Kurs:Analysis III/Kapitel III: Der Brouwersche Abbildungsgrad mit geometrischen Anwendungen

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

§1 Die Umlaufszahl

Definition 1

Zu k0 erklären wir durch
Γk:={φ=φ(t):Ck(,):φ(t+2π)=φ(t) fu¨r alle t}
die Menge der k-mal stetig differenzierbaren (k1) bzw. stetigen (k=0) periodischen komplexwertigen Funktionen.

Definition 2

Sei φΓ1 mit φ0 für alle t gegeben. Dann setzen wir
W(φ)=W(φ,0):=12πi02πφ(t)φ(t)dt
als Windungszahl (Umlaufszahl) der geschlossenen Kurve φ(t),0t2π in Bezug auf den Punkt z=0.

Definition 3

Sei φΓ0 mit φ(t)0 für alle t. Ferner sei eine Folge von Funktionen {φk}k=1,2,Γ1 mit φ(t)0 für alle t und k gegeben, die gleichmäßig in [0,2π] gegen φ konvergiert, d. h. es gilt
limkφk(t)=φ(t) für alle t[0,2π].
Dann setzen wir
W(φ):=limkW(φk).

Satz 1 (Homotopielemma)

Sei die Schar von stetigen Kurven Φτ(t)=φ(t,τ)Γ0 für τττ+ gegeben. Ferner gelten φ(t,τ)C0([0,2π]×[τ,τ+],2) und
φ(t,τ)0 für alle (t,τ)[0,2π]×[τ,τ+].
Dann ist W(φτ) in [τ,τ+] konstant.

Beweis

Wegen φ(t,τ)0 und der Kompaktheit der Menge [0,2π]×[τ,τ+] gibt es ein ε>0, so dass |φ(t,τ)|>ε für alle (t,τ)[0,2π]×[τ,τ+] gilt. Da φ auf [0,2π]×[τ,τ+] gleichmäßig stetig ist, gibt es ein δ(ε)>0 mit der Eigenschaft

|φ(t,τ*)φ(t,τ**)|>ε für alle t[0,2π], falls |τ*τ**|<δ(ε).

Seien nun {φk*}k=1,2,Γ1 und {φk**}k=1,2,Γ1 zwei approximierende Folgen mit

limkφk*(t)=φ(t,τ*) bzw. limkφk**(t)=φ(t,τ**) für alle t[0,2π].

Dann gibt es ein k0, so dass für alle kk0 folgendes gilt:

|φk*(t)|>ε,|φk**(t)|>ε,|φk*(t)φk**(t)|<ε für alle t[0,2π].

Es gilt nun W(φk*)=W(φk**) für alle kk0 und es folgt

W(Φτ*)=W(Φτ**) für alle τ*,τ**[τ,τ+] mit |τ*τ**|<δ(ε).

Da δ(ε) nicht von τ*,τ** abhängt und [τ,τ+] kompakt ist, liefert ein Fortsetzungsargument W(φτ)=const für τ[τ,τ+].

Satz 2 (Rouché)

Zu festem R>0 seien f0,f1:BR zwei stetige Funktionen mit der Eigenschaft
|f1(z)f0(z)|<|f0(z)| für alle zBR.
Für die Kurve φ0(t):=f0(Reit) gelten
φ0(t)0 für 0t2π sowie W(φ0)0.
Dann existiert ein z*B mit f1(z*)=0.

Beweis

Wir setzen φ1(t):=f1(Reit),0t2π und betrachten die Homotopie

Φτ(t)=φ(t,τ):=(1τ)φ0(t)+τφ1(t),0t2π.

Wegen

|φ(t,τ)|=|φ0(t)+τ(φ1(t)φ0(t))||φ0(t)||φ1(t)φ0(t)|>0

für alle (t,τ)[0,2π]×[0,1] liefert das Homotopielemma W(φ0)=W(φ1)0 und nun existiert ein z*B mit f1(z*)=0.

q.e.d.

Satz 3 (Fundamentalsatz der Algebra)

Jedes komplexe Polynom
f(z)=zn+an1zn1++a0
vom Grade n besitzt mindestens eine komplexe Nullstelle.

Beweis

Wir setzen f0(z):=zn,z und betrachten zu festem R>0 die Funktion

φ0(t):=f(Reit)=Rneint,0t2π.

Wir berechnen

W(φ0)=12πi02πφ'0(t)φ0(t)dt=12πi02πinRneintRneintdt=n.

