Kurs:Analysis II/Kapitel VI: Gewöhnliche Differentialgleichungen/Elementar integrierbare Differentialgleichungen erster Ordnung (§3)
Beispiel 1: Differentialgleichungen mit getrennten Variablen
Wir betrachten die Differentialgleichung
mit den stetigen Koeffizientenfunktionen . Mit Hilfe des integrierenden Faktors
erhalten wir die exakte Differentialgleichung
Die Stammfunktion erhalten wir dann durch Integration nämlich
Die implizite Form der Lösung wird durch die Niveaulinien
dargestellt.
Beispiel 2: Ähnlichkeitsdifferentialgleichungen
Wir betrachten Differentialgleichungen des Typs
mit der stetigen Funktion . Diese bringen wir in die Form
Wir verwenden die Substitution
und erhalten die Differentialgleichung
bzw.
Nun ist
ein integrierender Faktor und die Differentialgleichung
wird exakt. Letztere können wir gemäß Beispiel 1 lösen. Schließlich ist
ein integrierender Faktor der ursprünglichen Differentialgleichung (5).
Definition 1
- Eine Funktion heißt homogen vom Grade , wenn für alle und alle Punkte die Beziehung
- erfüllt ist.
Beispiel 3: Homogene Differentialgleichungen
Sei nun die Differentialgleichung
gegeben. Falls und gilt, ist diese Differentialgleichung äquivalent zu
bzw.
Gemäß Beispiel 2 haben wir den integrierenden Faktor
für unsere Differentialgleichung
Folglich ist die Differentialgleichung
exakt. Wir erhalten mit
einen integrierenden Faktor der homogenen Differentialgleichung (10).
Beispiel 4: Differentialgleichungen der Form
Dabei sind reelle Koeffizienten. Wir betrachten die folgenden beiden Möglichkeiten:
1. Fall:
Es existiert nun ein Punkt , der das eindeutig lösbare Gleichungssystem
löst. Aus (13) folgt mit den neuen Variablen das System
Wir erhalten die Differentialgleichung
welche sich gemäß Beispiel 2 lösen lässt.
2. Fall
Insofern erfüllt ist, erhalten wir die sofort integrierbare Differentialgleichung
Sei anderenfalls o. B. d. A. richtig und wir erhalten . Dieses liefert die Identitäten
Mit der Substitution erhalten wir die Differentialgleichung
Wir erhalten die Gleichung , die wir gemäß integrieren.
Beispiel 5: Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung
Wir betrachten die Differentialgleichung
Wir geben zwei Methoden zu ihrer Lösung an.
1. Methode: Integrierender Faktor
Wir schreiben die Differentialgleichung in die Form
Mit dem integrierenden Faktor
wollen wir die Differentialgleichung (20) exakt machen. Somit erfüllt die Bedingung
und wir erhalten
Die Differentialgleichung
ist dann exakt. Wir suchen nun eine Stammfunktion , welche folgende Gleichungen erfüllt:
Hier integrieren wir zunächst die zweite Gleichung und erhalten
mit der unbestimmten Funktion . Mit Hilfe der ersten Gleichung in (22) ermitteln wir
und schließlich
Wir erhalten mit
eine Stammfunktion der Differentialgleichung (21). Die Gesamtheit der Lösungen erhalten wir als Niveaulinien wie folgt
mit einer Konstante . Dabei stellt der erste Summand auf der rechten Seite die allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung
dar, während der zweite Summand eine partikuläre Lösung der inhomogenen Differentialgleichung
angibt.
2. Methode: Variation der Konstanten
Wir betrachten zunächst die homogene Differentialgleichung
die wir in
umformen und gemäß
integrieren. Wir erhalten die allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung (25) wie oben in der Gestalt
Zur Lösung der inhomogenen Gleichung
machen wir den Ansatz der Variation der Konstanten
Wir ermitteln
bzw.
und schließlich
Mit
erhalten wir eine partikuläre Lösung der inhomogenen Differentialgleichung (27). Nun stellt
einen linearen Differentialoperator erster Ordnung dar, d. h.
Die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichung (27) erhalten wir durch Superposition wie folgt
Satz 1 (Einfachverhältnis)
- Sind – mit – drei Lösungen der inhomogenen Differentialgleichung (27), so ist das Einfachverhältnis
- in diesem Sinne konstant.
Beweis
Für die drei Lösungen gilt die Darstellung
Somit folgt
Beispiel 6: Die Bernoullische Differentialgleichung
Wir betrachten nun die Bernoullische Differentialgleichung
Im Falle stellt dies eine inhomogene lineare Differentialgleichung dar, während wir im Falle eine homogene lineare Differentialgleichung erhalten. Ist nun erfüllt, so können wir die Differentialgleichung (31) mittels einer nichtlinearen Transformation auf eine lineare Differentialgleichung zurückführen. Hierzu multiplizieren wir (31) mit der Funktion und erhalten
Wir verwenden nun die Substitution
und erhalten mit
eine lineare Differentialgleichung für . Deren Lösung können wir gemäß Beispiel 5 ermitteln und führen schließlich eine Resubstitution durch.
Beispiel 7: Die Riccatische Differentialgleichung
Zum Abschluss dieses Paragraphen betrachten wir die folgende Differentialgleichung
Diese Riccatische Differentialgleichung reduziert sich für auf eine lineare und für auf eine Bernoullische Differentialgleichung, welche über die Substitution
wiederum auf eine lineare Differentialgleichung führt. Haben wir bereits eine partikuläre Lösung der Riccatischen Differentialgleichung (34) gefunden, so ermitteln wir alle weiteren Lösungen mit dem folgenden Ansatz
Wir berechnen
Somit genügt einer Bernoullischen Differentialgleichung; die Riccatische Differentialgleichung (34) wird also lösbar, sofern wir bereits eine partikuläre kennen.
Satz 2 (Doppelverhältnis)
- Sind – mit – vier paarweise verschiedene Lösungen der Riccatischen Differentialgleichung (34), so ist das Doppelverhältnis
- in diesem Sinne konstant.
Beweis
Wir erhalten mit den Funktionen
drei paarweise verschiedene Lösungen der zugehörigen linearen Differentialgleichung. Satz 1 liefert die gesuchte Identität
q.e.d.