Kurs:Analysis I/Kapitel III: Die elementaren Funktionen/§7 Die allgemeinen Potenzfunktionen

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Definition 1

Zur Potenz γ=α+iβ betrachten wir die universelle Potenzfunktion Fγ:𝕌𝕌 vermöge
(1) Fγ(𝐰):=Exp(γLog𝐰),𝐰=(w,k)𝕌.

Satz 1 (Universelles Potenzgesetz)

Für je zwei potenzen γj=αj+iβj mit j=1,2 erfüllen die Potenzfunktionen Fγj die identität
Fγ1(𝐰)*Fγ2(𝐰)=Fγ1+γ2(𝐰),𝐰𝕌.

Beweis

Wir berechnen

Fγ1+γ2(𝐰)=Exp((γ1+γ2)Log𝐰)
=Exp(γ1Log𝐰)*Exp(γ2Log𝐰)=Fγ1(𝐰)*Fγ2(𝐰),𝐰𝕌.

q.e.d.

Definition 2

Zur Potenz γ=α+iβ betrachten wir die allgemeine Potenzfunktion fγ:𝕌{0} vermöge
(3) fγ(𝐰):=exp(γLog𝐰)=:𝐰γ,𝐰=(w,k)𝕌.

Zur Differentiation dieser Funktion verwenden wir Satz 2 aus §6 mit den dortigen Bezeichnungen: In einem beliebigen Punkt 𝐰0=(w0,k0)𝕌 betrachten wir die Liftung

τ𝐰0:K(w0)𝕂(𝐰0)

auf die maximale Kreisscheibe in der Überlagerungsfläche. Die assoziierte Funktion

(4) f(w):=exp(γLogτ𝐰0(w)),wKw0

ist holomorph und ihre komplexe ableitung lautet:

(5) f(w):=exp(γLogτ𝐰0(w))γ(Logτ𝐰0)(w)
=γexp(γLogτ𝐰0(w))1w
=γexp(γLogτ𝐰0(w))(Logτ𝐰0(w))
=γexp((γ1)Logτ𝐰0(w))
=γ𝐰γ1|𝐰=τ𝐰0(w),wK(w0)

Satz 2

Für alle γ ist die allgemeine Potenzfunktion fγ:𝕌{0} auf der universellen Überlagerungsfläche holomorph. Im oben präzisierten Sinne – siehe (4) und (5) – gilt die Differentiationsregel
dd𝐰𝐰γ=γ𝐰γ1,𝐰𝕌.

Satz 3

Sei die komplexe Zahl w0 und die natürliche Zahl n gegeben. Die gesamtheit der komplexen stammfunktionen der folgenden gebrochen rationalen funktion lautet
(6) 1(ww0)n+1dw=1n(ww0)n+c für alle w{w0}
mit der komplexen Integrationskonstante c.

Definition 3

Zur Potenz γ=α+iβ betrachten wir die allgemeine komplexe Potenzfunktion
fγ:{0}
vermöge
(7) fγ(w):=exp(γlogw)=:wγ,w.

Satz 4 (Binomialreihe)

Mit dem Exponenten γ=α+iβ gilt für die Funktion
f(w):=(1+w)γ,wB
auf der Einheitskreisscheibe B:={w:|w|<1} die folgende Darstellung
(8) f(w)=k=0(γk)wk,wB
durch die konvergente Binomialreihe. Dabei haben wir die verallgemeinerten Binomialkoeffizienten wie folgt erklärt:
(9) (γk):=γ(γ1)(γk+1)k! für k und (γ0):=1.

Beweis

1. Zunächst genügt die Funktion f dem folgenden Anfangswertproblem:

(10) f=f(w):B{0} holomorph, f(w)=γ1+wf(w),wB und f(0)=1.

Haben wir nun zwei Lösungen fj von (10) mit j=1,2 gegeben, so erfüllt deren Quotient

F(w):=f1(w)f2(w),wB

das folgende Anfangswertproblem:

(11) F(w)=f1(w)f2(w)f1(w)f2(w)(f2(w))2
=γf1(w)f2(w)f1(w)f2(w)(1+w)(f2(w))2=0 für alle wB und F(0)=1.

