Kurs:Funktionalanalysis/Cauchy-Folgen

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Einführung

Eine Cauchy-Folge ist in der Mathematik eine Folge, bei der der Abstand der Folgenglieder im Verlauf der Folge beliebig klein wird.

Abbildung 1 - Cauchy-Folge

Beispiel einer Cauchy-Folge: der Abstand der Folgenglieder wird im Verlauf der Folge beliebig klein.

Abbildung 2 - Keine Cauchy-Folge

Beispiel einer Folge, die keine Cauchy-Folge ist: der Abstand der Folgenglieder wird im Verlauf der Folge nicht beliebig klein.

Beispiel einer Folge, die keine Cauchy-Folge ist: der Abstand der Folgenglieder wird im Verlauf der Folge nicht beliebig klein.

Geschichte

Cauchy-Folgen sind nach dem französischen Mathematiker Augustin-Louis Cauchy benannt und von grundlegender Bedeutung für den Aufbau der Analysis. In dieser Lernressource wird der Begriff der Cauchy-Folge im Kontext von normierten Räumen behandelt, auf denen zusätzliche ein Multiplikation existiert.


Grenzwert einer Cauchy-Folge

Der Grenzwert einer Cauchy-Folge reeller Zahlen ist immer eine reelle Zahl. Der Grenzwert einer Cauchy-Folge rationaler Zahlen kann auch eine irrationale Zahl sein. Allgemein konvergieren genau dann alle Cauchy-Folgen von Elementen eines metrischen Raums, falls der Raum vollständig ist. Jeder unvollständige metrische Raum kann durch die Bildung von Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen vervollständigt werden.

Definition Cauchy-Folgen

Cauchy-Folgen können allgemeiner (z.B. in beliebigen metrischen Räumen) definiert werden. Zunächst betrachten wir Cauchy-Folgen in Zahlenräume.

Definition - Cauchy-Folge von Zahlen

Eine Folge (ai)i rationaler oder reeller Zahlen heißt Cauchy-Folge oder Fundamentalfolge, wenn es zu jedem ε>0 einen Index N gibt, so dass ab diesem Index alle Folgenglieder weniger als ε voneinander entfernt sind. Formal lässt sich diese Bedingung als

ε>0Nεm,nNε:|aman|<ε

schreiben, wobei || den Betrag einer Zahl darstellt.

Anmerkungen

  • In der Definition kann Nε auch durch >Nε und <ε auch durch ε ersetzt werden.
  • Äquivalent zu dieser Definition kann man auch fordern, dass es zu jeder noch so kleinen positiven Zahl ε ein Intervall der Länge 2ε gibt, in dem fast alle Folgenglieder liegen.
  • Diese Definition entspricht weitgehend der Definition für konvergente Folgen, ohne jedoch den Begriff des Grenzwertes einer Folge zu benutzen. Cauchy-Folgen wurden daher früher auch als „in sich konvergente Folgen“ oder „konzentrierte Folgen“ bezeichnet.

Beispiel 1 - Cauchy-Folge

Die Folge ai=1i ist eine Cauchy-Folge. Man kann nämlich zu einem beliebig vorgegebenen ε>0 ein N so wählen, dass N>1ε erfüllt ist. Sind nun nm>N beliebig gewählt, dann gilt

|aman|=|1m1n|=|nmmn|<nmn=1m<1N<ε.

Beispiel 2 - Keine Cauchy-Folge

Die Folge ai=i ist keine Cauchy-Folge. Sei dazu ε=12 gewählt und N eine beliebige natürliche Zahl. Dann kann man n=N+1 und m=n+1 wählen und es gilt immer[1]

|aman|=|mn|=1ε.

Vollständigkeit und rationale Zahlen

Wir betrachten die Menge der rationalen Zahlen und erzeugen eine Cauchy-Folge in (ai)i, die ein Cauchy-Folge in ist, aber keinen Grenzwert in besitzt.

Konstruktion der Cauchy-Folge

Um eine solche Cauchy-Folge in den rationalen Zahlen zu erzeugen, nimmt man einen Startwert a1+. Die weiteren Folgenglieder werden induktiv durch innere Verknüpfungen in dem Körper (,+,cdot) gebildet.

a1:=1,ai+1:=ai2+1ai.

