Kurs:Analysis I/Kapitel III: Die elementaren Funktionen/§9 Partialbruchzerlegung gebrochen rationaler Funktionen

Aus testwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Definition 1

Sei die gebrochen rationale Funktion
h(z):=g(z)f(z) für z*:={ζ:f(ζ)0}
gegeben: Hierbei tritt im Nenner das nicht konstante Polynom
f(z):=k=0nakzk,z
wie in §8 mit den komplexen Koeffizienten ak für k=0,1,,n sowie an0 vom Gradf=n auf. Im Zähler erscheint das Polynom
g(z):=j=0Nbjzj,z
mit den komplexen Koeffizienten bj für j=0,1,,N. Falls bN0 für N>0 gilt, erhalten wir den Gradg=N. Falls g(z)b0 gilt, setzen wir Gradg=0. Wir sprechen von einer echt gebrochen rationalen Funktion h, falls Gradg<Gradf erfüllt ist.

Wir fixieren nun das Nennerpolynom f und zerlegen es gemäß Satz 2 aus §8 in Linearfaktoren im Komplexen. Nehmen wir dessen Nullstellen aus heraus, so erhalten wir die eventuell mehrfach punktierte komplexe Ebene *:={z1,,zm}. Nun betrachten wir die echt gebrochen rationalen Funktionen

hk(z):=zkf(z),z* für k=0,1,,n1.

Definition 2

Die Funktionen h0=h0(z),,hn1=hn1(z):* heißen linear unabhängig, wenn für alle c0,,cn1 aus der Identität
c0h0(z)++cn1hn1(z)=0 für alle z*
die Beziehung c0==cn1=0 folgt. Dabei ist n beliebig gewählt worden.

Nun spannen die Funktionen h0,,hn1 den n-dimensionalen Vektorraum

(2) 𝕍[f]:={h(z)=k=0n1ckhk(z)=k=0n1ckzkf(z),z*|c0,,cn1}

auf. Zum festen Nennerpolynom f enthält die Menge 𝕍[f] gerade alle echt gebrochen rationalen Funktionen gemäß Definition 1.

Satz 1 (Partialbruchzerlegung)

Die echt gebrochen rationale Funktion h aus Definition 1, dessen Nennerpolynom f gemäß Satz 2 aus §8 in Linearfaktoren zerlegt sei, lässt sich in der Form
(3) h(z)=l1=1k1c1(l1)(zz1)l1++lm=1kmcm(lm)(zzm)lm,z*
darstellen – mit den komplexen Koeffizienten cj(lj) für lj{1,2,,kj} und 1jm. Die Koeffizienten cj(lj) sind durch h eindeutig bestimmt.

Beweis

Wir betrachten die k1++km=n echt gebrochen rationalen Funktionen

(4) hj(lj)(z):=1(zzj)(lj),z* für lj{1,2,,kj} und 1jm.

Die sind im Sinne von Definition 2 linear unabhängig: Seien nämlich die Zahlen cj(lj) für lj{1,2,,kj} und 1jm mit der Identität

(5) 0=l1=1k1c1(l1)(zz1)l1++lm=1kmcm(lm)(zzm)lm,z*

gegeben. Dann multiplizieren wir diese Identität mit dem Faktor (zzj)kj, setzen nun z=zj in diese Gleichung ein und wir erhalten

(6) 0=cj(kj) für j=1,,m.

Insofern kj>0 richtig ist, verfahren wir entsprechend mit dem nächst niedrigeren Koeffizienten und erhalten cj(kj1)=0. Nach endlich vielen Schritten ergibt sich

(7) cj(lj) für lj{1,2,,kj} und 1jm.

Somit ist das Funktionensystem (4) linear unabhängig. Durch Erweitern mit den komplementären Linearfaktoren des Nennerpolynoms sehen wir ferner die Inklusion

(8) hj(lj)(z)𝕍[f] für lj{1,2,,kj} und 1jm

ein. Folglich liefern diese Funktionen eine Basis des n-dimensionalen Vektorraums 𝕍[f] und die Aussage des Satzes ist gezeigt.

q.e.d.

Satz 2 (Reelle Partialbruchzerlegung)

Die reelle echt gebrochen rationale Funktion h aus Definition 1, dessen Nennerpolynom f gemäß Satz 3 aus §8 in Linearfaktoren zerlegt sei, lässt sich für alle x{x1,,xm} in folgender Form darstellen:
(9) h(z)=l1=1k1a1(l1)(xx1)l1++lm=1kmam(lm)(xxm)lm
+2lm+1=1km+1cm+1(lm+1)(xzm+1)lm+1++2lm+μ=1km+μcm+μ(lm+μ)(xzm+μ)lm+μ.
Dabei sind sowohl die reellen koeffizienten
aj(lj) für lj{1,2,,kj} und 1jm
als auch die komplexen koeffizienten
cj(lj) für lj{1,2,,kj} und m+1jm+μ
durch h eindeutig bestimmt.

Beweis

Das Nennerpolynom f besitzt gemäß Satz 3 aus §8 die paarweise verschiedenen Nullstellen x1,,xm;zm+1,,zm+μ;zm+1,,zm+μ der Vielfachheiten k1,,km;km+1,,km+μ;km+1,,km+μ. Stellen wir nun die reelle echt gebrochen rationale Funktion h mit Hilfe von Satz 1 dar, so erhalten wir zunächst Terme der Form

c(xxj)lj

zu den reellen Nullstellen. Die Konstante c muss dabei reell sein, da die Funktion h reell ist. Jedem Term

c+(xzj)lj

zur Nullstelle in der oberen komplexen Halbebene korrespondiert ein Term

c(xzj)lj

zur Nullstelle in der unteren komplexen Halbebene. Damit die Summe beider Terme reell wird, müssen die komplexen Konstanten c,c+ die Bedingung c=c+ erfüllen. Somit erhalten wir die im Satz angegebenen Summanden.

q.e.d.

Bemerkung

Für eine beliebige gebrochen rationale Funktion H – mit den Polynomen G,F – ist es zweckmäßig, sie zunächst gemäß

(10) H(z)=G(z)F(z)=h(z)+g(z)f(z) mit Gradg<Gradf

und den polynomen f,g,h zu verlegen. Nach Ausführung dieses Euklidischen Algorithmus wenden wir das o. a. Verfahren auf die echt gebrochen rationale Funktion gf an. Dann können wir alle beteiligten Summanden integrieren.