Kurs:Mathematik fuer Anwender/Konvergenz von Folgen und Reihen

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Konvergenz von Folgen und Reihen

In diesem Kapitel behandeln wir Folgen und Reihen. Als Folge wird in der Mathematik im Allgemeinen die Auflistung von (un)endlich vielen fortlaufend nummerierten Objekten bezeichnet. In den Umweltwissenschaften kommen Folgen eine große Bedeutung zu. Beispielsweise können monatliche Niederschlagsmengen in Form einer Folge (Tupel) dargestellt werden, etwa in der Form (28,20,14,89,66,45,12,7,9,19,38,29), mit der Bedeutung, dass das erste Folgenglied a1=28 die Niederschlagsmenge im Januar repräsentiert und das Folgenglied a2=20 die Niederschlagsmenge im Februar.
Unter einer Reihe im mathematischen Sinn versteht man im Allgemeinen die Summe bestimmter Glieder einer Folge. Im Folgenden wollen wir uns näher mit Folgen und Reihen beschäftigen.

Definition: Reelle Folgen

Es sei f: mit f(n)=an eine Abbildung.

Dann heißt die Abfolge der Bilder f(0)=:a0,f(1)=:a1,f(2)=:a2,f(3)=:a3,, die wir als unendlich langes Tupel (an)n=(a0,a1,a2,a3,) schreiben, eine Folge in bzw. eine reelle Folge.

Beispiel: Reelle Folgen

  1. Sei f: mit f(n)=n!. Dann ist (0!,1!,2!,3!,4!)=(1,1,2,6,24,) eine reelle Folge.
  2. Man kann eine Folge auch rekursiv definieren: Z. B. definieren wir a0:=0, a1:=1 und für alle n mit n1 dann an+1:=an+an1. Diese reelle Folge (an)n=(0,1,1,2,3,5,8,13,21,34,55,) heißt Fibonacci-Folge.
  3. (an)n>0 mit an=1n, also (1,12,13,14,15,) ist eine reelle Folge.
  4. (1,1,1,1,1,1,1,1,1,) ist eine sogenannte konstante Folge.

Bemerkung: Komplexe Folgen

Man kann Folgen auch allgemeiner definieren: Sei beispielsweise f: mit f(n)=an eine Abbildung. Dann ist (an)n=(a0,a1,a2,a3,) eine komplexe Folge (d. h. eine Folge in ). Alle Folgenglieder ai sind hier Elemente aus . Ein Beispiel ist die Folge (an)n mit an=(1+2i)n.

Bemerkung: Folgen in m

Weiter kann man Folgen in m für m>1 definieren. So ist zum Beispiel ((1n17))n>0=((117),(1217),(1317),) eine Folge in 2.

Da wir solche Folgen in der Vorlesung nicht wirklich besprechen werden, sind für die Klausur nur reelle Folgen relevant.

Bemerkung: Abstand zwischen Folgengliedern

Wir interessieren uns nun dafür, ob eine vorgegebene Folge, wenn wir die Folgenglieder immer weiter verfolgen, sich irgendwann an einen festen Wert “annähert” und ob alle weiteren Folgenglieder sich nicht mehr oder fast nicht mehr von diesem festen Wert unterscheiden. Um diese Annäherung mathematisch präzise fassen zu können, brauchen wir einen Abstandsbegriff. Hierzu definieren wir den Absolutbetrag.

Definition: Absolutbetrag

Der (Absolut-)Betrag ist definiert durch: ||:0 mit |x|={x falls x0,x falls x<0.

Beispiel: Absolutbetrag

Durch den Absolutbetrag können wir den Abstand zwischen je zwei reellen a,b durch |ab| angeben. So ist beispielsweise der Abstand zwischen den reellen Zahlen 100 und 5 dann |1005|=|105|=105.

Satz: Rechenregeln für den Absolutbetrag

Für das Rechnen mit Beträgen sind folgende Rechenregeln hilfreich:

  1. x: |x|=0x=0 (Definitheit),

Verbal: Eine reelle Zahl ist genau dann gleich 0, wenn ihr Betrag gleich 0 ist.

  1. x,y: |xy|=|x||y| (Homogenität),

Verbal: Der Betrag eines Produkts reeller Zahlen ist das Produkt der Beträge dieser Zahlen.

  1. x,y: |x+y||x|+|y| (Dreiecksungleichung),

Verbal: Der Betrag der Summe zweier reeller Zahlen ist kleiner oder gleich der Summe der Beträge dieser Zahlen.


Nun können wir formal sauber die Konvergenz einer reellen Folge definieren:

Definition: Konvergenz einer Folge

Es sei (an)n eine Folge in . Gibt es ein Element a, für das gilt ε>0:n0:n mit nn0:|ana|<ε, so heißt die Folge (an)n konvergent gegen den Grenzwert a.

Wir schreiben lim\limits nan=a.

Anderenfalls nennen wir die Folge divergent.

