schreiben. Summation über k führt auf die summierte Simpson-Regel

𝒥2(h):=h6(f(a)+4k=0N1f(xk+1/2)+2k=1N1f(xk)+f(b))

Für diese hat man die im folgenden Satz angegebene Fehlerdarstellung.

Satz 8.21

Es sei fC4[a,b]. Dann existiert ein ξ[a,b] mit
(f)𝒥2(h)=ba2880h4f(4)(ξ).

Beweis.

Der Beweis verläuft wiederum analog zu dem von Satz 8.19. Nach Beispiel 8.18 gibt es für k=0,1,,N1 ein ξk[a,b] mit

xkxk+1f(x)dxh6[f(xk)+4f(xk+1/2)+f(xk+1)]=h52880f(4)(ξk).

Summation über k liefert mit einem ξ[a,b]

(f)𝒥2(h)=ba2880h41Nk=0N1f(4)(ξk)=ba2880h4f(4)(ξ),

wobei die Existenz von ξ aus der Anwendung des Zwischenwertsatzes auf f(4) folgt.

q.e.d.

Zur Auswertung der summierten Rechteckregeln müssen N, für die der summierten Trapezregel N+1 und für die der summierte Simpson-Regel 2N+1 Funktionswerte bestimmt werden. Der Rechenaufwand bei Verwendung der summierten Simpson-Regel ist damit etwa doppelt so hoch wie der bei Verwendung einer der drei anderen Regeln. Dennoch ist die summierte Simpson-Regel diesen für hinreichend glatte Funktionen wegen der höheren Fehlerordnung in h vorzuziehen. Denn der Quadraturfehler verhält sich bei ihr wie 𝒪(h4), während er bei den summierten Rechteckregeln und der summierten Trapezregel proportional zu h bzw. h2 abnimmt.

Da man die in der jeweiligen Fehlerformel vorkommende Ableitung durch das Maximum des Betrages dieser Ableitung bezüglich aller x[a,b] nach oben abschätzen kann, implizieren die angegebenen Fehlerdarstellungen insbesondere, dass die hier angegebenen summierten Quadraturformeln für h0 gegen den exakten Wert des Integrals (f) konvergieren, wobei mit „h0“ hier „hk=(ba)/Nk mit Nk und Nk“ gemeint ist.

Wir greifen abschließend nochmals Beispiel 8.13 auf.

Beispiel 8.22

Es seien wieder f(x):=1/(1+x2),a=0 und b=1, so dass ein Näherungswert für das Integral

(f)=0111+x2dx

gesucht ist. Weiter wählen wir N=3 und somit h=1/3. Der exakte Wert des Integrals lautet arctan(1)=0.7853981. Mit der summierten Simpson-Regel ergibt sich der Wert

𝒥2(h)=118[f(0)+4(f(1/6)+f(3/6)+f(5/6))+2(f(1/3)+f(2/3))+f(1)]
=118[1+4(3637+3645+3661)+2(910+913)+12]=0.78539794.

8.4 Extrapolationsverfahren

8.4.1 Einführung

Für die summierte Trapezregel 𝒥1(h) gibt der folgende Satz eine asymptotische Entwicklung nach Potenzen von h2 an, welche dazu genutzt werden soll, aus einer endlichen Zahl von Auswertungen der summierten Trapezregel eine im Hinblick auf diese Werte genauere Näherung des Integrals (f) zu berechnen. (Der Satz ist z. B. bei Plato bewiesen.)

Satz 8.23

Für ein r0 sei fC2r+2[a,b]. Die summierte Trapezregel
𝒥1(h):=h2(f(a)+2k=1N1f(xk)+f(b))
mit h:=(ba)/N für ein N besitzt die asymptotische Entwicklung
(8.23) 𝒥1(h)=α0+α1h2+α2h22++αrh2r+𝒪(h2r+2) für h0
mit α0:=I(f) und gewissen Koeffizienten αi (i=1,,r).

Für periodische Funktionen mit Periode ba kann man sogar zeigen, dass αi=0 (i=1,,r) gilt. In einem solchen Fall kann mit dem in diesem Abschnitt beschriebenen Verfahren keine Verbesserung erzielt werden.

Man beachte, dass man 𝒥1(h) nur für h>0 mit h:=(ba)/N für eine natürliche Zahl N auswerten kann. Aufgrund von (8.23) (wie auch wegen Satz 8.20) gilt ferner

limh0𝒥1(h)=I(f),

wobei wir mit „h0“ hier „hk=(ba)/Nk mit Nk und Nk“ meinen. Die Entwicklung (8.23) soll nun numerisch dazu ausgenutzt werden, von einer endlichen Zahl berechneter Werte 𝒥1(hk),k=0,1,,n mit 0<hn<hn1<<h0 auf einen noch genaueren Wert von I(f) als 𝒥1(hn) zu schließen.

Wir gehen dabei allgemeiner von einer beliebigen Funktion T(h) mit h>0 aus, die mit gewissen Koeffizienten αi (i=0,1,,r) und einer Zahl γ>0 die asymptotische Entwicklung der Ordnung r

(8.24) T(h)=α0+α1hγ+α2h2γ++αrhrγ+𝒪(h(r+1)γ) für h0

besitzt und für die der Wert

limh0T(h)=α0

gesucht ist. Typischerweise steht T(h) für ein numerisches Verfahren, das für einen gewählten Diskretisierungsparameter h>0 einen Näherungswert für die gesuchte Größe α0 liefert. Es sei also angenommen, dass T(h) zumindest für gewisse h>0 berechnet werden kann, wie dies z. B. im Fall der Tangententrapezregel für h:=(ba)/N mit N der Fall ist.