Wir wählen nun R>0 so groß, dass für alle z mit |z|=R die Ungleichung

|f0(z)|=Rn>|f(z)f0(z)|=|an1zn1++a0|

richtig ist. Dann gibt es nach dem Satz von Rouché ein z* mit |z*|<R, so dass f(z*)=0 erfüllt ist.

Satz 4 (Brouwerscher Fixpunktsatz)

Sei f(z):BRBR eine stetige Abbildung. Dann hat f mindestens einen Fixpunkt, d. h. es gibt ein z*BR mit f(z*)=z*.

Beweis

Wir betrachten die Schar von Abbildungen

g(z,τ):=zτf(z),zBR,τ[0,1).

Für alle zBR gilt

|g(z,τ)||z|τ|f(z)|R(1τ)>0.

Nun wenden wir den Satz von Rouché auf die Funktion f0(z):=z mit der Randfunktion φ0(t)=Reit und auf f1(z):=g(z,τ) für ein festes τ[0,1) an. Wir finden dann für jedes τ[0,1) ein zτBR mit der Eigenschaft

0=gτ(zτ)=zττf(zτ).

Wählen wir speziell τn=11n,n=1,2,, so folgt

(11n)f(zn)=zn,n=1,2,,

wobei wir noch zn:=zτn gesetzt haben. Nach Auswahl einer in BR konvergenten Teilfolge erhalten wir wegen der Stetigkeit von f

z*:=limkznk=limkτnkf(znk)=limkf(znk)=f(z*).

Definition 4

Sei z ein beliebiger Punkt und die Funktion φ(t)Γ0 genüge der Bedingung φ(t)z für alle t. Dann nennen wir
W(φ,z):=W(φ(t)z)
die Umlaufszahl der Kurve φ um den Punkt z.

Definition 5

Sei die stetige Funktion f=f(z):{z:|zz0|ε0} mit z0 und ε0>0 gegeben, welche in z0 eine isolierte Nullstelle besitzt, d. h. es gelten
f(z0)=0 und f(z)0 für alle 0<|zz0|ε0
Dann erklären wir den Index von f in Bezug auf z=z0 wie folgt:
i(f,z0):=W(φ) mit φ(t)=f(z0+εeit),0t2π,0<εε0.

Satz 5 (Indexsummenformel)

Die Funktion fC2(BR,) habe die Randfunktion φ(t):=f(Reit)0 mit t[0,2π]. Ferner besitze f in BR die paarweise verschiedenen Nullstellen zk mit zugehörigem Index i(f,zk),k=1,,p und p0. Dann gilt die Identität
W(φ)=k=1pi(f,zk).

Beweis

1. Wir setzen

F(x,y):=logf(x,y),(x,y)BR

und berechnen

W(φ)=12πi02πφ(t)φ(t)dt=12πi02πddtf(Reit)f(Reit)dt
=12πi02πfx(Reit)(Rsint)+fy(Reit)(Rcost)f(Reit)dt
=12πiBR{Fxdx+Fydy}=12πiBRdF

mit der 1-Form dF=Fx(x,y)dx+Fy(x,y)dy. Dabei wird BR in mathematisch positivem Sinn durchlaufen.

2. Zu hinreichend kleinem ε>0 betrachten wir das Gebiet

Ω(ε):={zBR:|zzk|>ε fu¨r k=1,,p}.

Setzen wir

φk(t):=f(zk+εeit),t[0,2π],k=1,,p,

so folgt wie in Teil 1 des Beweises

W(φk)=12πi|zzk|=εdF,k=1,,p,

wobei die Kurven |zzk|=ε in mathematisch positivem Sinn durchlaufen werden. Der Stokessche Integralsatz liefert nun

W(φ)k=1pi(f,zk)=W(φ)k=1pW(φk)
=12πiBRdF12πik=1p|zzk|=εdF=12πiΩ(ε)dF=12πiΩ(ε)ddF=0.

q.e.d.

§2 Der Abbildungsgrad im n

Definition 1

Seien Ωn eine beschränkte, offene Menge im n und
f=(f1(x1,,xn),,fn(x1,,xn))Ak(Ω):=Ck(Ω,n)C0(Ω,n)
für k eine Funktion mit f(x)0 für alle xΩ. Mit einem 0<ε<inf{|f(x)|:xΩ} betrachten wir eine Funktion ωC0([0,+),) mit den Eigenschaften
(a) ω(r)=0 für alle r[0,δ][ε,+) und für ein δ(0,ε),
(b) es gelte
nω(|y|)dy=1.
Dann erklären wir den Brouwerschen Abbildungsgrad von f bezüglich y=0 gemäß
d(f,Ω)=d(f,Ω,0):=Ωω(|f(x)|)Jf(x)dx.
Dabei ist
Jf(x)=(f1,,fn)(x1,,xn),xΩ
die Funktionaldeterminante der Abbildung f.