Somit ist F(w)1,wB bzw. f1(w)f2(w),wB richtig. Folglich ist das Anfangswertproblem (10) eindeutig bestimmt.

2. Wir zeigen nun, dass die Binomialreihe in B konvergiert:

(12) |(γk+1)wk+1||(γk)wk|=|w||γ||γ1||γk|k!|γ||γ1||γk+1|(k+1)!
=|w||γk||k+1|=|w||1γk||1+1k| für k=1,2,.

Wir sehen

limk|(γk+1)wk+1||(γk)wk|=|w|[0,+1)

für alle wB ein. Das Quotientenkriterium liefert sofort die Konvergenz der Binomialreihe in B.

3. Schließlich genügt

g(w)=k=0(γk)wk,wB

dem anfangswertproblem (10): Offenbar ist g(0)=1 erfüllt. Dann differenzieren wir gemäß Satz 15 aus §3 in Kapitel II gliedweise die binomialreihe und erhalten

(13) (1+w)g(w)=(1+w)k=1k(γk)wk1
=γ[k=1(γ1k1)wk1+k=1(γ1k1)wk]
=γ[l=0(γ1l)wl+l=1(γ1l1)wl]
=γ[1+l=1((γ1l)+(γ1l1))wl]
=γ[1+l=1(γl)wl]=γ[l=0(γl)wl]=γg(w),wB

Hierbei haben wir das vom Binomialsatz bekannte Additionstheorem für die Binomialkoeffizienten

(γ1l)+(γ1l1)=(γl)

verwandt, welches auch für die verallgemeinerten Binomialkoeffizienten gilt. Da das Anfangswertproblem (10) eindeutig lösbar ist, stimmt die funktion f(w)=(1+w)γ in B mit der Binomialreihe überein.

q.e.d.

Satz 5

Sei die komplexe Zahl w0=u0+iv0 mit v0>0 in der oberen Halbebene und die natürliche Zahl n gegeben sowie γ=α+iβ. Die Gesamtheit der reellen Stammfunktionen folgender echt gebrochen rationaler Funktionen lautet:
(15) Re((α+iβ)((uu0)+iv0)n+1)(u22u0u+|w0|2)n+1du=Reγ(uw0)n+1du
=Re(γn(uw0)n)+c=Re((α+iβ)((uu0)+iv0)n)n(u22u0u+|w0|2)n+c
für alle u, mit der reellen Integrationskonstante c.
Während im Zähler reelle Polynome vom Grad höchstens n+1 und n auf der linken bzw. rechten Seite auftreten, finden wir im Nenner Potenzen eines quadratischen Polynoms, welches keine Nullstellen in besitzt.

Beweis

Wir berechnen

Re((α+iβ)((uu0)+iv0)n+1)(u22u0u+|w0|2)n+1du
=Reγ(uw0)n+1(uw0)n+1(uw0)n+1du
=Reγ(uw0)n+1du=Re(γn(uw0)n)+c
==Re((α+iβ)((uu0)+iv0)n)n(u22u0u+|w0|2)n+c

mit der reellen Integrationskonstante c.

Bemerkungen

Den Fall n=0 haben wir bereits in Satz 7 und der anschließenden Bemerkung aus §6 gesondert behandelt. Speziell im Fall n=1 erhalten wir aus obigem Satz die Integrationsregel

(17) α(uu0)2αv022β(uu0)v0(u22u0u+|w0|2)2du=α(uu0)+βv0(u22u0u+|w0|2)+c.

Es ist mühsam, solche gebrochen rationale Funktionen im Reellen zu integrieren.

Definition 4

Zur Potenz α betrachten wir die allgemeine reelle Potenzfunktion
fα:{0}
vermöge
(18) fα(u):=exp(αln|u|)=:uα,u{0}.