Wegen (8.24) hat man zunächst für h>0 nur die Genauigkeit

T(h)α0=𝒪(hγ).

Es soll nun ein Verfahren vorgestellt werden, welches ohne großen Mehraufwand aus endlich vielen, bereits berechneten Werten T(hk),k=0,1,,n mit 0<hn<hn1<<h0 einen genaueren Wert für die gesuchte Größe α0 erzeugt. Setzt man T(0):=α0, so extrapoliert dieses Verfahren also T auf den Wert h=0 hin, so dass man auch von einem Extrapolationsverfahren spricht. Da die Koeffizienten αi in (8.24) oft nicht explizit bekannt sind oder nur unter einigem Aufwand zu berechnen sind, geht man dabei folgendermaßen vor:

  • man vernachlässigt den Restterm 𝒪(h(r+1)γ) in (8.24) und geht davon aus, dass sich T(h) ungefähr wie ein Polynom in h verhält,
  • man ersetzt das resultierende (i. A. nicht explizit bekannte) Polynom durch das Interpolationspolynom P0,,nΠn zu den Stützpunkten (hkγ,T(hk)),k=0,1,,n (schreibt man T(hγ) statt T(h), so sind dies mit zk:=hkγ die Punkte (zk,T(zk))) und
  • man verwendet den Wert P0,,n(0) als Näherung für den unbekannten Wert α0.

Im Zusammenhang mit der summierten Trapezregel wird diese Vorgehensweise als Romberg-Verfahren bezeichnet.

8.4.2 Das Verfahren

Wir gehen nun von der asymptotischen Entwicklung (8.24) von T(h) aus und es sei P0,,nΠn das Interpolationspolynom zu den Stützpunkten

(8.25) (hkγ,T(hk))k=0,1,,n.

Da dieses nur an einer Stelle, der Stelle 0, ausgewertet werden soll, bietet sich das Neville-Schema zur Verwendung an, wobei hier Pj,,j+mΠm das Interpolationspolynom mit

(8.26) Pj,,j+m(hkγ)=T(hk),k=j,,j+m

bezeichnet. Wir setzen dazu

(8.27) Tj,,j+m:=Pj,,j+m(0).

Satz 6.5 liefert damit

(8.28) Tj=Pj(0)=T(hj)

sowie

Tj,,j+m=hjγTj+1,,j+m+hj+mγTj,,j+m1hj+mγhjγ=Tj+1,,j+mhj+mγTj+1,,j+mTj,,j+m1hj+mγhjγ
(8.29) =Tj+1,,j+m+Tj+1,,j+mTj,,j+m1(hjhj+m)γ1(j,m0).

Das Schema von Neville geht damit in das folgende Extrapolationstableau über, welches zeilenweise aufgebaut wird:

T0=T(h0)T1=T(h1)T01T2=T(h2)T12T012T3=T(h3)T23T123T0123

Beispiel 8.24

Für die summierte Trapezregel 𝒥1(h) gilt gemäß Satz 8.23 eine Entwicklung der Form (8.24) mit γ=2. Für die Schrittweiten

h0:=ba,h1:=h02=ba2

erhält man die Werte

T0=𝒥1(h0)=ba2[f(a)+f(b)],
T1=𝒥1(h0)=ba2[f(a)+2f(a+b2)+f(b)]

und damit

T01=T1+T1T0(h0h1)21=ba4[f(a)+2f(a+b2)+f(b)]+ba42f(a+b2)f(a)f(b)41
=ba4[23f(a)+83f(a+b2)+23f(b)]=ba6[f(a)+4f(a+b2)+f(b)].

Der aus den beiden Auswertungen T0 und T1 der summierten Trapezregel ermittelte Wert T01 entspricht somit dem der Simpson-Regel für (f).

Im folgenden Satz wird die Größenordnung des Fehlers Tj,,j+mα0 angegeben. Diese Fehlerbetrachtung macht deutlich, dass sich die Anwendung des hier untersuchten Extrapolationsverfahrens lohnt. Als Hilfsmittel verwenden wir das nachstehende Lemma.

Lemma 8.25

Es seien LkΠm (k=0,1,,m) die Lagrangeschen Basispolynome zu Stützstellen xk (k=0,1,,m) mit xkxi (ki). Dann gilt
(8.30) k=0mLk(0)xkj={1fu¨r j=0,0fu¨r 1jm,(1)mx0x1xmfu¨r j=m+1.

Beweis.

Für 0jm ist offenbar p(x):=xj das Interpolationspolynom zu den Punkten (xk,xkj),k=0,1,,m und daher gemäß (6.7)

p(x)=xj=k=0mxkjLk(x).

Setzen wir x=0, so folgt die Behauptung für die ersten beiden Fälle in (8.30). Für den Fall j=m+1 betrachten wir das Polynom

q(x):=xm+1k=0mxkm+1Lk(x),

welches wegen LkΠm den Grad m+1, den führenden Koeffizienten 1 und die Nullstellen xi (i=0,1,,m) hat, so dass insbesondere

q(x)=(xx0)(xx1)(xxm)

gilt. Speziell hat man somit

k=0mLk(0)xkm+1=q(0)=(1)mx0x1xm.

