Kurs:Analysis II/Kapitel V: Das Riemannsche Integral im R^n/Integration mittels Testfunktionen (§6)
Definition 1
- Es seien die Dimensionen gewählt und die offene Menge gegeben. Dann wird für eine Funktion ihr Träger oder auch englisch support durch
- erklärt. Hierbei bezeichnet den topologischen Abschluss der Menge im .
Definition 2
- Zum Differenzierbarkeitsgrad erklären wir die Menge der Testfunktionen durch
- Wie üblich vereinbaren wir für reellwertige Funktionen die Klassen
- und
Bemerkungen
1. Auf einer offenen Menge kann jede Funktion zu einer Funktion
der Regularitätsklasse fortgesetzt werden. 2. Sei eine offene Menge mit . Eine Funktion erfüllt nach Hilfssatz 1 aus §5 die Aussage
Es ist nämlich eine abgeschlossene und eine kompakte Menge sowie die Bedingung erfüllt.
Wir wollen jetzt gewisse Glättungsfunktionen konstruieren, welche uns gute Dienste leisten werden. In Hilfssatz 3 von §1 in Kapitel III haben wir gezeigt, dass die Funktion
zur Regularitätsklasse gehört. Zu beliebigem betrachten wir die Funktion
der Regularitätsklasse . Wir beobachten falls und falls gilt, also folgt
Weiter konstruieren wir die Funktion
Diese Funktion ist gemäß für alle symmetrisch, erfüllt für alle sowie sonst und wir erhalten
Schließlich erklären wir zum Mittelpunkt und Radius die kompakte Kugel
Wir bemerken und ermitteln für alle sowie für alle . Damit folgt
Satz 1 (Zerlegung der Eins)
- Es sei eine kompakte Menge und zu jedem Punkt bezeichne eine offene Menge mit . Wir können dann endlich – genauer – viele Punkte auswählen, so dass die Überdeckungseigenschaft gilt. Weiter finden wir Funktionen
- so dass die Funktion die folgenden Eigenschaften hat:
- (a) Wir haben ;
- (b) Für alle gilt ;
- (c) Für alle ist richtig.
Beweis
1.) Da kompakt ist, gibt es ein mit . Zu jedem wählen wir nun eine offene Kugel vom Radius derart, dass
erfüllt ist. Das Mengensystem liefert dann eine offene Überdeckung der kompakten Menge . Nach dem Heine-Borelschen Überdeckungssatz genügen dafür endlich viele offene Mengen, sagen wir
Hierbei haben wir für sowie für gewählt und gesetzt – mit gewissen natürlichen Zahlen sowie . Mit den assoziierten Glättungsfunktionen aus (5) betrachten wir nun die nicht negativen Funktionen
der Regularitätsklasse für bzw. für . Ferner erklären wir die Funktion , wobei in (4) definiert wurde. Offenbar erhalten wir dann die Positivität für alle .
2.) Wir erklären nun die Funktionen vermöge
Dabei gehören die Funktionen und für jeweils der gleichen Regularitätsklasse an. Zusätzlich gilt
Die Eigenschaften (a), (b) und (c) der Funktion liest man direkt von der obigen Konstruktion ab.
Definition 3
- Die Funktionen aus Satz 1 nennen wir eine der offenen Überdeckung von untergeordnete Zerlegung der Eins.
Hilfssatz 1 (Ausschöpfung durch Testfunktionen)
- Für jede offene Menge gibt es eine Folge von Testfunktionen
- die kompakt gleichmäßig in gegen die Funktion konvergiert. Genauer schöpfen die kompakten Mengen
- die offene Menge gemäß aus.
Beweis
Nach Hilfssatz 2 aus §5 gibt es eine Folge von Jordanbereichen für mit . Für jedes gilt gemäßHilfssatz 1 in §5 und wir können folglich geeignete Radien so finden, dass ein offenes Überdeckungssystem von bildet. Wir finden mit Satz 1 eine untergeordnete Zerlegung der Eins und erklären die Funktionen
Diese Funktionenfolge besitzt offenbar die gewünschten Eigenschaften.
q.e.d.
Wir sind nun vorbereitet, den Beweis der Transformationsformel mehrfacher Integrale aus Satz 5 von §5 zu führen und vereinbaren hierzu die
Voraussetzung (T):
Zur fest gewählten Dimension seien eine offene Punktmenge und vermöge
eine injektive Abbildung mit den Eigenschaften und der Jacobischen
Nach dem Fundamentalsatz über die inverse Abbildung (Satz 1 aus §4 in Kapitel IV) ist die Bildmenge
offen. Die Abbildung ist bijektiv und besitzt die Umkehrabbildung .
Wir werden unter der Voraussetzung (T) die folgende Frage beantworten: Man bestimme sinnvolle Klassen von Funktionen , in welcher die Transformationsformel mit dem Transformationsfunktional
gilt.
Wir belassen dem Leser den Beweis der nachfolgenden Aussage als Übungsaufgabe.
Hilfssatz 2
- Unter der Voraussetzung (T) werde die offene Menge durch die Kompakta ausgeschöpft. Dann schöpfen deren kompakte Urbildmengen
- die kompakte Menge aus.