Satz 6

Sei die komplexe Zahl u0 und die natürliche Zahl n gegeben. Die Gesamtheit der reellen Stammfunktionen der folgenden echt gebrochen rationalen Funktionen lautet:
(19) 1(uu0)n+1du=1n(uu0)n+c für alle u{u0}
mit der reellen integrationskonstante c.

Satz 7

Für alle x1,,xn0 und λ1,,λn0 mit k=1nλk=1 (n=2,3,) gilt
(20) k=1nxkλkk=1nλkxk.

Beweis

Gemäß §6 in Kapitel II ist eine konkave Funktion ein Element der Menge

K(a,b):={f:(a,b)|fC2(a,b) und f(x)0 fu¨r alle x(a,b)}.

Analog zu Satz 3 aus §6 in Kapitel II gilt für konkave Funktionen unter obigen Voraussetzungen die Jensensche Ungleichung

f(k=1nλkxk)k=1nλkf(xk).

Betrachten wir nun die konkave Funktion f(x)=lnx:(0,+) mit der zweiten Ableitung

f(x)=1x2<0 für alle x(0,+),

so erhalten wir die Ungleichung

ln(k=1nλkxk)k=1nλklnxk.

Bilden wir nun die Potenz zur Basis e, so erhalten wir wegen der Monotonie der reellen Exponentialfunktion die Ungleichung (20), nämlich

k=1nλkxkexp(k=1nλklnxk)=exp(k=1nxkλk)
=exp(ln(k=1nxkλk))=k=1nxkλk,

wobei x1,,xn>0 und λ1,,λn>0 erfüllt ist. Aus Stetigkeitsgründen bleibt (20) auch für alle x1,,xn0 und λ1,,λn0 richtig.

q.e.d.

Folgerung 1

Für n mit n2 erklären wir die Koeffizienten λk:=1n mit 1kn und wir erhalten die Ungleichung

k=1nxk1nk=1nxkn

bzw.

(21) mG:=x1x2xnn1n(x1+x2++xn)=:mA

für alle rellen Zahlen xk0 mit 1kn. Dieses besagt, dass das geometrische Mittel mG kleiner oder gleich dem arithmetischen Mittel mA ist.

Folgerung 2

Wir setzen nun xk:=akpk und λk:=pk1 für k=1,2,,n in Satz 7 ein, wobei ak0 und pk>1 sowie k=1npk1=1 gelten. Wegen xkλk=ak erhalten wir die Ungleichung

k=1nakk=1nakpkpk.

Folgerung 3

Im Falle n=2 mit a1:=a0, a2:=b0 und p1:=p>1, p2:=q>1 sowie 1p+1q=1 ergibt sich die Youngsche Ungleichung

(22) abapp+bqq.

Satz 8 (Höldersche Ungleichung im n)

Es seien ak,bk – für k=1,2,,n – gegeben. Wenn die Exponenten p,q(1,+) die Bedingung 1p+1q=1 erfüllen, dann folgt
(23) |k=1nakbk|k=1n|ak||bk|(k=1n|ak|p)1p(k=1n|bk|q)1q.

Beweis

Wir brauchen nur die rechte Ungleichung in (23) zu beweisen. Wenn k=1n|ak|p=0 erfüllt ist, so muss a1=a2==an=0 gelten und in (23) tritt Gleichheit ein. Also können wir ohne Einschränkung k=1n|ak|p>0 und k=1n|bk|q>0 annehmen. Dann betrachten wir die normierten Größen

αk:=|ak|(i=1n|ai|p)1p und βk:=|bk|(i=1n|bi|q)1q,

welche offenbar die Bedingung

k=1nαkp=1=k=1nβkq

erfüllen. Nach der Youngschen Ungleichung (22) gilt

αkβkαkpp+βkqq für k=1,2,,n.

Summation über k liefert die ungleichung

(24) k=1nαkβk1pk=1nαkp+1qk=1nβkq=1p+1q=1

wegen der Normierungsbedingungen. Diese Ungleichung (24) impliziert offenbar die rechte ungleichung in (23).

q.e.d.