Satz 8.26

Es sei T(h) mit h>0 eine Funktion mit der asymptotischen Entwicklung (8.24) für ein γ>0 und r. Weiter sei (hk) eine Folge von Schrittweiten, so dass mit einer Startschrittweite h0>0 gilt:
(8.31) hk:=h0/nk(k0) mit 1=n0n1n2.
Schließlich sei Pj,,j+mΠm das Interpolationspolynom mit (8.26) und Tj,,j+m wie in (8.27). Dann genügt der Fehler Tj,,j+mα0 für 0mr1 der asymptotischen Entwicklung
(8.32) Tj,,j+mα0=(1)mαm+1njγnj+mγh0(m+1)γ+𝒪(h0(m+2)γ).

Beweis.

Da sich die Indizes in (8.32) auf eine Numerierung der Stützpunkte beziehen und wir den j-ten als 0-ten bezeichnen können, können wir o. B. d. A. j=0 annehmen. Gemäß der Lagrangeschen Darstellung des Interpolationspolynoms P0,,m gilt dann

P0,,m(hγ)=k=0mT(hk)Lk(hγ)=k=0mT(hk)[j=0jkmhhjγhkγhjγ],h

und somit

(8.33) T0,,m=P0,,m(0)=k=0mcm,kT(hk)

für

cm,k:=Lk(0)=j=0jkmhjγhjγhkγ.

Nun folgt wegen mr1 aus (8.24)

(8.34) T(hk)=s=0m+1αshksγ+𝒪(hk(m+2)γ).

Des Weiteren schließt man mit Lemma 8.25

(8.35) k=0mcm,khksγ=k=0mLk(0)hksγ={1für s=0,0für 1sm,(1)mh0γh1γhmγfür s=m+1.

Setzt man die beiden Beziehungen (8.34) und (8.35) in (8.33) ein, so bekommt man schließlich, da die cm,k von h unabhängig sind,

T0,,m=k=0mcm,k[s=0m+1αshksγ+𝒪(hk(m+2)γ)]=s=0m+1αs[k=0mcm,khksγ]+k=0mcm,k𝒪(hk(m+2)γ)
=α0+(1)mαm+1h0γh1γhmγ+𝒪(h0(m+2)γ).

q.e.d.

Der Satz besagt, dass man beim Übergang von m zu m+1, d. h. bei Erhöhung der Spaltenzahl in dem Extrapolationstableau um 1, im Prinzip die Ordnung γ gewinnt. Diese Sichtweise ist allerdings zu optimistisch, da die Restterme der asymptotischen Entwicklung, die sich hinter 𝒪(h0(m+2)γ) verbergen, nicht bekannt sind und groß werden können.

Es bietet sich also der folgende Algorithmus an:

Algorithmus 10 (Extrapolationsverfahren)

(0) Wähle h0>0, eine Folge hk,k=1,2, wie in (8.31) und ein ε>0. Setze j:=0.
(1) Berechne Tj:=T(hj).
(2) Berechne Tk,,j für k=j1,j2,,0 nach der Formel
Tk,,j=Tk+1,,j+Tk+1,,jTk,,j1(hkhj)γ1
(3) Falls „der Aufwand zu groß wird“ oder
|T0,,jT0,,j1||T0,,j|
gilt, breche ab. (T0,,j ist Näherungswert für α0.)
(4) Setze j:=j+1 und gehe nach (1).

Man bricht das Extrapolationsverfahren also ab, wenn der Aufwand zur Erzeugung einer neuen Zeile im Extrapolationsschema, den man meistens, wie z. B. für das summierte Trapezverfahren, genau angeben kann, zu groß wird oder die relative Abweichung zweier aufeinanderfolgender Diagonalelemente klein genug wird. In der Praxis ist es jedoch auch möglich, dass aufgrund von Rundungsfehlern Divergenz eintritt, so dass auf früher berechnete Werte im Schema zurückgegriffen werden muss.

Häufig angewandte Schrittweitenfolgen (hk) für (8.31) in diesem Zusammenhang sind die Romberg-Folge

(8.36) nk:=2k,hk=hk12=h02k(k),

die durch

n1:=2,n2:=3,n3:=4,nj:=2nj2(j4)

definierte Bulirsch-Folge

h1=h02,h2=h03,h3=h04,h4=h06,h5=h08,h6=h012,h7=h016,

und die harmonische Folge

nk1:=k(k=1,2,),hk=h0k+1(k).

Insbesondere erhält man für die Romberg-Folge (j:=0):

Korollar 8.27

Unter den Voraussetzungen von Satz 8.26 gilt für die Romberg-Folge (8.36) mit h0:=(ba)/N und 0mr1
T0,,mα0=[(1)m2γm(m+1)/2αm+1]h0(m+1)γ+𝒪(h0(m+2)γ).

Beweis.

Im Fall (8.36) hat man mit n0=1

n0γnmγ=20γ21γ22γ2mγ=2γk=0mk=2γm(m+1)/2,

so dass die Behauptung unmittelbar aus Satz 8.26 folgt.

q.e.d.

Wir betrachten nun nochmals die summierte Trapezregel als Beispiel.