Heron-Verfahren

In diesem Beispiel wird also die Folge rationaler Zahlen Heron-Verfahren generiert, das für beliebige x+ eine Folge (ai)i generiert, die allgemein mit gegen x konvergiert.

a1:=1,ai+1:=aix+1ai.

Irrationale Zahlen

Ist x eine irrationale Zahl (wie z.B. 2, so konvergiert die Folge nicht in . Die Konvergenz gegen x für x>0 ist dabei unabhängig von Startwert. Dieser kann beliebig für a1>0 gewählt werden.

Aufgabe - Konvergenz Heron-Verfahren

Gegen welchen Grenzwert konvergiert das Heron-Verfahren, wenn a1<0 gewählt wird? Beweisen Sie die Aussage.


Grenzwert der Folge

Diese Folge (ai)i ist eine Cauchy-Folge, sie besitzt aber als Grenzwert die irrationale Zahl 2 und konvergiert daher innerhalb der Menge der rationalen Zahlen nicht.

Vollständigkeit

Die Problematik der Vollständigkeit, dass in der Menge der rationalen Zahlen viele Grenzwerte von Cauchy-Folgen nicht enthalten sind, führte zu der Idee der Vervollständigung des Zahlenbereichs auf die Menge der reellen Zahlen.

Cauchy-Folgen in normierten Räumen

In normierten Räumen übernimmt ein Norm die Aufgabe des Betrages in Zahlenräumen.

Definition - Cauchy-Folge in normierten Räumen

Spezieller definiert man den Begriff der Cauchy-Folge für normierten Räume (X,), also beliebige Mengen X, auf denen eine Norm gegeben ist. Eine Folge (xi)i von Elementen in X heißt dann Cauchy-Folge in (X,), wenn

ε>0nεm,nnε:xmxn<ε

Bemerkung

Dies ist ein Spezialfall der Cauchy-Folge in metrischen Räumen, denn jeder normierte Raum (X,) ist mit folgender Metrik d:X×X+ auch ein metrischer Raum (X,d):

d(x,y):=xy

Cauchy-Folgen in metrischen Räumen

In metrischen Räumen gibt es ein Metrik d:X×X0+, die im Vergleich zum Betrag ||, den Abstand zwischen zwei Elementen aus dem Grundraum messen kann. Dabei entspricht in Zahlenräumen d(x,y)=|xy|.

Definition - Cauchy-Folge in metrischen Räumen

Allgemeiner definiert man den Begriff der Cauchy-Folge für metrische Räume (X,d), also beliebige Mengen X, auf denen eine Metrik d gegeben ist. Eine Folge (xi)i von Elementen in X heißt dann Cauchy-Folge, wenn

ε>0Nm,nN:d(xm,xn)<ε

gilt.[2]

Bemerkung - Cauchy-Folgen in metrischen Räumen

Damit gibt es zu jedem reellen ε>0 einen Index N, so dass für alle natürlichen Zahlen m,nN der Abstand der entsprechenden Folgenglieder d(xm,xn)<ε ist.

Äquivalente Formulierung

Eine dazu äquivalente geometrische Formulierung ist: Für jedes ε>0 gibt es einen Punkt a und einen Index N, so dass alle Folgenglieder ab xN in der offenen Kugel Bε(a) um den Punkt a mit Radius ε liegen. Diese Version unterscheidet sich nur dadurch von der Konvergenzdefinition, dass hier der Mittelpunkt a vom Radius ε abhängen darf, während bei der Konvergenz der Grenzwert a von ε unabhängig sein muss.

Konvergente Folge sind Cauchy-Folgen in metrischen Räumen

Jede konvergente Folge in einem metrischen Raum ist auch eine Cauchy-Folge. Konvergiert nämlich eine Folge (xi)i gegen einen Grenzwert xX, dann gibt es zu jedem ε>0 einen Index nε, sodass d(x,xn)<ε2 für alle nnε gilt. Mit der Dreiecksungleichung für metrische Räume folgt dann für alle m,nnε

d(xm,xn)d(xm,x)+d(x,xn)<ε2+ε2=ε

und die Folge ist somit eine Cauchy-Folge.

