Kurs:Lineare Algebra OIIO/Bilinearformen, Quadriken und selbstadjungierte Operatoren

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Begriffe und Eigenschaften

Wir wollen Verallgemeinerungen des Skalarproduktes für beliebige Vektorräume untersuchen.
(Einschränkung: charK2, d.h. 1+10).

Definition 3.1

Eine Bilinearform (BF) auf V ist eine Abbildung b:V×VK mit
b(𝐮+𝐮,𝐯)=b(𝐮,𝐯)+b(𝐮,𝐯),
b(𝐮,𝐯+𝐯)=b(𝐮,𝐯)+b(𝐮,𝐯) und
b(r𝐮,𝐯)=rb(𝐮,𝐯)=b(𝐮,r𝐯).

Jeder BF b ist eine quadratische Form (QF) qb:VK zugeordnet durch qb(𝐯):=b(𝐯,𝐯); bzw. eine Abbildung f:VK ist eine QF, wenn f=qb für eine BF b.
Die Menge aller Bilinearformen (bzw. quadratischen Formen) bildet einen Vektorraum (V) (bzw. 𝒬(V)).

Lemma 3.2

Der Vektorraum der Bilinearformen ist die direkte Summe der Unterräume der symmetrischen BF s(V):={b(V)|b(𝐱,𝐲)=b(𝐲,𝐱)} und der alternierenden BF a(V):={b(V)|b(𝐱,𝐲)=b(𝐲,𝐱)}, d.h.
(V)=s(V)a(V).

Beispiel: Jede quadratische Matrix A induziert auf Kn eine BF durch bA(𝐱,𝐲)=𝐱tA𝐲. bA ist symmetrisch oder alternierend gdw. A symmetrisch (A=At) oder schiefsymmetrisch (A=At).

Definition 3.3

Die Matrixdarstellung einer BF b bzgl. einer Basis B={v1,...,vn} von V ist definiert durch MB(b):=(b(𝐯i,𝐯j))Mat(n,n;K).

Offenbar gilt: Die Matrixdarstellung einer BF ist eine symmetrische (resp. schiefsymmetrische) Matrix gdw. die BF symmetrisch (resp. alternierend) ist.
Testaufgaben:

qf:(V)𝒬(V),bqf(b):=qb, ist eine linerare Abbildung;
ker(qf)=a(V);
s(V)𝒬(V);
(V)Mat(n,n) durch bMB(b).

Diagonalisierung symmetrischer Bilinearformen und symmetrischer Gauß-Algorithmus

Zur Motivation: Jede quadratische Form lässt sich als Summe von reinen Quadraten mit Vorzeichen darstellen. Dies wird durch quadratische Ergänzungen erreicht. Diese Aussage lässt sich nach folgendem Lemma direkt auf symmetrische BF übertragen.

Lemma 3.4 (Polarform)

Die Zuordnung q𝒬(V)polq,polq(𝐱,𝐲):=12(q(𝐱+𝐲)q(𝐱)q(𝐲)) induziert einen Isomorphismus pol:𝒬(V)s(V). Die inverse Abbildung zu pol ist qf eingeschränkt auf s(V).

Dies führt zur Frage einer Normalform für die Matrixdarstellung für Bilinearformen. Zunächst benötigen wir die Transformationsformel für die Matrixdarstellung.

Lemma 3.5

Die Matrixdarstellung einer BF transformiert sich bei Basiswechsel von B zu B wie folgt:
MB(b)=(TBB)tMB(b)TBB.
Die Menge aller Matrizen, die Matrixdarstellung ein und derselben BF b sind, bilden eine Äquivalenzklasse ähnlicher Matrizen {CtAC|CGln(K)}.

Bemerkung: Der Rang rg(b):=rg(MB(b)) ist unabhängig von der Wahl einer Basis B. Eine BF heißt nicht-ausgeartet, wenn rg(b)=dim(V).
Test: Warum ist ein Skalarprodukt nicht ausgeartet?
Normalformen der Matrixdarstellung einer BF gibt es jeweils für symmetrische und alternierende. So ist jede symmetrische BF diagonalisierbar. Der Beweis ist konstruktiv mittels des symmetrischen Gauß-Algorithmus. Hierbei wird nach jeder elementaren Zeilenoperation die entsprechende Spaltenoperation ausgeführt. Dabei bleibt die Symmetrie einer Matrix erhalten. Wir formulieren die Sätze nur für Matrizen.