Beispiel 8.28

(1) Korollar 8.27 wollen wir auf die summierte Trapezregel mit m:=2 (und wegen der Forderung mr1 für r=3) anwenden. Nach Satz 8.23 ist dann γ=2. Weiter sei fC8[a,b] vorausgesetzt. Korollar 8.27 liefert mit diesen Setzungen

(8.37) T012(f)=[(1)2222(2+1)/2α2+1]h0(2+1)2+𝒪(h0(m+2)2)=α364h06+𝒪(h08),

wobei T012 mit dem Neville-Schema

T0=𝒥1(h0)T1=𝒥1(h0/2)T01T2=𝒥1(h0/4)T12T012

berechnet wird. Man beachte dabei, dass man bei der Berechnung von Tj+1 (j0) den zuvor ermittelten Wert Tj verwenden kann und nur zusätzlich Funktionsauswertungen für die Mittelpunkte der sich aus der zu Tj gehörenden Zerlegung von [a,b] ergebenden Intervalle benötigt. Somit verlangt die Berechnung von T0,T1 und T2 genauso viele Funktionsauswertungen wie die direkte Berechnung von T2. Für letzteren Wert alleine hat man aber im Vergleich zu (8.37) gemäß Satz 8.20 für fC2[a,b] mit einem ξ[a,b] einen Fehler der Größe 𝒪(h02):

T2(f)=𝒥1(h0/4)(f)=ba1242h02f(ξ)=(ba)f(ξ)/364h02.

(2) (Bader) Es soll das Integral

0π/25e2xcos(x)eπ2dx=1

näherungsweise mit der summierten Trapezregel und dem Extrapolationsverfahren mit der Romberg-Folge (8.36) und h0:=π/2 berechnet werden. Es ergibt sich bei 12-stelliger Rechnung das folgende Extrapolationstableau:

0.1857550689240.7247273350890.9043847571450.9255650351580.9925109351820.9993860137170.9810216300690.9995071617060.9999735768080.9999987762220.9952320173880.9999688131610.9999995899251.000000002830.9998065379740.9999980448360.9999999936141.00000000002

Der (in der Tabelle nicht mehr einfügbare) Wert des Diagonalelementes in der 5. Spalte beträgt 1.0000000846. Er ist offenbar ungenauer als die beiden untersten Werte in der 4. Spalte, wobei für den untersten allerdings auch die summierte Trapezregel einmal mehr ausgewertet werden musste. (Man kann auch zeigen, was für die erste Spalte z. B. aus Satz 8.20 folgt, dass die Werte in jeder einzelnen Spalte des Extrapolationsschemas, d. h. für konstantes m und j, gegen den gesuchten Wert α0 konvergieren.) Für eine Diskussion über ein geeignetes Abbruchkriterium verweisen wir auf Deuflhard/Hohmann.

8.5 Gaußsche Quadraturformeln

8.5.1 Einleitung

In diesem Abschnitt betrachten wir Quadraturformeln für gewichtete Integrale des Typs

(8.38) (f):=abw(x)f(x)dx,fC[a,b],

wobei das Intervall [a,b] hier halbunendlich oder unendlich, d. h. a:= und/oder b:= sein darf und w:(a,b) eine Gewichtsfunktion mit den folgenden Eigenschaften ist:

  • w(x)>0,x(a,b),
  • es existieren die Momente
μk:=abw(x)xkdx,k=0,1,2,.

Häufig in diesem Zusammenhang auftretende Gewichtsfunktionen sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben, wobei auch der zuvor betrachtete Fall w1 von Interesse ist:

IntervallGewichtsfunktion w(x)[1,1]1[1,1]1/1x2[0,)ex(,)ex2[0,)ex2xα, α>1

Wir definieren in diesem Zusammenhang auf dem Raum aller Polynome Π das durch w induzierte Skalarprodukt

(8.39) f,g:=abw(x)f(x)g(x)dx,f,gΠ.

Das Integral in (8.39) existiert offenbar unter den Voraussetzungen an w. Für alle f,g,hΠ gilt weiter (man verifiziere dies)

f,f0,f,f=0f0,f,g=g,f,
αf+βg,h=αf,h+βg,h=h,αf+βg,α,β.

Insbesondere ist also die Abbildung ,:Π×Π in beiden Eingängen linear. Wir verwenden ferner die durch das Skalarprodukt , induzierte Norm auf Π

(8.40) f:=f,f1/2={abw(x)f2(x)dx}1/2,fΠ.

Ziel ist es nun wieder, zur numerischen Berechnung von (f) eine Quadraturformel

(8.41) n(f):=i=0nσif(xi)

herzuleiten. (Man beachte, dass hier der Faktor ba vor der Summe fehlt.) Und zwar soll eine interpolatorische Quadraturformel entwickelt werden, für welche bei geeigneter Wahl der Stützstellen xi und der Gewichte σi der Genauigkeitsgrad möglichst hoch ist, welche also Polynome bis zu einem möglichst hohen Grad exakt integriert. Man betrachte dazu die Aussagen in Satz 8.15 über den Quadraturfehler. Die Begriffe Genauigkeitsgrad und interpolatorische Quadraturformel sind hierbei analog zu den Definitionen 8.2 und 8.8 auf Integrale mit Gewichten zu übertragen.

