Kurs:Analysis I/Kapitel III: Die elementaren Funktionen/§1 Komplexe Exponentialfunktion und natürliche Logarithmusfunktion

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Definition 1

Für z definieren wir
(1) expz:=k=0zkk!
und nennen expz: die komplexe Exponentialfunktion.

Satz 1

Die Exponentialfunktion ist in holomorph und es gilt die Identität
ddzexpz=expz,z.

Beweis

In Bsp. 2 aus §6 von Kapitel I haben wir die Konvergenz der Reihe (1) nachgewiesen. Nach Satz 15 aus Kapitel II, §3 ist die Funktion f(x)=expz,z holomorph und die gliedweise Differentiation liefert

ddzexpz=k=1kzk1k!=k=1zk1(k1)!=k=0zkk!=expz,z.

q.e.d.

Satz 2 (Funktionalgleichung der Exponentialfunktion)

Es gilt für alle z1,z2 die Funktionalgleichung
(2) exp(z1+z2)=(expz1)(expz2).

Beweis

Da die Exponentialreihe in nach Satz 14 aus §6 in Kapitel I absolut konvergiert, können wir mit dem Multiplikationssatz für Reihen (vgl. Satz 3 aus §7 in Kapitel I) für alle z1,z2 wie folgt multiplizieren:

(3) expz1expz2=(k=0z1kk!)(l=0z2ll!)=k=0(l=0kz1lz2kll!(kl)!)
=k=01k!(l=0k(kl)z1lz2kl)=k=0(z1+z2)kk!=exp(z1+z2).

Hierbei haben wir den Binomialsatz aus §1 in Kapitel I verwendet.

q.e.d.

Satz 3

In jeder kompakten Kreisscheibe KR:={z:|z|R} mit dem festen Radius R(0,) konvergiert die Funktionenfolge
fn(z):=(1+zn)n,z,n=1,2,
gleichmäßig gegen die Funktion f(z)=expz,z.

Beweis

Nach dem Binomialsatz gilt für festes n und z die Identität

fn(z):=(1+zn)n=k=0n(nk)(zn)k=1+k=1φk(z,n) mit φk(z,n):={(nk)1nkzkfalls nk0falls n<k mit φ0(z,n)=1.

Für k=1,2,,n erhalten wir

φk(z,n)=(nk)(zn)k=n(n1)(n2)(nk+1)k!nkzk
=1(11n)(12n)(1k1n)zkk!.

und damit

limnφk(z,n)=zkk!.

Weiter gilt

|φk(z,n)|Rkk! für alle zKR und alle n0.

Die Zahlenreihe

k=0Rkk!=expR<+

stellt also eine konvergente Majorante für die Funktionenreihe k=0φk(z,n) dar. Nach dem Weierstraßschen Majorantentest aus Kapitel II, §2 konvergiert die Reihe

k=0φk(z,n)

gleichmäßig in KR gegen die Reihe

k=0zkk!=expz.

Somit folgt die gleichmäßige Konvergenz

(4) limnfn(z)=limn(1+zn)n=expz,z mit |z|R.

Definition 2

Wir definieren die Eulersche Zahl e durch die Gleichung
(5) e:=exp1=k=01k!=limn(1+1n)n.

Satz 4

Die Gesamtheit der komplexen Stammfunktionen für die Exponentialfunktion wird gegeben durch
expzdz=expz+c, mit einer Konstante c.

Satz 5

Die Funktion exp:, vermöge xexpz als Einschränkung der komplexen Exponentialfunktion auf die reelle Achse definiert, nennen wir die reelle Exponentialfunktion. Diese stellt eine positive, streng monoton wachsende, konvexe Funktion mit dem folgenden asymptotischen Verhalten dar:
(6) exp0=1,limx+expx=+ und limxexpx=0.

Beweis

1. Da die Exponentialreihe reelle Koeffizienten besitzt, folgt exp: für die Einschränkung der komplexen Exponentialfunktion auf die reelle Achse. Genauer gilt die Abschätzung

(7) expx=1+x+12x2+1+x1>0 für alle x[0,+).

Wir beachten exp0=1 und ermitteln

expx=1exp(x)>0 für alle x(,0].

2. Mit Hilfe von Satz 1 differenzieren wir auch unsere reelle Funktion

ddxexpx=expx für alle x.

Also ist die reelle Exponentialfunktion nach dem Mittelwertsatz streng monoton wachsend. Weiter liefert die Ungleichung

d2dx2expx=expx,x

die Konvexität der Funktion.

3. Mit Hilfe von (7) ersehen wir

limx+expxlimx+(1+x)=+

Schließlich berechnen wir

limxexpx=limx1exp(x)=limy1exp(y)=0

Satz 6

Für alle rationalen Exponenten x:=pq mit p und q gilt
(8) exp(pq)=expx=ex=(eq)p.