Satz 3.6 (Diagonalisierbarkeit symmetrischer BF)

Ist die Matrix A symmetrisch, dann gibt es eine Matrix CGln mit CtAC=:D ist Diagonalmatrix.

Eine Normierung der Diagonalelemente hängt vom Grundkörper K ab.

Corollar 3.7

Zu jeder symmetrischen BF b gibt es eine Basis B0, so daß MB0(b) eine Diagonalmatrix ist.

Ist A:=MB(b) gegeben, D=CACt, dann gilt für die gesuchte Basis B0={𝐰1,...}: Ct=TBB0 und 𝐰i=cij𝐯j. Im Fall des Standardvektorraumes V=Kn folgt: B0=BCt.
Eine Normierung der Diagonalelemente hängt vom Grundkörper K ab.

Corollar 3.8

Die Elemente der Diagonalmatrix einer symmetrischen Matrix läßt sich wie folgt normieren:
Für K= gilt: di=1 oder di=0.
Für K= gilt: di=1, di=1 oder di=0.
Für K= gilt: di sind quadratfreie ganze Zahlen.

Information: Ebenfalls auf dem symmetrischen Gauß-Algorithmus beruht die Normalform einer alternierenden BF:

Satz 3.9

Zu jeder schiefsymmetrischen Matrix A gibt es eine reguläre Matrix C, so dass CtAC außer 0 nur Diagonalblöcke der Form (0110) enthält.

Anwendung 1: (ON-Verfahren mittels des symmetrischen Gauß-Algorithmus)

Gegeben sei eine Menge linear unabhängiger Vektoren (als Spalten {v1,...,vr} einer Matrix B).

  • Aufstellen der Gram’schen Matrix G:=(vi,vj).
  • Diagonalisierung von G:I=CtGC.
  • Dann ist BC (gebildet aus den Vektoren 𝐰j=cij𝐯i) ein Orthonormalsystem.

Test: Warum ist die Normalform einer Gram’schen Matrix beim symmetrischen Gauß-Algorithmus Ik?
Umkehrt ergibt sich aus dem ON-Verfahren, interpretiert als einfacher Gauss Algorithmus mit den Basisvektoren als Zeilen einer Matrix A.

Anwendung 2: (Zerlegung in ein Produkt von Dreiecksmatrix und orthogonaler Matrix)

Jede reguläre Matrix AGln ist Produkt einer unteren Dreiecksmatrix U und einer orthogonalen Matrix C𝒪n:A=UC. Für U gilt insbesondere uii=1 und uij=0 für i<j.

Testaufgabe: Die inverse Matrix einer Dreiecksmatrix ist wieder eine Dreiecksmatrix vom gleichen Typ!

Trägheitssatz für reelle symmetrische Bilinearformen

Die Normalform einer komplexen symmetrischen BF ist eindeutig, da die Anzahl der 1 auf der Hauptdiagonale gleich dem Rang ist. Im reellen Vektorraum bleibt dagegen noch etwas zu tun: Wir wollen zeigen, dass die Anzahlen der +1 und 1 auf der Hauptdiagonale der NF einer reellen symmetrischen BF eindeutig bestimmt sind. Ferner zeigen wir das Hauptminorenkriterium für positive Definitheit.

Satz 3.10 (Trägheitssatz von Sylvester)

Zu jeder symmetrischen BF b auf einem reellen VR V gibt es Zerlegungen V=V0V+V, wobei b|V0=0 und b(𝐱,𝐱)>0 für xV+{0} (resp. b(𝐱,𝐱)<0 für xV{0}) Dabei sind V0,dim(V+) und dim(V) eindeutig bestimmt.