Zunächst einmal stellen wir fest, dass man in (8.41) insgesamt 2n+2 Parameter xi und σi zur Verfügung hat, was der Anzahl der Koeffizienten eines Polynoms vom Grad 2n+1 entspricht. In der Tat werden wir zeigen, dass eine Quadraturformel mit diesem Genauigkeitsgrad existiert. Quadraturformeln mit einem höheren Genauigkeitsgrad kann es nicht geben. Denn wäre n eine Quadraturformel mit Stützstellen xi (i=0,1,,n) und Gewichten σi (i=0,1,,n) und hätte n den Genauigkeitsgrad 2n+2, so folgte insbesondere für das Polynom

p(x):=i=0n(xxi)2Π2n+2

p(xi)=0 (i=0,1,,n) und daher n(p)=0=(p). Wegen

p(x)>0,x(xi,xi+1),i=0,1,,n1

ist jedoch (p)>0. Wir können weiter schließen:

Lemma 8.29

Ist n eine Quadraturformel mit Stützstellen xi (i=0,1,,n) und Gewichten σi (i=0,1,,n) und hat n den Genauigkeitsgrad 2n+1, so gilt
p,pn+1=0,pΠn
für
pn+1(x):=an(xx0)(xx1)(xxn)
mit beliebigem an{0}.

Beweis.

Für pΠn folgt ppn+1Π2n+1 und somit

p,pn+1=abw(x)p(x)pn+1(x)dx=n(ppn+1)=i=0nσip(xi)pn+1(xi)=0=0.

q.e.d.

Zwei Funktionen f und g, für die f,g=0 gilt, nennt man orthogonal zueinander. Für eine Quadraturformel mit Genauigkeitsgrad 2n+1 sollten die Stützstellen xi (i=0,1,,n) also gerade als Nullstellen eines Polynoms vom Grad n+1 gewählt werden, welches bezüglich des Skalarproduktes , orthogonal zu dem ganzen Raum Πn ist. Offenbar kann man ein solches Polynom gewinnen, indem man durch Anwendung des Gram-Schmidt-Orthogonalisierungsverfahren auf die Monome 1,x,,xn+1 orthogonale Polynome pjΠj hinsichtlich , erzeugt. Diese Polynome haben nämlich die Eigenschaft

Πk=span{p0,p1,,pk},pi,pj=δijpi2(i,j,k=0,1,,n+1),

so dass sich insbesondere jedes pΠn mit gewissen aj (j=0,1,,n) in der Form p(x)=j=0najpj(x) schreiben lässt und folglich mit den zugehörigen aj gilt:

(8.42) p,pn+1=j=0najpj(x),pn+1=j=0najpj,pn+1=0,pΠn.

Darüber hinaus haben diese orthogonalen Polynome pj nur reelle und einfache Nullstellen, welche alle im Intervall (a,b) liegen, wie im nächsten Unterabschnitt gezeigt wird. Die Stützstellen xi (i=0,1,,n) sollten demzufolge gerade die Nullstellen des (n+1)-ten dieser orthogonalen Polynome sein. Die Gewichte σi (i=0,1,,n) einer derartigen Quadraturformel sind dann gemäß Satz 8.4, der genauso für gewichtete Integrale gilt, durch

σi:=I(Li)=abw(x)Li(x)dx=Li,𝟏,i=0,1,,n

festgelegt, wobei Li wieder die Lagrangeschen Basispolynome zu den Stützstellen xk sind. Nach Definition 8.8 (entsprechend für gewichtete Integrale formuliert) handelt es sich bei der so definierten Formel um eine interpolatorische Quadraturformel.

Bevor wir diese sog. Gaußschen Quadraturformeln noch etwas näher betrachten, wollen wir auf ihren wesentlichen Baustein, orthogonale Polynome, näher eingehen.

8.5.2 Orthogonale Polynome

Wie bereits im vorigen Unterabschnitt gesagt wurde, erhält man eine spezielle Folge p~n paarweise orthonormaler Polynome p~nΠn durch Gram-Schmidt-Orthonormalisierung der Monome 1,x,x2,:

p0:=1,p~0:=p0p0,pn:=xnj=0n1xn,p~jp~j,p~n:=pnpn(n=1,2,).

Statt mit den orthonormalen Polynomen p~n zu arbeiten, deren Hauptkoeffizienten i. a. von 1 verschieden sind, ist es manchmal bequemer, dies mit den orthogonalen Polynomen pnΠn zu tun, d. h. mit

(8.43) p0:=1,pn:=xnj=0n1xn,pjpj2pj(n=1,2,).

Diese unterscheiden sich von den p~n nur durch den Skalar 1/pn und haben offensichtlich den Hauptkoeffizienten 1. Für sie gilt

(8.44) Πk=span{p0,p1,,pk},pi,pj=δijpi2(i,j,k0)

und somit (vgl. (8.42))

(8.45) p,pk=0,pΠk1(k=1,2,).

Nach Konstruktion ist also pn ein Polynom vom genauen Grad n mit Hauptkoeffizienten 1.

Die Polynome pn können statt über die Formel (8.43) auch nach der im folgenden Satz angegebenen Drei-Term-Rekursionsformel berechnet werden.

Satz 8.30

Die Orthogonalpolynome in (8.43) genügen der Drei-Term-Rekursionsformel
p0(x)=1,p1(x)=xβ0,pn+1(x)=(xβn)pn(x)γn2pn1(x),n=1,2,
mit den Koeffizienten
βn:=xpn,pnpn2(n=0,1,),γn2:=pn2pn12(n=1,2,).