Bemerkung: Norm

Wir hatten oben auch eine Verallgemeinerung von reellen Folgen definiert, nämlich komplexwertige Folgen oder Folgen in m für m>1. Analog zur obigen Definition kann man auch für diese Folgen eine Konvergenz definieren. Hierzu benötigt man aber auch eine Verallgemeinerung des Absolutbetrags. Eine solche Verallgemeinerung nennt man eine Norm oder Normfunktion. Mit diesen wollen wir uns an dieser Stelle aber nicht auseinandersetzen.

Konvergenz zusammengesetzter Folgen

Wissen wir von zwei Folgen in , dass sie konvergent sind, so können wir Aussagen über die Konvergenz von Folgen machen, die wir geeignet aus diesen beiden Folgen bauen können:

Lemma: Linearität

Es seien (ak)k und (bk)k konvergente Folgen in und es seien α,β. Dann gilt:
Die Folge (αak+βbk)k ist konvergent und es gilt lim\limits k(αak+βbk)=αlim\limits kak+βlim\limits kbk.

Bemerkung: Konvergenz von Folgen

Implizit verwenden wir in diesem Lemma auch, dass wir, genau wie bei Vektoren, Folgen addieren und mit Skalaren multiplizieren dürfen und das Ergebnis wieder eine Folge ist. Jetzt wissen wir aber immer noch nicht, wie wir einfach entscheiden können, ob und wogegen eine gegebene Folge konvergiert, wenn wir dies nicht anhand der Definition der Konvergenz nachprüfen wollen. Um hierfür geeignete Kriterien anzugeben, benötigen wir einige weitere Begriffe:

Definition: Nullfolge, Monotonie, Grenzwert

  • Wir nennen eine reelle Folge (ak)k mit lim\limits kak=0 eine Nullfolge.

  • Eine reelle Folge (ak)k heißt

      • monoton wachsend  k:akak+1;
      • monoton fallend  k:akak+1;
      • nach oben beschränkt  C:k:akC;
      • nach unten beschränkt  C:k:akC;
      • beschränkt  C:k:|ak|C;

  • Ist (ak)k eine reelle Folge, für die gilt: C>0:n:kn:ak>C, so schreiben wir lim\limits kak=.

  • Ist (ak)k eine reelle Folge, für die gilt: C<0:n:kn:ak<C, so schreiben wir lim\limits kak=.

Anmerkung zur Definition: Nullfolge, Monotonie, Grenzwert

Die letzen beiden Punkte der Definition waren notwendig, da und keine reellen Zahlen sind. Damit ist die Definition der Konvergenz in den obigen beiden Fällen nicht anwendbar, da wir in den Grenzwert einer (reellen) Folge als eine reelle Zahl definiert hatten.

Der folgende Satz liefert ein sehr gutes (hinreichendes) Kriterium für die Konvergenz reeller Folgen:

Satz: Konvergenz, Monotonie und Beschränktheit

  1. Jede reelle Folge, die monoton wachsend und nach oben beschränkt ist, ist konvergent.
  2. Jede reelle Folge, die monoton fallend und nach unten beschränkt ist, ist konvergent.
  3. Jede konvergente, reelle Folge ist beschränkt. (Die Umkehrung gilt im Allg. nicht!)

Beispiel: Konvergenz, Monotonie und Beschränktheit

  • lim\limits n1n=0, also ist (an)n>0 mit an=1n eine Nullfolge (Nachweis mit Hilfe der Definition [Konvergenz] an der Tafel). Dass die Folge gegen eine reelle Zahl konvergiert, sieht man auch daran, dass sie monoton fallend und nach unten (z. B. durch 0) beschränkt ist.
  • (an)n>0 mit an=(1+1n)n ist monoton wachsend und z. B. durch 3 nach oben beschränkt (das rechnen wir nicht nach, das ist auch gar nicht so einfach). Damit konvergiert diese Folge gegen eine (uns unbekannte) reelle Zahl. Wir definieren lim\limits n(1+1n)n=:e (e ist die sog. Eulersche Zahl).

Hier sieht man den Nachteil des obigen Satzes: Er liefert zwar die Aussage, dass die Folge konvergiert, aber sagt uns nicht gegen welche reelle Zahl.

  • (an)n mit an:=n konvergiert nicht in , es ist lim\limits nan=.
  • (an)n mit an:=(1)n besitzt keinen Grenzwert,

diese sog. alternierende Folge “hüpft” abwechselnd zwischen 1 und 1 hin und her.
Sie ist weder monoton wachsend noch fallend, aber sie ist nach unten durch 1 und nach oben durch 1 beschränkt.