Die Existenz einer solchen Zerlegung ergibt sich aus (3.6 – 8). Wir setzen V0={𝐱V|b(𝐱,𝐲)=0 fu¨r alle 𝐲}. Dann ist dim(V0)=nrg(b) und b eingeschränkt auf einen komplementären Raum U zu V0 ist regulär. Somit bleibt der Satz für eine reguläre BF zu beweisen. Wenn es zwei Zerlegungen in positive und negative Unterräume verschiedener Dimensionen geben würde, dann wäre die Vereinigung einer Basis des ’größeren’ positiven Unterraumes mit der Basis des anderen negativen Unterraumes linear unabhängig!

Bemerkung

Es gilt dim(V+)+dim(V)=rg(b). Die Dimensionsdifferenz heißt Index von b:

ind(q):=dim(V+)dim(V).

Damit bestimmen Rang und Index den Typ einer reellen symmetrischen BF.

Definition 3.11

Eine reelle symmetrische BF bzw. die zugehörige QF q=qb heißt
  • positiv, wenn rg(b)=ind(b), (gdw. q(𝐱)0);
  • positiv definit, wenn n=ind(b), (gdw. q(𝐱)>0 für 𝐱0);
  • negativ, wenn rg(b)=ind(b), (gdw. q(𝐱)0);
  • negativ definit, wenn n=ind(b), (gdw. q(𝐱)<0 für 𝐱0);
  • indefinit, wenn rg(b)>|ind(b)|;
  • nicht ausgeartet, wenn rg(b)=n.

Ein Skalarprodukt ist eine positiv definite symmetrische reelle BF. In der speziellen Relativitätstheorie betrachtet man das Raum-Zeitmodell mit einer nicht-Euklidischen Metrik induziert durch eine nicht ausgeartete quadratische Form von Index 2.

Satz 3.12 (Positivitätstest)

Eine reelle QF ist positiv definit gdw. eine Kette aufsteigender Hauptminoren m1,...,mn einer Matrixdarstellung positiv ist. (Für AMat(n,n) sei mi(A):=det(Ai), Ai – die Untermatrix aus den ersten i Zeilen und i Spalten von A.)

Bemerkung

Ist eine symmetrische Matrix A positiv definit, dann liefert der symmetrische Gauß-Algorithmus eine Zerlegung A=CtC.

Klassifikation von reellen Quadriken

Definition 3.13

Eine Quadrik im reellen affinen Punktraum An ist die Lösungsmenge einer quadratischen Gleichung in n Variablen:
Q:={𝐱|𝐱tA𝐱+2𝐛t𝐱+c=0}, wobei c,𝐛n,AMatsym(n,n;).

Quadriken in der Ebene (n=2) sind genau die Kegelschnitte (Ellipse, Hyperbel, Parabel und ihre Entartungen). Verkürzt lässt sich eine Quadrik als Lösungsmenge der folgenden Gleichung schreiben:

Sei A~:=(cbtbA)Matsym(n+1,n+1;) die zugehörige symmetrische geränderte Matrix und x~=(1x) der Koordinatenvektor eines Punktes, dann lautet die Gleichung für Q: x~tA~x~=0.

Mittels des symmetrischen Gauß-Algorithmus angewendet auf A~ (allerdings ohne Verwendung von Operationen mit der ersten Zeile und Spalte m1,qk1 und pk1) erhält man folgende Normalform:

Satz 3.14 (affine Klassifikation)

Nach geeigneter affiner Koordinatentransformation hat die Gleichung einer reellen Quadrik im An eine der folgenden Formen:
Typ 1: x12+...+xp2xp+12...xr2=1, wobei 0prn (Mittelpunkts-Quadriken);
Typ 2: x12+...+xp2xp+12...xr2=0, wobei r/2prn (kegelartige Quadriken);
Typ 3: x12+...+xp2xp+12...xr2=xn, wobei r/2prn (parabolische Quadriken).

Da sich die Ränge von A und A~ beim symmetrischen Gauß-Algorithmus nicht ändern, kann der Typ einer Quadrik schon am Rang abgelesen werden:

Corollar 3.15

Sind A und A~ zu einer Quadrik Q gehörende Matrizen, dann ist Q vom Typ 1 gdw. rg(A~)=rg(A)+1, vom Typ 2 gdw. rg(A~)=rg(A) und vom Typ 3 gdw. rg(A~)=rg(A)+2.