Beweis.

Offenbar ist die behauptete Darstellung richtig für p0 und p1. Für n1 setzen wir

qn+1:=(xβn)pnγn2pn1

und zeigen im Folgenden qn+1=pn+1. Dazu stellen wir fest, dass pn+1 sowie qn+1 Polynome vom genauen Grad n+1 sind und beide den Hauptkoeffizienten 1 haben. Somit gilt

(8.46) r:=pn+1qn+1Πn.

Wir zeigen nun, dass qn+1 wie pn+1 orthogonal zu dem ganzen Raum Πn ist und damit

(8.47) p,qn+1=0,pΠn

gilt. Die Beziehungen (8.46) und (8.47) zusammen ergeben dann

r2=r,r=r,pn+1qn+1=r,pn+1r,qn+1=0

und folglich r=0 bzw., wie behauptet, pn+1=qn+1.

Wir wollen nun (8.47) nachweisen. Aufgrund von pn,pn1=0 erhalten wir mit der Definition von βn

(8.48) qn+1,pn=(xβn)pnγn2pn1,pn=xpn,pnβnpn2=0

und mit der Definition von γn

qn+1,pn1=(xβn)pnγn2pn1,pn1=xpn,pn1γn2pn12=pn,xpn1pn,pn
(8.49) =pn,xpn1pn=0,

wobei das letzte Gleichheitszeichen wegen xpn1pnΠn1 gilt. Schließlich folgt:

(8.50) qn+1,pj=pn,xpj=0βnpn,pj=0γn2pn1,pj=0=0,j=0,1,,n2.

Da sich jedes pΠn gemäß (8.44) als Linearkombination der pj (j=0,1,,n) darstellen lässt, folgt aus (8.48), (8.49) und (8.50) für jedes pΠn mit gewissen aj

qn+1,p=qn+1,j=0najpj(x)=j=0najqn+1,pj=0.

Damit ist alles gezeigt.

q.e.d.

Für die Nullstellen der pj (j) in (8.43) hat man folgende Aussage:

Satz 8.31

Die Nullstellen xi (i=0,1,,n1) des n-ten Orthogonalpolynoms pn in (8.43) sind reell, einfach und liegen alle in (a,b). Sie besitzen die Darstellung
(8.51) xi=xLi,LiLi2(i=0,1,,n1),
wobei LiΠn1 die zu den xk (k=0,1,,n1) gehörenden Lagrangeschen Basispolynome sind.

Beweis.

Es seien die Nullstellen xi von pn so durchnumeriert, dass a<x0<<xj1<b (0jn) diejenigen Nullstellen von pn in (a,b) seien, an denen pn sein Vorzeichen wechselt und die somit eine ungerade Vielfachheit haben. Wäre nun j1n2 bzw. jn1, so hätte das Polynom

q(x):=k=0j1(xxk)

den Grad jn1, so dass wegen (8.45)

(8.52) pn,q=0

folgte. Da die xk (k=j,j+1,,n1) Nullstellen von pn mit gerader Vielfachheit wären, wäre dann aber

pn(x)q(x)=(k=0j1(xxk)2)(k=jn1(xxk))0,x[a,b]

und demzufolge

pn,q=abw(x)pn(x)q(x)dx>0

im Widerspruch zu (8.52). Also ist j=n.

Um zur Darstellung (8.51) zu gelangen, schreibt man pn für n1 in der Form

pn(x)=(xxi)q^(x),q^(x):=k=0kin1(xxk).

Es folgt q^Πn1 sowie

0=pn,q^=xq^,q^xiq^,q^.

Daraus ergibt sich wegen q^,q^0

xi=xq^,q^q^2=xLi,LiLi2

wobei sich die letzte Gleichung aus der Tatsache ergibt, dass das Polynom q^ bis auf einen konstanten Faktor mit Li übereinstimmt.

q.e.d.

In folgender Tabelle sind für verschiedene Intervalle und Gewichtsfunktionen die Bezeichnungen der zugehörigen orthogonalen Polynome aufgelistet:

IntervallGewichtsfunktion w(x)Name[1,1]1Legendre-Polynome[1,1](1x)α(1+x)β,α,β>1Jacobi-Polynome[1,1]1/1x2Tschebyscheff-Pol. der 1. Art[1,1]1x2Tschebyscheff-Pol. der 2. Art[0,)ex2xα,α>1Laguerre-Polynome(,)ex2Hermite-Polynome

Man kann zeigen (siehe z. B. E. W. Cheney: Introduction to Approximation Theory, 2nd ed., Chelsea Publish. Comp., New York, 1982):

Satz 8.32

Für pn aus (8.43) gilt
pn=mina0,,an1xn+an1xn1++a1x+a0.

Unter allen Polynomen vom Grad n mit Hauptkoeffizientem 1 macht also pn die Norm in (8.40) minimal. Im Fall der Tschebyscheff-Polynome 1. Art minimiert pn unter all diesen Polynomen überdies die Maximum-Norm (Satz 6.19) und im Fall der Tschebyscheff-Polynome 2. Art (s. Cheney) die (ungewichtete) L1-Norm

f:=ab|f(x)|dx,fΠ.

