Kurs:Analysis III/Kapitel II: Grundlagen der Funktionalanalysis/§3 Messbare Mengen

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Definition 1

Eine Teilmenge AX nennen wir endlich messbar (oder auch integrierbar), falls ihre charakteristische Funktion χAL(X) erfüllt. Wir nennen
μ(A):=I(χA)
das Maß der Menge A bezüglich des Integrals I. Die Menge aller messbaren Mengen in X bezeichnen wir mit 𝒮(X).

Hilfssatz 1 (σ-Additivität des Maßes)

Sei {Ai}i=1,2,...𝒮(X) eine Folge paarweise disjunkter Mengen. Dann gehört auch die Menge
A:=i=1Ai
zu 𝒮(X) und es gilt
μ(A)=i=1μ(Ai).

Satz 1 (Stetige Kombination beschränkter L-Funktionen)

Seien fk(x)L(X),k=1,,κ endlich viele beschränkte Funktionen, d. h. es gibt eine Konstante c(0,+), so dass die Abschätzung
|fk(x)|c für alle xX und alle k{1,,κ}
gilt. Weiter sei Φ=Φ(y1,,yκ):κC0(κ,) gegeben. Dann gehört die Funktion
g(x):=Φ(f1(x),,fκ(x)),xX
zur Klasse L(X) und ist beschränkt.

Beweis

1. Sei f:XL(X) eine beschränkte Funktion. Wir zeigen zunächst, dass dann auch f2L(X) gilt. Wegen f2(x)={f(x)λ}2+2λf(x)λ2 folgt

f2(x)2λf(x)λ2 für alle λ

und die Gleichheit gilt nur für λ=f(x). Wir können dafür

f2(x)=supλ(2λf(x)λ2)

schreiben. Da die Funktion λ(2λf(x)λ2) für jedes feste xX stetig bezüglich λ ist, genügt es, das Supremum über die rationalen Zahlen zu bilden. Weiter gilt ={λl}l=1,2, und es folgt

f2(x)=supl(2λlf(x)λl2)=limm(max1lm(2λlf(x)λl2)).

Mit

φm(x):=max1lm(2λlf(x)λl2)

erhalten wir

f2(x)=limmφm(x)=limmφm+(x),

wobei die letzte Gleichheit aus der Positivität von f2(x) folgt. Da fL(X), sind wegen der Linearität und der Abgeschlossenheit bezüglich der Maximumsbildung von L(X) auch die φm und somit auch die φm+ aus L(X). Weiter gilt für alle xX und alle m die Abschätzung

0φm+(x)f2(x)c

mit einer Konstante c(0,+). Da wegen f0(x)1L(X) auch fc(x)cL(X) gilt, haben die Funktionen φm+ eine integrable Majorante und der Lebesguesche Konvergenzsatz liefert

f2(x)=limmφm+(x)L(X).

2. Sind f,gL(X) beschränkte Funktionen, so ist auch fg eine beschränkte Funktion. Wegen Teil 1 sowie

fg=14(f+g)214(fg)2

gilt dann auch fgL(X).

3. Auf dem Quader

Q:={y=(y1,,yκ)κ:|yk|c,k=1,,κ}

können wir die stetige Funktion Φ gleichmäßig durch Polynome

Φl=Φl(y1,,yκ),l=1,2,

approximieren. Wegen Teil 2 sich die Funktionen

gl(x):=Φl(f1(x),,fκ(x)),xX

beschränkt und aus der Klasse L(X). Es gilt

|gl(x)|C für alle xX und alle l

mit einer festen Konstante C(0,+). Da die Funktion φ(x)CL(X) ist, liefert der Lebesguesche Konvergenzsatz

g(x):=Φ(f1(x),,fκ(x))=limlgl(x)L(X).

q.e.d.

Hilfssatz 2 (σ-Subadditivität)

Sei {Ai}i=1,2,...𝒮(X) eine Folge von Mengen. Dann gehört auch die Menge
A:=i=1Ai
zu 𝒮(X) und es gilt
μ(A)i=1μ(Ai)[0,+].

Definition 2

Ein System 𝒜 von Teilmengen einer Menge X heißt σ-Algebra, wenn:
  1. X𝒜.
  2. Mit B𝒜 ist auch Bc=(XB)𝒜.
  3. Für jede Folge von Mengen {Bi}i=1,2, aus 𝒜 liegt auch i=1Bi in 𝒜.

Definition 3

Eine Funktion μ:𝒜[0,+] auf einer σ-Algebra 𝒜 heißt Maß, wenn
  1. μ()=0
  2. μ(i=1Bi)=i=1μ(Bi) für paarweise disjunkte Mengen {Bi}i=1,2,𝒜
gilt. Wir nennen das Maß endlich, falls μ(X)<+ gilt.

Definition 4

Eine Menge AX heißt Nullmenge, falls A𝒮(X) und μ(A)=0 gelten.

Definition 5

Eine Eigenschaft gilt fast überall in X (in Zeichen: f. ü.), wenn es eine Nullmenge NX gibt, so dass diese Eigenschaft für alle xXN richtig ist.

Satz 2 (f. ü.-Endlichkeit von L-Funktionen)

Sei die Funktion fL(X) gegeben. Dann ist die Menge
N:={xX:|f(x)|=+}
eine Nullmenge.

Beweis

Sei fL(X). Dann ist auch |f|L(X) und es gibt eine Funktion hV(X) mit 0|f(x)|h(x) in X und mit I(h)<+. Weiter ist h(x)=+ in N und damit ist N eine Nullmenge.

q.e.d.

Satz 3 (Allgemeiner Konvergenzsatz von B. Levi)

Sei {fk}k=1,2,L(X) eine Folge mit fkf f. ü. in X. Weiter gelte I(fk)c für alle k und eine Konstante c. Dann folgen fL(X) und
limkI(fk)=I(f).

Beweis

Wir betrachten die Nullmengen

Nk:={xX:|fk(x)|=+} für k

sowie

N0:={xX:fk(x)f(x) ist nicht erfu¨llt}.

Sei die Nullmenge

N:=k=0Nk

erklärt, so ändern wir f,fk auf N zu 0 ab und erhalten Funktionen f~kL(X) mit

I(f~k)=I(fk)c für alle k

und f~ mit f~kf~. Nach Satz 2 aus §2 ist dann f~L(X) und es gilt

limkI(f~k)=I(f~).

Es folgt nun fL(X) und

I(f)=I(f~)=limkI(f~k)=limkI(fk).

Satz 4 (Allgemeiner Konvergenzsatz von Fatou)

Sei {fk}k=1,2,L(X) eine Funktionenfolge mit fk(x)0 f. ü. in X für alle k und es gelte
lim infkI(fk)<+.
Dann gehört auch die Funktion
g(x):=lim infkfk(x)
zu L(X) und es gilt
I(g)lim infkI(fk).

Satz 5 (Allgemeiner Konvergenzsatz von Lebesgue)

Sei {fk}k=1,2,L(X) eine Folge mit fkf f. ü. auf X und |fk(x)|F(x) f. ü. in X für alle k, wobei FL(X) gilt. Dann folgt fL(X) und es gilt
limkI(fk)=I(f).