Selbstadjungierte Operatoren

Sei (V,,) ein reeller euklidischer VR (oder ein unitärer komplexer VR). Wir wollen eine spezielle Klasse von Operatoren untersuchen, die mittels orthogonaler (bzw. hermitescher) Transformationen diagonalisiert werden können, d. h. deren Matrixdarstellung bzgl. einer geeigneten ON-Basis Diagonalform annimmt.

Definition 3.16

Ein linearer Operator LHom(V,V) heißt selbstadjungiert, falls L(𝐮),𝐯=𝐮,L(𝐯) für alle Vektoren 𝐮,𝐯V.

Beispiel

Der Operator LA auf dem euklidischen Standardraum n ist selbstadjungiert gdw. die Matrix A symmetrisch ist.

Bemerkung

Ist B eine ON-Basis und L selbstadjungiert, dann ist die Matrixdarstellung MB(L) symmetrisch.

Test: Gilt die Umkehrung der Bemerkung?
Test: Ist L:VV ein sebstadjungierter Operator, dann ist b(𝐱,𝐲):=L(𝐱),𝐲 eine symmetrische BF.
Test: Analog induziert jede symmetrische BF b einen selbstadjungierten Operator L!

Satz 3.17

Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten eines selbstadjungierten Operators L sind orthogonal zueinander. Allgemeiner: Ist L(U)U, so ist auch L(U)U.

Die wichtigste Eigenschaft selbstadjungierter Operatoren:

Satz 3.18

Alle Eigenwerte eines selbstadjungierten Operators sind reell.

Aus den letzten beiden Sätzen folgt mittels vollständiger Induktion der folgende Hauptsatz:

Theorem 3.19 (Hauptachsentransformation)

Selbstadjungierte Operatoren haben eine ONB aus Eigenvektoren.

Corollar 3.20

Zu einer reellen symmetrischen Matrix A gibt es stets eine orthogonale Matrix C, so daß C1AC=CtAC eine Diagonalmatrix ist, deren Hauptdiagonalelemente die Eigenwerte von A sind.

Rezept: (Hauptachsentransformation)

  • Bestimmung der Eigenwerte und Eigenräume.
  • Bestimmung einer ONB zusammengesetzt aus ONBn der Eigenräume.
  • Die Spalten von C sind die Koordinaten der ONB.

Anwendung 1

Mittels der Hauptachsentransformation (und aus dieser Anwendung entsteht der Name) lassen sich Quadriken im euklidischen Punktraum auf folgende Normalformen transformieren.

Satz 3.21 (euklidische Klassifikation)

In einer geeigneten ON-Koordinatentransformation (definiert durch eine ONB) hat die Gleichung einer Quadrik im euklidischen Punktraum eine der folgenden Formen:
Typ 1: λ1x12+...+λrxr2=1, wobei 0<rn;
Typ 2: λ1x12+...+λrxr2=0, wobei 0<rn;
Typ 3: λ1x12+...+λrxr2=xn, wobei 0<r<n.

Rezept: (euklidische Normalform)

  • Diagonalisierung des quadratischen Anteils mittels der Hauptachsentransformation.
  • Für ir Beseitigung der linearen Terme mittels einer Translation xixi±12bi.
  • Fixierung der rechten Seite der NF durch eine geeignete Drehung mit anschließender Translation im Kern der quadratischen Form. Danach ist die Gleichung nur noch zu normieren.

Anwendung 2 Singulärwerte

Lemma 3.22

Sei A eine reguläre quadratische Matrix, dann existiert eine Matrix B mit B2=AtA, darüberhinaus besitzt B reelle Eigenwerte, genannt, die Singulärwerte von A:

AtA ist positiv definit und es gibt eine orthogonale Matrix C mit D:=CtAC. D ist eine Diagonalmatrix mit positiven Einträgen. Die Wurzeln der Diagonalelemente sind die Singulärwerte. Wir definieren B:=CD12Ct.