Beispiel 8.33

Mit Satz 8.30 sollen die Legendre-Polynome für n=0,1,2,3 berechnet werden. Es ist somit a:=1,b:=1,w1 und folglich

βn=xpn,pnpn2=11xpn2(x)dx11pn2(x)dx,γn2=pn2pn12=11pn2(x)dx11pn12(x)dx.

Mit p0(x)=1 ist

β0=11xdx11dx=0

und damit weiter p1(x)=x. Es ergeben sich ferner

β1=11xx2dx11x2dx=0,γ12=11x2dx11dx=13

und demnach p2(x)=x213 sowie

β2=11x(x213)dx11(x213)2dx=0,γ12=11(x213)2dx11x2dx=415,

so dass folgt

p3(x)=x313x415x=x335x.

8.5.3 Die Quadraturformeln

Satz 8.34

Für n seien pj (j=0,1,,n,n+1) die durch (8.43) definierten bezüglich , orthogonalen Polynome, xi (i=0,1,,n) die Nullstellen von pn+1 und σi die durch
σi:=Li,1(i=0,1,,n)
definierten Gewichte. Dann ist die Quadraturformel
(8.53) n(f):=i=0nσif(xi)
interpolatorisch und hat (exakt) den Genauigkeitsgrad 2n+1.

Beweis.

Nach Definition 8.8 (entsprechend für gewichtete Integrale formuliert) ist n aufgrund der Wahl der Gewichte eine interpolatorische Quadraturformel. Nach Korollar 8.9 hat eine solche mindestens den Genauigkeitsgrad n. Wir wollen nun zeigen, dass sie mindestens den Genauigkeitsgrad 2n+1 und damit exakt den Genauigkeitsgrad 2n+1 besitzt, wie aus den Argumenten in Abschnitt 8.5.1 hervorgeht.

Es sei pΠ2n+1 beliebig. Dann lässt sich p mit gewissen q,rΠn nach einer Polynomdivision mit Rest in der Form

p=qpn+1+r

schreiben. Wegen pn+1(xi)=0 gilt dann

p(xi)=r(xi),i=0,1,,n.

Mit der Lagrangeschen Interpolationsformel (6.7), angewandt auf r, erhält man weiter

r(x)=i=0nr(xi)Li(x)=i=0np(xi)Li(x).

Somit schließt man

(8.54) (p)=p,𝟏=q,pn+1=0+r,𝟏=i=0np(xi)Li,𝟏=i=0nσip(xi),

womit der Genauigkeitsgrad von mindestens 2n+1 für n nachgewiesen ist.

q.e.d.

Die Quadraturformel in (8.53) mit den in Satz 8.34 genannten Stützstellen xi und Gewichten σi bezeichnet man als Gaußsche Quadraturformel. Ihr Genauigkeitsgrad ist optimal, da es keine Quadraturformeln mit Genauigkeitsgrad 2n+2 gibt (vgl. Abschnitt 8.5.1). Weiter hat man:

Lemma 8.35

Für die Gewichte σi der Gaußschen Quadraturformel n von Satz 8.34 gilt
σi=Li,Li>0(i=0,1,,n)
und
(8.55) i=0nσi=abw(x)dx.

Beweis.

Wendet man die Beziehungen (8.54) auf p:=Lj2Π2n an, so folgt

Lj,Lj=Lj2,𝟏=i=0nσiLj2(xi)=σj.

Weiter gilt Lj,Lj>0,daman<math>Lj2(x)0,x[a,b] sowie Lj2(x)>0 z. B. für alle x(xj1,xj+1) hat. Die Beziehung (8.55) folgt nun mit Satz 8.34 aus

i=0nσi=n(1)=(1)=abw(x)dx.

q.e.d.

Anders als bei den abgeschlossenen Newton-Cotes-Formeln haben also die Gaußschen Quadraturformeln für alle n0 positive Gewichte. Mit dem folgenden Satz geben wir abschließend eine Darstellung für den bei der Gauß-Quadratur entstehenden Quadraturfehler an.

Satz 8.36

Es sei fC2n+2[a,b] und In die Gaußsche Quadraturformel mit Stützstellen xk (k=0,1,,n). Dann gilt für
γ^2n+1:=01w((ba)t+a)2k=0n(ttk)2dt
mit
tk:=xkaba(k=0,1,,n)
und für ein ξ[a,b]:
(f)n(f)=γ^2n+1(ba)2n+3(2n+2)!f(2n+2)(ξ).

Beweis.

Den Satz 8.15 kann man auf den Fall gewichteter Integrale übertragen und dann aufgrund von Satz 8.34 auf die Gaußsche Quadraturformel n mit r:=2n+1 anwenden. Man wählt dort zu den Stützpunkten xk von n die weiteren Stützpunkte tn+1:=t0,,t2n+1:=tn, so dass insbesondere

k=02n+1(ttk)=k=0n(ttk)2=pn+12(x)0,t[0,1]

gilt. Weiter folge man dann dem Beweis von Satz 8.15.

q.e.d.

Natürlich ist es auch möglich, summierte Gaußsche Quadraturformeln zu definieren und zu verwenden. Die Resultate in Abschnitt 8.3 lassen sich ganz kanonisch auf solche Formeln übertragen.

