Kurs:Analysis II/Kapitel V: Das Riemannsche Integral im R^n/Integration mittels Standardsubstitutionen (§1)

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Definition 1

Eine rationale Funktion R in den reellen Variablen x1,...,xn entsteht durch die algebraischen Operationen Addition, Multiplikation und Division aus den Variablen x1,...,xn. Somit folgt
R(x1,...,xn)=P(x1,...,xn)Q(x1,...,xn)
Dabei sind die Polynome in mehreren Veränderlichen vom Grad M0 durch
P(x1,...,xn)=μ=0Maμ(i=1nxiμi)
mit den Koeffizienten aμ und den Multiindices
μ=(μ1,...,μn)0×...×0
vom Betrag μ:=i=1nμi beziehungsweise vom Grad N0 durch
Q(x1,...,xn)=ν=0Nbν(i=1nxiνi)
mit den Koeffizienten bν und den Multiindices
ν=(ν1,...,νn)0×...×0
vom Betrag ν:=i=1nνi erklärt.

(I) Integrale vom Typ R(ex)dx

Durch die Substitution t=t(x)=ex mit dx=dtt entstehen Integrale der Form

R(ex)dx=R(t)tdt=R~(t)dt

mit der gebrochen rationalen Funktion R~.
Zum Beispiel können wir auf das Integral

ex+e2xe5x+e7xdx=1+tt5+t7dt=t+1t5(ti)(t+1))dt

die Methoden aus §9 in Kapitel III anwenden.

(II) Integrale vom Typ R(coshx,sinhx)dx

Wegen Definition 1 aus §3 in Kapitel III sind diese Integrale bereits in (I) behandelt worden. Als Beispiel betrachten wir

1coshxdx=21ex+exdx=(I)211+t2dt=2arctanex+c mit c.

(III) Integrale vom Typ R(cosx,sinx)dx (Halbwinkelmethode)

Durch die Substitution

(1) z=z(x)=tan(x2) für |x|<π(x=2arctanx und dx=2dz1+z2)

der sogenannten Halbwinkelmethode erhalten wir wegen der Identitäten

(2) cosx=cos(2x2)1=cos2(x2)sin2(x2)cos2(x2)+sin2(x2)=1tan2(x2)1+tan2(x2)=1z21+z2,sinx=sin(2x2)1=2cos(x2)sin(x2)cos2(x2)+sin2(x2)=2tan(x2)1+tan2(x2)=2z1+z2

Integrale der Form

R(cosx,sinx)dx=211+z2R(1z21+z2,2z1+z2)dz=R~(z)dz

mit der gebrochen rationalen Funktion R~.
So betrachten wir als Beispiel

dxsinx=1+z22z2dz1+z2=dzz=ln|tan(x2)|+c mit c.

(IV) Integrale vom Typ R(x,ax2+bx+c)dx mit den Parametern a,b,c

Fall 1 (a=b=0):

Dann stellt R(x,c)dx bereits das Integral einer rationalen Funktion dar.

Fall 2 (a=0 und b,c0):

Die Substitution
(3) w2=bx+c(x=x(w)=w2cb und dx=2bwdw)
führt uns auf den Ausdruck
R(x,ax2+bx+c)dx=R(w2cb,w)2wbdw=R~(w)dw,
also ein Integral mit gebrochen rationalen Integranden R~.

Fall 3 (a,b,c0):

Diese Integrale lassen sich auf Integrale über rationale Funktionen von trigonometrischen Funktionen oder Hyperbelfunktionen zurückführen: Zunächst liefert die quadratische Ergänzung im Radikanden
(4) ax2+bx+c=a(x2+bax+ca)=a[(x+b2a)2b24a2+ca]=a[(x+b2a)2+4acb24a2].

Fall 3a (b2=4ac):

Dann folgt die Identität
ax2+bx+c=±|a|(x2+b2a).
Hier lässt sich die Wurzel im Integranden ziehen und es bleibt das Integral einer rationalen Funktion zu ermitteln.

Fall 3b (b24ac):

Wir setzen dann
D:=12|a||4acb2|
und wählen die Vorzeichenfaktoren E,F{1,+1} so, dass
(5) ax2+bx+c=|a|[E(x+b2a)2+FD2]=|a|D2[E(xD+b2aD)2+F]
erfüllt ist. Durch die Substitution
(6) t=t(x)=xD+b2aD(x=Dtb2a und dx=Ddt)
entstehen Integrale der folgenden Form
R(x,ax2+bx+c)dx=R(Dtb2a,D|a|Et2+F)Ddt.
Somit sind die folgenden Grundintegrale vom Typ
(7) R1(x,1+x2)dx,R2(x,1x2)dx,R3(x,x21)dx
zu berechnen. Die Substitutionen
(8) x=sinht in R1(x,1+x2)dx
bzw.
(9) x=cosht in R3(x,x21)dx
führen uns auf Integrale vom Typ (I). Für die Integrale
R2(x,1x2)dx
liefern sowohl die Substitution x=cost als auch x=sint Integrale vom Typ (III).

(V) Integrale vom Typ R(xr1,xr2,...,xrn)dx mit rk

Wir gehen von den Exponenten

rk=pkq mit pk und q für k=1,2,...,n

aus. Das Integral lässt sich durch die Substitution

(10) t=t(x)=x1q(x=tq und dx=qtq1dt)

rationalisieren, d. h. es gilt

(11) R(xp1q,xp2q,...,xpnq)dx=qR(tp1,tp2,...,tpn)tq1dt=R~(t)dt

mit der gebrochen rationalen Funktion R~.

Bemerkungen zu (IV)

Wir wollen nun geeignete Substitutionen angeben, um die obigen Grundintegrale aus Teil (IV) direkt in gebrochen rationale Integranden umzurechnen: Für R3 können wir das Integral durch die Substitution x=1x auf den zweiten Typ zurückführen, denn es gilt

(12) R3(x,x21)dx=1z2R3(1z,1z1z2)dz=R2(z,1z2)dz.

Zur Rationalisierung von R2 substituieren wir

(13) x=x(w)=1w21+w2

und erhalten

(14) R2(x,1x2)dx=R2(1w21+w2,2w1+w2)4w(1+w2)2dw=R~(w)dw

mit der gebrochen rationalen Funktion R~.
Setzen wir y=x2+1 im Falle des Integranden R1, so folgt

y2x2=(yx)(y+x)=1.

Mit x+y=v erhalten wir xy=1v sowie 2x=v1v. Die Substitution

(15) x=x(v)=12(v1v)

liefert schließlich

(16) R1(x,1+x2)dx=12R1(v1v2,v+1v2)(1+1v2)dv=R~(v)dv

mit der gebrochen rationalen Funktion R~.