Hilfssatz 3
- Unter der Voraussetzung (T) sind folgende Aussagen äquivalent:
- Für alle Testfunktionen gilt .
- Für jeden Punkt gibt es eine Zahl , so dass die Kugel die Inklusionsbedingung erfüllt und für alle lokalen Testfunktionen die Identität gilt.
Beweis
Da selbstverständlich ist, zeigen wir nur : Für eine beliebige Funktion ist die Menge kompakt und wir betrachten deren offene Überdeckung . Mit Hilfe von Satz 1 konstruieren wir eine dem Mengensystem untergeordnete Zerlegung der Eins von mit den Funktionen
Dann erklären wir die Funktionen vermöge
und die Voraussetzung liefert die Identität für . Wir erhalten dann
q.e.d.
Hilfssatz 4
- Unter der Voraussetzung (T) gilt die Identität
Beweis
1.) Wir zeigen diese Aussage durch vollständige Induktion über die Raumdimension und sichern zunächst den Induktionsanfang . Gemäß Hilfssatz 3 haben wir nur die lokale Aussage zu beweisen. Zum beliebigen Punkt wählen wir mit der Eigenschaft
Dann definieren wir die Urbildpunkte gemäß sowie und ihr zugehöriges Intervall durch
Nun liefert Satz 7 aus §5 in Kapitel II die Identität
für alle Funktionen . Dabei handelt es sich beim 2. – 4. Integral obiger Identität (14) um orientierte eindimensionale Integrale. Schließlich beachten wir, dass die Signumfunktion von konstant ist.
2.) Im Induktionsschritt verwenden wir eine Feldeinbettung und interpretieren das -dimensionale Integral als iteriertes Integral gemäß Satz 12 aus §3. Letzteres ist insbesondere für Testfunktionen möglich.
Es sei der Punkt gewählt. Die -dimensionale Abbildung
erfülle die Voraussetzung (T) und es gelte
Durch eine Drehung um den Punkt können wir erreichen, dass die folgende Bedingung erreicht wird:
Dabei ist der Einheitsvektor wie üblich erklärt. Ohne es zu erwähnen, werden wir in den nachfolgenden Überlegungen den Parameter mehrmals verkleinern. Zunächst definieren wir einen Quader
und ein offenes Intervall . Weiter betrachten wir die Flächenschar
in Abhängigkeit vom Parameter . Wir zerlegen nun die Abbildung gemäß
Mit den Identitäten (15) bis (17) erhalten wir durch Entwicklung nach der letzten Spalte die folgenden Determinanten
3.) Jetzt betrachten wir die Abbildung
mit der Jacobischen . Nach dem Fundamentalsatz über die inverse Abbildung (siehe Satz 1 aus §4 in Kapitel IV) gibt es eine zu inverse Abbildung
mit der Variablen . Die Abbildung (19) stellt also einen -Diffeomorphismus von auf dar, wobei wir hinreichend klein zu wählen haben. Erklären wir die Projektionsbereiche
so liefern (19) und (20) die Identität
Schließlich erklären wir für jedes die Funktion
und beachten
sowie die Identität
4.) Da nach Induktionsvoraussetzung und Hilfssatz 3 die Transformationsformel für ein festes bereits global gilt, ermitteln wir für beliebige Funktionen , mit hinreichend kleinem Radius , die folgende Identität:
Über Hilfssatz 3 erhalten wir die Gültigkeit von für alle im Fall .
q.e.d.
Satz 2
- Sei die Voraussetzung (T) erfüllt und die stetige Funktion besitze das konvergente uneigentliche Integral . Dann gilt die Transformationsformel
Beweis
1.) Sei die Funktion
gegeben. Dann ermitteln wir für die Abschätzung
mit dem Positivteil
und dem Negativteil
Diese nicht negativen, stetigen Funktionen erfüllen die Darstellung
Wenn wir also die Identität (23) einzeln für die Funktionen mit gezeigt haben, so ist diese Identität auch für bewiesen. Deshalb können wir ohne Einschränkung
für unsere weiteren Überlegungen annehmen.
2.) Mit Hilfssatz 1 konstruieren wir eine, die offene Menge ausschöpfende, Funktionenfolge
Dann bildet die Folge
eine ausschöpfende Funktionenfolge der offenen Urbildmenge . Aufgrund der Hilfssätze 1 und 2 erhalten wir folgende Ausschöpfungen durch Kompakta:
Die Anwendung von Hilfssatz 4 auf die Funktion
liefert für die Identitäten
3.) Nach Satz 3 aus §5 gilt
Wenn ein beliebiger Jordanbereich ist, dann gibt es eine natürliche Zahl mit der Eigenschaft
Damit folgt die Abschätzung
Alle Jordan-Bereiche erfüllen (32) und Satz 1 aus §5 ergibt die Existenz des uneigentlichen Integrals
Mit Satz 3 aus §5 ermitteln wir die Identität
Insgesamt erhalten wir durch Grenzübergang in (30) – mit Hilfe der Aussagen (31) und (33) – für alle stetigen Funktionen aus (25) die Behauptung
q.e.d.