Definition 2

Sei f(x)A0(Ω):=C0(Ω,n) mit f(x)0 für alle xΩ gegeben. Ferner sei {fk}k=1,2,A1(Ω) eine Funktionenfolge mit
fk(x)0 für alle xΩ und alle k
und es gelte
fk(x)f(x) für k
gleichmäßig in Ω. Dann setzen wir
d(f,Ω):=limkd(fk,Ω)
und nennen dieses den Brouwerschen Abbildungsgrad für stetige Funktionen.

Satz 1 (Homotopielemma)

Sei fτ(x)A0(Ω) für τ[a,b] eine Schar stetiger Abbildungen mit den Eigenschaften
(a) fτ(x)=f(x,τ):Ω×[a,b]C0(Ω×[a,b],),
(b) fτ(x)0 für alle xΩ und alle τ[a,b].
Dann ist d(fτ,Ω)=const in [a,b].

Beweis

Zunächst gibt es ein ε>0, so dass |fτ(x)|>5ε für alle xΩ und alle τ[a,b] richtig ist. Weiter existiert ein δ=δ(ε)>0, so dass für alle τ*,τ**[a,b] mit |τ*τ**|<δ(ε) die Ungleichung

|f(x,τ*)f(x,τ**)|<ε für alle xΩ

gilt. Wir wählen nun mit

{fk*}k=1,2,,{fk**}k=1,2,A1(Ω)

zulässige Approximationsfolgen für fτ*(x) bzw. fτ**(x). Dann gibt es ein k0, so dass die Ungleichungen

|fk*(x)|>5ε,|fk**(x)|>5ε für alle xΩ und alle kk0

sowie

|fk*(x)fk**(x)|<ε für alle xΩ und alle kk0

erfüllt sind. Es gilt nun

d(fk*,Ω)=d(fk**,Ω) für alle kk0

und es folgt

d(fτ*,Ω)=d(fτ**,Ω) für alle τ*,τ**[a,b] mit |τ*τ**|<δ(ε).

Dieses ergibt d(fτ,Ω)=const für aτb.

q.e.d.

Definition 3

Sei Ωn eine beschränkte, offene Menge und f(x):Ωn{0} sei stetig. Weiter sei f^(x):nnC0(n,n) mit f^(x)=f(x) für alle xΩ eine stetige Fortsetzung von f auf den n. Dann setzen wir
v(f,Ω):=d(f^,Ω)
für die Ordnung von f in Bezug auf den Punkt z=0.

§3 Geometrische Existenzsätze

Satz 1 (Brouwerscher Fixpunktsatz)

Jede stetige Abbildung f(x):BB der Einheitskugel B:={xn:|x|1} in sich besitzt einen Fixpunkt ξB, für welchen also ξ=f(ξ) gilt.

Beweis

Wir betrachten für alle τ[0,1) die Abbildung

fτ(x)=xτf(x),xB,

welche die Randbedingung

|fτ(x)||x|τ|f(x)|1τ>0 für alle xB und alle τ[0,1)

erfüllt. Nun gibt es zu jedem τ[0,1) ein xτB mit fτ(x)=0 bzw. τf(xτ)=xτ. Wir wählen nun eine Folge τn1 für n, so dass {xτn}n=1,2, in B konvergiert. Dann folgt

ξ:=limnxτn=limnτnf(xτn)=limnf(xτn)=f(ξ).

q.e.d.

Satz 2 (Igelsatz von Poincaré und Brouwer)

Sei n gerade. Mit
Sn:={xn+1:|x|=1}
bezeichnen wir die n-dimensionale Sphäre im n+1. Dann gibt es kein tangentiales, nullstellenfreies und stetiges Vektorfeld auf der Sphäre Sn.

Beweis

Wäre φ:Snn+1 ein solches Vektorfeld, so wären |φ(x)|>0 und (φ(x),x)=0 für alle xSn erfüllt. Wir betrachten nun zu ε=±1 die Abbildung f(x):=εx,xSn und die Homotopie

fτ(x)=(1τ)f(x)+τφ(x),xSn.