Beweis

Für ein festes n berechnen wir mit der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion

e=exp1=exp(k=1n1n)=k=1nexp(1n) und folglich (*)exp(1n)=en.

Für p=0 und somit x=0 erhalten wir exp0=e0=(eq)0=1. Für p>0 berechnet man

expx=exp(pq)=exp(k=1p1q)=k=1pexp(1q)=(*)(eq)p=epq=ex.

Im Fall p<0 erhalten wir aus dem vorhergehenden:

expx=exp(pq)=1exp(pq)=1e(pq)=e(pq)=ex.

Hilfssatz 1

Für beliebige n gilt
limt+tnexpt=0.

Beweis

Für beliebige n gilt

expt=k=0tkk!tn+1(n+1)! bzw. 0<tnexpt(n+1)!t für alle t>0.

Hieraus folgt wegen

limt+tnexptlimt+(n+1)!t=0

sofort die Behauptung.

Hilfssatz 2

Für alle k0 gibt es ein Polynom Gk vom Grad degGk2k, so dass folgende Darstellung gilt:
Φ(k)(x)=Gk(1x)exp(1x) für alle x>0.

Beweis durch vollständige Induktion über k

Für den Induktionsanfang k=0 haben wir

Φ(0)(x)=Φ(x)=exp(1x),x>0

mit dem Polynom G0(1x)1 vom Grad degG0=0. Die obige Darstellung sei nun für ein k0 bereits gültig. Dann berechnen wir mit der Kettenregel

(11) Φ(k+1)(x)=ddxΦ(k)(x)=ddx[Gk(1x)exp(1x)]
=exp(1x)ddxGk(1x)+Gk(1x)exp(1x)1x2
=exp(1x)[(1x)2Gk(1x)(1x)2Gk(1x)]
=Gk+1(1x)exp(1x).

Für den Grad des entstehenden Polynoms Gk+1 ermitteln wir

degGk+12+degGk2+2k=2(k+1)

und damit haben wir die Behauptung vollständig gezeigt.

q.e.d.

Satz 7 (Glättungsfunktion)

Es sei <a<b<+. Dann existiert eine Funktion f: mit fC() und f(x)=0 für alle x(a,b) und f(x)>0 für alle x(a,b).

Beweis

Wir wählen die Funktion

f(x):=Φ(xa)Φ(bx) für x,

welche das Gewünschte leistet.

Definition 3

Die natürliche Logarithmusfunktion ln:I definieren wir auf dem Intervall I:=(0,+)
(12) x=lnuu=expx mit uI und x
als Umkehrfunktion von exp:I.

Satz 8 (Natürliche Logarithmusfunktion)

Die Funktion ln:I ist stetig differenzierbar in I mit der Ableitung
(13) ddulnu=lnu=1u,uI.
Sie ist in I streng monoton steigend und besitzt die asymptotischen Eigenschaften
(14) limulnu=,ln1=0,limu+lnu=+.
Schließlich genügt sie der Funktionalgleichung
(15) lnu1+lnu2=ln(u1u2) für alle u1,u2I.

Beweis

1. Nach entsprechenden Sätzen aus §1 und §3 in Kapitel II ist die Funktion ln:I stetig bzw. differenzierbar und ihre Ableitung ermitteln wir wie folgt:

(16) lnu=1expx|x=lnu=1explnu=1u,uI.

Also ist die Ableitungsfunktion stetig auf I und positiv, woraus sich die strikte Monotonie von ln:I ergibt.

2. Wegen exp0=1 folgt zunächst ln1=0. Sei nun xn:=exp(un), n=1,2, eine Folge in I mit der Eigenschaft xn0 (n). Dann erhalten wir un=ln(xn) (n). Damit haben wir die erste asymptotische Eigenschaft in (14) bewiesen – und die zweite folgt genauso.

3. Die Funktionalgleichung (15) für die Logarithmusfunktion überführen wir äquivalent in die Funktionalgleichung der Exponentialfunktion:

(17) lnu1+lnu2=ln(u1u2)
x1+x2=ln(exp(x1)exp(x2))
exp(x1+x2)=exp(x1)exp(x2)
für alle u1=exp(x1),u2=exp(x2)I mit x1,x2.

q.e.d.

Satz 9

Für festes u0 bestimmen wir in {u0} die Gesamtheit der Stammfunktionen
(18) 1uu0du=ln|uu0|+c,u{u0}
mit der reellen Integrationskonstante c

Beweis

Falls u>u0 richtig ist, berechnen wir

(19) dduln|uu0|=dduln(uu0)=1uu0 für u,u>u0

Falls u<u0 richtig ist, ermitteln wir

(20) dduln|uu0|=dduln(uu0)=1(uu0)=1uu0 für u,u<u0

Bemerkung

Die reellen Stammfunktionen bestimmt man mittels partieller Integration wie folgt:

(21) lnudu=(1lnu)du=ulnu(u1u)du
=ulnu1du=ulnuu+c,uI

mit der Integrationskonstante c.