8.5.4 Berechnung der Stützstellen und Gewichte

Beispielsweise für die Tschebyscheff-Polynome 1. Art kann man die Nullstellen explizit angeben (vgl. Satz 6.18). Im allgemeinen steht man bei Verwendung der Gaußschen Quadraturformeln für größere Werte von n aber vor dem Problem, die n+1 Nullstellen xi des Polynoms pn+1 der bezüglich , orthogonalen Polynome pj (j=0,1,2,) und/oder die Gewichte σi:=Li,𝟏 zu bestimmen. Wir wollen hier abschließend einen Weg zu ihrer Berechnung aufzeigen. Dazu gehen wir davon aus, dass die Koeffizienten βj und γj in der Rekursionsformel (8.43) für die orthogonalen pj

(8.56) p0:=1,p1:=xβ0,
(8.57) pk+1:=(xβk)pkγk2pk1,k=1,2,

bereits bekannt sind und somit die symmetrische Tridiagonalmatrix

(8.58) J:=(β0γ100γ1β1γ20γ20γn00γnβn)(n+1)×(n+1)

aufgestellt werden kann. Der folgende Satz besagt nun, dass die Stützstellen xi der Gaußschen Quadraturformeln die Eigenwerte von J sind und sich deren Gewichte σi aus zugehörigen Eigenvektoren bestimmen lassen.

Satz 8.37

Für die Stützstellen xi (i=0,1,,n) und die Gewichte σi (i=0,1,,n) der Gaußschen Quadraturformel n gilt mit
v(i):=(τ0p0(xi)=1,,τnpn(xi))T
für
τk:={1falls k=0,(1)k/(γ1γ2γk)falls k{1,,n},
wobei pk (k=0,1,,n) die bezüglich , orthogonalen Polynome seien:
(8.59) Jv(i)=xiv(i)(i=0,1,,n)
und
(8.60) σi=𝟏,𝟏(v(i))Tv(i)=𝟏,𝟏k=0nτk2pk2(xi)(i=0,1,,n).

Beweis.

Aus den Definitionen von J,v(i),p1 und τ1 ergibt sich

(Jv(i))1=β0γ1τ1p1(xi)=β0+p1(xi)=β0+xiβ0=xi=xiv1(i).

Definiert man γn+1=τn+1:=0 und berücksichtigt man pn+1(xi)=0, so erhält man aus den Rekursionsformeln (8.56) und (8.57) mit x=xi weiter

(Jv(i))k+1=γkτk1pk1(xi)+βkτkpk(xi)γk+1τk+1pk+1(xi)
=γk(γkτk)pk1(xi)+βkτkpk(xi)γk+1(1)γk+1pk+1(xi)
=τk[γk2pk1(xi)+βkpk(xi)+(xiβk)pk(xi)γk2pk1(xi)]=τkxipk(xi)=xivk+1(i),k=1,,n.

Damit ist (8.59) bewiesen.

Gleichung (8.59) besagt, dass v(i) Eigenvektor zum Eigenwert xi der Matrix J ist. Gemäß Satz 8.31 sind diese Eigenwerte paarweise verschieden. Da für eine reelle symmetrische Matrix Eigenvektoren zu paarweise verschiedenen Eigenwerten orthogonal zueinander sind, folgt

(8.61) (v(i))Tv(k)=0(ik).

Da ferner die Polynome pj (j=0,1,2,) paarweise orthogonal sind und die Gaußsche Quadraturformel alle pk (k=0,1,,n) exakt integriert, folgt weiter mit Satz 8.34

(8.62) δk0𝟏,𝟏=pk,p0=(pk)=j=0nσjpk(xj)(k=0,1,,n),

wobei δij das Kroneckersymbol ist. Multiplikation von (8.62) mit τk2pk(xi) und anschließende Summation über k liefert schließlich unter Verwendung von (8.61)

𝟏,𝟏k=0nτk2pk(xi)δk0=𝟏,𝟏τ02p0(xi)=𝟏,𝟏=k=0nj=0nσjτk2pk(xi)pk(xj)
=j=0nσjk=0nτk2pk(xi)pk(xj)=j=0nσj(v(i))Tv(j)=σi(v(i))Tv(i)

Damit ist auch die Gültigkeit von (8.60) bewiesen.

q.e.d.

Beispiel 8.38

Wir verwenden Satz 8.37 für die Herleitung der Gaußschen Quadraturformel mit n:=2 zur näherungsweisen Berechnung des Integrals

11f(x)dx.

Beispiel 8.33 liefert

J:=(01/301/302/1502/150).

Die Eigenwerte von J berechnen sich aus

det(JλI)=λ(λ2415)+13λ=λ(35λ2)

so dass man die Stützstellen x0=3/5,x1=0 und x2=3/5 erhält. Weiter hat man

τ0=1,τ1=1/γ1=3,τ2=1/(γ1γ2)=35/2

sowie

𝟏,𝟏=11dx=2.

Mit

p0(x)=1,p1(x)=x,p2(x)=x213

hat man

ip0(xi)p1(xi)p2(xi)013/54/151101/3213/54/15

und demnach

σ0=2τ02p02(x0)+τ12p12(x0)+τ22p22(x0)=59,
σ1=2τ02p02(x1)+τ12p12(x1)+τ22p22(x1)=89,
σ2=2τ02p02(x2)+τ12p12(x2)+τ22p22(x2)=59.

Man erhält also die Gaußsche Quadraturformel

2(f):=59f(35)+89f(0)+59f(35)

Die gesuchten Eigenwerte von J müssen aber, zumindest für größere n, normalerweise mit einer numerischen Methode bestimmt werden.