Es gilt

|fτ(x)|2=(1τ)2|f(x)|2+τ2|φ(x)|2>0

für alle xSn und alle τ[0,1]. Es folgt

v(φ,Sn)=v(f1,Sn)=v(f0,Sn)=v(f,Sn)=εn+1.

Für gerades n würde also

1=v(φ,Sn)=+1

folgen. Das ist aber ein Widerspruch!

q.e.d.

§4 Der Index einer Abbildung

Definition 1

Sei f(x)A0(Ω). Für ein zΩ und ein hinreichend kleines ε>0 gelte f(z)=0 und f(x)0 für alle 0<|xz|ε. Dann nennen wir
i(f,z):=d(f,Bε(z))
den Index von f im Punkt x=z. Dabei ist Bε(z):={xn:|xz|<ε}.

Satz 1 (Sardsches Lemma)

Seien Ωn eine offene Menge und f:ΩnC1(Ω,n) eine stetig differenzierbare Abbildung. Ferner sei FΩ kompakt und
F*:={y=f(x):xF,Jf(x)=0}
die Menge ihrer kritischen Werte. Dann ist F* eine n-dimensionale Lebesgue-Nullmenge.

Beweis

Wir können ohne Einschränkung annehmen, dass F ein Würfel ist:

F=W={xn:aixiai+h,i=1,,n}.

Wir nehmen nun eine gleichmäßige Zerlegung des Würfels W in Nn Würfel der Kantenlänge hN mit N, indem wir auf den Achsen die Zerlegung ai+jhN mit i=1,,n,j=0,1,,N zugrunde legen. Damit erhalten wir die Würfel Wα,α=1,,Nn mit den Eigenschaften

W=α=1NnWα,WαWβ= (αβ).

Der Durchmesser eines Würfels Wα berechnet sich gemäß

diam(Wα)=nhN.

Wir setzen nun

M:=supxWf(x) und εN:=supx,xW|xx|nhNf(x)f(x)

Sei 𝐍{1,,Nn} die Indexmenge, die zu den Würfeln Wα gehört, welche mindestens einen Punkt ξWα mit Jf(ξ)=0 enthalten. Dann folgt

W*α𝐍Wα* mit Wα*:={y=f(x):xWα}.

Es gibt nun für jedes α𝐍 eine Funktion φα=φα(y)C00(n,[0,1]) mit φα(y)χWα*(y),yn sowie

nφα(y)dyK(M,n)(hN)nεN.

Dabei bezeichnet χA die charakteristische Funktion einer Menge A. Es folgt

χW*(y)α𝐍χWα*(y)α𝐍φα(y),yn

und für die Funktion α𝐍φα(y)C00(n,[0,+)) gilt

n(α𝐍φα(y))dyα𝐍(K(M,n)(hN)nεN)|W|K(M,n)εN

für alle N. Für N folgt schließlich εN0 und somit ist W* eine n-dimensionale Lebesguesche Nullmenge.

Satz 2 (Generische Endlichkeit)

Sei Ωn eine beschränkte, offene Menge und fA1(Ω) mit infxΩ|f(x)|>ε>0. Dann gibt es ein zn mit |z|ε, so dass folgendes gilt:
(1) Die Gleichung f(x)=z,xΩ hat höchstens endlich viele Lösungen x(1),,x(N)Ω.
(2) Für ν=1,,N ist Jf(x(ν))0 richtig.

Beweis

Sei

F:={xΩ:|f(x)|ε},

so ist Fn kompakt und es gilt FΩ. Die Menge

F*:={y=f(x):xF,Jf(x)=0}

der kritischen Werte von f ist nach dem Sardschen Lemma eine Lebesguesche Nullmenge. Somit existiert ein zn mit |z|ε und zF*. Wir zeigen nun, dass mit diesem z die Eigenschaft (1) gilt: Angenommen, die Gleichung f(x)=z hätte unendlich viele Lösungen x1,x2,Ω und ohne Einschränkung gelte xνξ für ν. Wegen f(xν)=f(ξ)=z für alle ν würden sich die z-Stellen von f im Punkt ξ häufen. Da aber ξΩ und Jf(ξ)0 sind, ist f dort lokal injektiv und wir erhalten einen Widerspruch. Folglich gibt es nur endlich viele Lösungen der Gleichung f(x)=z,xΩ, die offenbar alle die Eigenschaft (2) haben.

q.e.d.

§5 Der Produktsatz

Definition 1

Sei 𝒪n eine offene Menge und x𝒪. Dann nennen wir die Menge
Gx:={y𝒪:es existiert ein φ(t):[0,1]𝒪C0([0,1])mit φ(0)=x und φ(1)=y}
die Zusammenhangskomponente von x in 𝒪.