Lemma: Rechenregeln

Es seien (an)n und (bn)n konvergente reelle Folgen und es seien α,β. Dann gelten:

  • lim\limits n(αan+βbn)=αlim\limits nan+βlim\limits nbn (steht schon in Lemma [linfolg]).
  • lim\limits n(anbn)=lim\limits nanlim\limits nbn.
  • Gelten zusätzlich n:bn0 und lim\limits nbn0, so ist lim\limits nanbn=lim\limits nanlim\limits nbn.
  • Gilt zusätzlich n:an0 und ist m{0}, so ist lim\limits nanm=lim\limits nanm.
  • Gibt es ein k, sodass für alle nk gilt: anbn. Dann ist lim\limits nanlim\limits nbn.
  • (Quetschlemma) Sei lim\limits nan=lim\limits nbn und sei (cn)n eine weitere reelle Folge, für die es ein k gibt, sodass für alle nk gilt: ancnbn. Dann ist (cn)n konvergent mit lim\limits nan=lim\limits ncn=lim\limits nbn.

Beispiel: Rechenregeln

  • Es gilt für jedes k>0: 3k2+12k2+2k+4=k2(3+1k2)k2(2+2k+4k2)=3+1k22+2k+4k2 und folglich lim\limits k3+1k22+2k+4k2=lim\limits k3+1k2lim\limits k2+2k+4k2=lim\limits k3+lim\limits k1k2lim\limits k2+lim\limits k2k+lim\limits k4k2=32.
  • Es gilt für jedes n: n+38n+43=1+31n8+41n3 und n+38n+40. Dann ist auch lim\limits nn+38n+43=lim\limits n1+31n8+41n3=lim\limits n1+31n8+41n3=183=12.

Definition: Reihen

Es sei (ak)k eine reelle Folge. Die Summe sn:=k=0nak=a0+a1++an heißt n-te Partialsumme. Die Folge (sn)n=(k=0nak)n heißt Reihe. Genau dann, wenn die Folge der Partialssummen (sn)n konvergiert, nennen wir die Reihe konvergent. Wir schreiben dann für den Grenzwert lim\limits n(k=0nak)=k=0ak. Nicht konvergente Reihen heißen divergent.

Bemerkung: Reihen

Reihen sind also besondere Folgen und damit gelten auch alle Resultate für Folgen, die wir bisher bewiesen (oder vielmehr behauptet und geglaubt) haben. Aber da Reihen besondere Folgen sind, gelten für sie auch besondere Resultate. Insbesondere gibt es einige nützliche Kriterien, um zu entscheiden, ob eine Reihe konvergiert.

Lemma: Konvergenzkriterien für Reihen

  1. Ist die Reihe (k=0nak)n konvergent, so ist die Folge (ak)k eine Nullfolge.

Vorsicht! Die Umkehrung ist im Allg. falsch! Siehe z. B. die erste Reihe in [Beispreihe]

  1. Es gelten auch für Reihen die Regeln aus Lemma [rechfolg].
  2. (Majorantenkriterium) Seien (ak)k und (bk)k zwei Folgen mit |ak|bk für alle k und sei die Reihe (k=0nbk)n konvergent, so ist auch (k=0nak)n konvergent.
  3. (Quotientenkriterium) Ist lim\limits k|ak+1ak|<1, so ist die Reihe (k=0nak)n konvergent.

Ist lim\limits k|ak+1ak|>1, so ist die Reihe (k=0nak)n divergent.

  1. (Wurzelkriterium) Ist lim\limits k|ak|k<1, so ist die Reihe (k=0nak)n konvergent.

Ist lim\limits k|ak|k>1, so ist die Reihe (k=0nak)n divergent.

  1. (Leibnizkriterium) Ist (ak)k eine monoton fallende Nullfolge, so ist die alternierende Reihe (k=0n(1)kak)n konvergent.

Beispiele: Konvergenz von Reihen

  • Die Reihe (k=1n1k)n>0 divergiert, es ist k=11k=, obwohl (1k)k>0 eine Nullfolge ist. Diese Reihe heißt harmonische Reihe.
  • Die alternierende harmonische Reihe (k=1n(1)k1k)n>0 dagegen konvergiert nach dem Leibniz-Kriterium.
  • Wir betrachten für q die Reihe (k=0nqk)n, die sogenannte geometrische Reihe.

Zuerst betrachten wir die Folge (qk)k. Ist |q|1, so ist die Folge keine Nullfolge, also divergiert die geometrische Reihe nach dem ersten Punkt in [konvreihe].
Sei also |q|<1, so ist zumindest schon einmal lim\limits kqk=0, wir haben also eine Chance für die Konvergenz der Reihe.
Trick: Wir multiplizieren k=0nqk mit (1q) und erhalten (1q)k=0nqk=k=0nqkqk=0nqk=k=0nqkk=0nqk+1=k=0nqkk=1n+1qk=q0qn+1=1qn+1. Wir teilen beide Seiten durch 1q (das ist wegen |q|<1 ungleich 0, also ist Teilen erlaubt) und erhalten k=0nqk=1qn+11q. Es ist (wieder wegen |q|<1) lim\limits nqn+1=0, also ist k=0qk=lim\limits nk=0nqk=lim\limits n1qn+11q=1lim\limits nqn+11q=11q.