Betrachtung der Umkehrung

Die umgekehrte Richtung muss jedoch nicht notwendigerweise wahr sein, was letztendlich zur Einführung von vollständigen Räumen führte (siehe rationale Zahlen als Teilmenge der reellen Zahlen. In einem vollständigen Raum besitzt definitionsgemäß jede Cauchy-Folge einen Grenzwert und der Begriff der konvergenten Folge fällt mit dem Begriff der Cauchy-Folge zusammen.

Vervollständigung von metrischen Räumen

Jeder unvollständige metrische Raum kann jedoch durch die Bildung von Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen vervollständigt werden. Dabei werden zwei Cauchy-Folgen (xi)i und (yi)i von Elementen in X als äquivalent angesehen, wenn

ε>0nεm,nnε:d(xm,yn)<ε

oder äquivalent dazu limm,nd(xm,yn)=0. Liegt der Grenzwert einer der beiden Folgen in X, dann auch der der anderen, und die beiden Grenzwerte sind gleich. Die Äquivalenzklassen der Cauchy-Folgen bilden die Vervollständigung X des Grundraumes X.

Aufgaben für Lernende

In den folgenden Aufgaben werden Cauchyfolgen in normierten Räumen betrachtet, die über die grundlegenden Vektorräume n,n,n mit n hinausgehen

Cauchy-Folgen in Funktionenräumen

Sei V:=𝒞([a,b],) die Menge der stetigen (engl. continuous) Funktionen von dem Intervall [a,b] in den Körper als Wertebereich. Ferner sei die folgende Norm auf V gegeben:

:V0+ mit ff:=ab|f(x)|dx
Zeigen Sie, dass der folgende Funktionenraum der stetigen Funktionen mit der folgenden Norm nicht vollständig ist.

Hinweis 1: Definition der Funktionenfolge

Verwenden Sie die folgende Funktionenfolge mit [a,b]:=[0,2]

fn:[a,b]xfn(x)={0 für x[0,11n]nx+(1n) für x]11n,1]nx+(1+n) für x]1,1+1n[0 für x[1+1n,2]

Hinweis 2: Abschätzung der Integralnorm

Skizzieren Sie die Funktionen f1,f2 und f3. Für den Beweis, dass (fn)nV eine Cauchy-Folge in V ist, sollten Sie die Integralnorm fnfm:=ab|fn(x)fm(x)|dx nach oben gegen einen Rechteckflächeninhalt abschätzen, wobei die Höhe des Rechtecks eine obere Schranke für den maximale Funktionswert auf dem bertrachteten Intervall darstellt.

Hinweis 3: Grenzfunktion der Funktionenfolge

Betrachten Sie ferner die folgende Abbildung f0 und zeigen Sie, dass die Folge (fn)nV punktweise gegen f0 konvergiert:

f0:[a,b]xf0(x)={0 für x[0,2]{1}1 für x=1

Polynom-Vektoräume mit Koeffizienten aus normierten Räumen

Sei (V,) auf einem 𝕂-Vektorraum V gegeben. Wir definieren nun den Vektorraum V[x] der Polynome mit Koeffizienten aus V und eine Norm Norm V[x], die (V[x],V[x]) zu einem normierten Raum macht. Definieren Sie eine Cauchy-Folge (p(i))i von Polynomen in V[x], die nicht konvergent ist.

p(i):Vxp(i)(x)=n=0pn(i)xn mit (p(i))n0coo(V).

Notation

Sei (V,) ein normierter Raum.

  • coo(V)V ist die Menge der Folgen in dem Vektorraum V, bei der ab einer Indexschranke alle Folgenglieder gleich dem Nullvektor aus V.
  • co(V)V ist die Menge der Nullfolgen in einem normierten Vektorraum (V,).
  • c(V)V ist die Menge der konvergenten Folgen in einem normierten Vektorraum (V,).

Analog kann man diese Notation auf metrische Räume (V,d) mit einer Metrik d:V×Vo+ übertragen.

Siehe auch

Literatur

  • Konrad Königsberger: Analysis 1. Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-41282-4
  • Konrad Königsberger: Analysis 2. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2000, ISBN 3-540-43580-8
  • Otto Forster: Analysis 1. Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen. Vieweg-Verlag, 8. Aufl. 2006, ISBN 3-528-67224-2

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Um einen Gegenbeweis zu führen, muss man die Definition umkehren: ε>0Nm,nN:|aman|ε.
  2. Vorlage:Literatur


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