Definition 2

Zu einer Funktion φC00(n) nennen wir
suppφ={xn:φ(x)0}
den Träger von φ.

Definition 3

Sei fA0(Ω) und znf(Ω). Dann setzen wir
d(f,Ω,z):=d(f(x)z,Ω,0)
für den Abbildungsgrad von f bezüglich des Punktes z.

Definition 4

Sei Gnf(Ω) ein Gebiet, so setzen wir
d(f,Ω,G):=d(f,Ω,z) für ein zG.

Satz 1 (Produktsatz)

Seien f,gC0(n,n) und sei Ωn offen und beschränkt. Wir setzen E:=f(Ω). Mit {Di}i=1,,N0,N0{0,1,,+} bezeichnen wir die beschränkten Zusammenhangskomponenten von nE. Schließlich wählen wir ein zng(E). Dann gilt die Identität
d(gf,Ω,z)=i=1N0d(f,Ω,Di)d(g,Di,z),
wobei die Reihe nur endlich viele nicht verschwindende Terme hat.

Beweis

1. Wir setzen

h(x):=gf(x).

Nach dem Weierstraßschen Approximationssatz aus Kapitel I, §1 können wir Folgen {fl(x)}l=1,2,C1(n,n) und {gk(y)}k=1,2,C1(n,n) wählen, die gleichmäßig auf jedem Kompaktum gegen f(x) bzw. g(x) konvergieren. Wir erklären noch die Funktionen

hk(x):=gkf(x),hkl(x):=gkfl(x),k,l.

Damit folgen

hk(x)h(x) für k

sowie

hkl(x)hk(x) für l

auf jedem Kompaktum.

2. Es gibt ein ε>0, so dass

|h(x)z|>ε,|hk(x)z|>ε für alle xΩ und alle kk0(ε)

richtig ist. Wir wählen nun eine zulässige Testfunktion ωC00((0,ε),) mit der Eigenschaft nω(|u|)du=1. Dann gilt für alle kk0(ε) und ll0(k) die Identität

d(hk,Ω,z)=d(hkl,Ω,z)=Ωω(|hkl(x)z|)Jhkl(x)dx
=Ωω(|gk(fl(x))z|)Jgk(fl(x))Jfl(x)dx.

Setzen wir

φk(y):=ω(|gk(y)z|)Jgk(y)C00(nE) für kk0,

dann gilt

d(hk,Ω,z)=Ωφk(fl(x))Jfl(x)dx=i=1N0d(f,Ω,Di)Diφk(y)dy

für kk0. Hierbei sind nur endlich viele Terme der Summe ungleich 0. Beachten wir noch

Diφk(y)dy=Diω(|gk(y)z|)Jgk(y)dy=d(gk,Di,z),kk0,

so folgt

d(hk,Ω,z)=i=1N0d(f,Ω,Di)d(gk,Di,z)

Nun gibt es ein k1k0, so dass

d(hk,Ω,z)=d(h,Ω,z) für alle kk1

gilt. Weiter gibt es ein k2k1, so dass

d(gk,Di,z)=d(g,Di,z) für alle kk1 und alle i=1,,N0

richtig ist. Insgesamt erhalten wir

d(h,Ω,z)=i=1N0d(f,Ω,Di)d(g,Di,z).

q.e.d.

§6 Die Sätze von Jordan-Brouwer

Satz 1 (Jordan-Brouwer)

Gegeben seien zwei homöomorphe kompakte Mengen F und F* im n. Dann gilt N(F)=N(F*).

Beweis

Da F und F* homöomorph sind, gibt es eine topologische Abbildung f^:FF* mit der Umkehrabbildung f^1:F*F. Mit dem Tietzeschen Ergänzungssatz konstruieren wir Abbildungen f,gC0(n) mit f(x)=f^(x) für alle xF und g(y)=f^1(y) für alle yF*. Wir nehmen nun

N:=N(F)N(F*)=:N*

an und können ohne Einschränkung von N*<N ausgehen. Somit ist N* endlich. Wir bezeichnen mit {Di}i=1,,N und {Di*}i=1,,N* die beschränkten Zusammenhangskomponenten von nF bzw. nF*. Ist zDk und k{1,,N*+1}, so liefert der Produktsatz

δik=d(gf,Di,Dk)=d(gf,Di,z)=j=1N*d(f,Di,Dj*):=aijd(g,Dj*,z):=bjk
=j=1N*aijbjk für i,k=1,,N*+1.

Nun gibt es ein ξ=(ξ1,,ξN*+1)N*+1{0} mit

k=1N*+1bjkξk=0 für j=1,,N*.

Somit erhalten wir in

ξi=j=1N*k=1N*+1aijbjk=j=1N*aij(k=1N*+1bjkξk)=0,i=1,,N*+1

einen Widerspruch. Die Annahme war also falsch, es gilt die Gleichheit.

q.e.d.

Satz 2 (Jordan-Brouwer)

Sei S*n homöomorph zur Einheitssphäre S={xn:|x|=1} mit der topologischen Abbildung f^:SS*. Dann zerlegt die topologische Sphäre S* den n in ein beschränktes Gebiet G1, das wir Innengebiet nennen und ein unbeschränktes Gebiet G2, das wir Außengebiet nennen. Für f^ gilt
v(f^,S,z)={±1,fu¨r zG10,fu¨r zG2

Beweis

Wie im Beweis von Satz 1 setzen wir die Abbildungen f^:SS* und f^1:S*S zu stetigen Abbildungen f bzw. g auf den n fort. Da die Sphäre S den n in ein Innengebiet und ein Außengebiet zerlegt, folgt

N(S*)=N(S)=1

nach Satz 1. Für die Abbildung gf gilt gf(x)=x für alle xS. Der Produktsatz liefert

1=d(gf,B,0)=d(f,B,G1)d(g,G1,0),B:=B1(0).

Aus der Ganzzahligkeit des Abbildungsgrades folgt für zG1

v(f^,S,z)=d(f,B,G1)=±1.

q.e.d.

Satz 3 (Gebietsinvarianz)

Sei Gn ein Gebiet und f:Gn eine stetige, injektive Abbildung. Dann ist G*:=f(G) wieder ein Gebiet.

Beweis

Da G zusammenhängend und f stetig ist, folgt zunächst, dass G*=f(G) zusammenhängend ist. Wir zeigen die Offenheit von G*: Sei zG beliebig und ϱ>0 so klein gewählt, dass Bϱ(z)G erfüllt ist. Für die stetige, injektive Abbildung

g(x):=f(x)f(z),xBϱ(z)

gilt i(g,z)=±1. Somit folgt

d(f,Bϱ(z),f(z))=d(g,Bϱ(z),0)=±1.

Mit einem hinreichend kleinen ε>0 gilt |f(x)f(z)|>ε für alle xBϱ(z). Wir erhalten nun aus dem Homotopiesatz

d(f,Bϱ(z),ζ)=d(f,Bϱ(z),f(z))=±1 für |ζf(z)|<ε2.

Für alle ζn mit |ζf(z)|<ε2 existiert also ein xBϱ(z) mit f(x)=ζ. Das bedeutet Bε2(f(z))f(G). Somit ist f eine offene Abbildung und die Menge G*=f(G) ist ein Gebiet.

q.e.d.

Satz 4 (Jordan-Brouwer)

Jede topologische Sphäre S*n zerlegt den n in ein Innengebiet G1 und ein Außengebiet G2, d. h.
n=G1˙S*˙G2
und es gilt G1=S*=G2.

Beweis

Wir haben nur Gi=S* für i=1,2 zu zeigen. Sei f:SS* die topologische Abbildung und sei x~S* ein beliebiger Punkt. Wir setzen dann ξ:=f1(x~)S und betrachten die Mengen

E:={xS:|xξ|ε},F:={xS:|xξ|ε}

mit S=EF. Gehen wir zu den Bildmengen E*:=f(E) und F*:=f(F) über, so folgt S*=E*F*. Da nF zusammenhängend ist, bleibt nach Satz 1 auch nF* zusammenhängend. Somit gibt es zu festen Punkten a1G1 und a2G2 einen stetigen Weg π, der a1 und a2 verbindet und F* nicht trifft. Da jedoch S* die Gebiete G1 und G2 trennt, folgt πS* und somit πE*. Ist nun a1π der erste Punkt von a1, der E* trifft und a2π der erste Punkt von a2, der E* trifft, so wählen wir Punkte aiGi für i=1,2 auf π mit |aiai|ε. Lassen wir nun ε0 sächsischen erhalten wir Punktfolgen {a'i,j}j=1,2,Gi,i=1,2 mit

limjai,j=x~ für i=1,2.

Somit folgt G1=S*=G2.

q.e.d.