Kurs:Analysis III/Kapitel VI: Lineare partielle Differentialgleichungen im R^n

Aus testwiki
Version vom 10. April 2008, 20:08 Uhr von imported>Stepri2003~dewikiversity
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

§1 Das Maximumprinzip für elliptische Differentialgleichungen

Definition 1

Sei Ωn mit n ein Gebiet, in dem die stetigen Koeffizientenfunktionen aij(x),bi(x),c(x):ΩC0(Ω) für i,j=1,,n erklärt sind. Weiter sei die Matrix (aij(x))i,j=1,,n für alle xΩ symmetrisch. Den linearen, partiellen Differentialoperator zweiter Ordnung :C2(Ω)C0(Ω) erklärt durch
(1) u(x):=i,j=1naij(x)2xixju(x)+i=1nbi(x)xiu(x)+c(x)u(x),xΩ
nennen wir elliptisch bzw. degeneriert elliptisch, falls
i,j=1naij(x)ξiξj>0 bzw. i,j=1naij(x)ξiξj0
für alle ξ=(ξ1,,ξn)n{0} und alle xΩ erfüllt ist. Gibt es Elliptizitätskonstanten 0<mM<+, so dass
m|ξ|2i,j=1naij(x)ξiξjM|ξ|2
für alle ξ=(ξ1,,ξn)n und alle xΩ richtig ist, so heißt gleichmäßig elliptisch. Im Falle c(x)0,xΩ bezeichnen wir den reduzierten Differentialoperator mit u(x):=u(x),xΩ.

Satz 1 (Eindeutigkeit und Stabilität)

I. sei ein degeneriert elliptischer Differentialoperator auf dem beschränkten Gebiet Ωn mit der Koeffizientenfunktion c(x)0,xΩ.
II. Es gebe Konstanten 0<mM<+, so dass
(2) ma11(x)M,|b1(x)|M,|c(x)|M für alle xΩ,ΩBM:={xn:|x|<M}
erfüllt ist.
III. Schließlich sei u=u(x)C2(Ω)C0(Ω) eine Lösung des Dirichletproblems
(3) u(x)=f(x) in Ω,u(x)=g(x) auf Ω
mit Funktionen f=f(x)C0(Ω)L(Ω) und g=g(x)C0(Ω)
Behauptung: Dann gibt es eine Konstante γ=γ(m,M)[0,+), so dass gilt
(4) |u(x)|maxyΩ|g(y)|+γ(m,M)supyΩ|f(y)|,xΩ.

Beweis

1. Wir betrachten die Hilfsfunktion v(x):=eβx1,xΩ mit zunächst noch beliebigem β>0. Wir berechnen

v(x)=a11(x)β2eβx1+b1(x)βeβx1+c(x)eβx1
eβx1(mβ2MβM)eβ(m,M)M,xΩ,

wobei wir β=β(m,M) so groß gewählt haben, dass mβ2MβM1 erfüllt ist.

2. Mit noch zu fixierendem ϱ>0 erklären wir die Hilfsfunktion

w(x):=±u(x)+ϱ(v(x)eβM)maxyΩ|g(y)|,xΩ.

Wegen c(x)0 in Ω können wir abschätzen

w(x):=±u(x)+ϱv(x)c(x)(ϱeβM+maxyΩ|g(y)|)
±f(x)+ϱeβMsupyΩ|f(y)|+ϱeβM,xΩ.

Wählen wir nun ϱ=eβ(m,M)M(supyΩ|f(y)|+ε) mit festem ε>0, so folgt

(5) w(x)ε>0 für alle xΩ.

3. Für xΩ berechnen wir

w(x)=±u(x)+ϱ(v(x)eβM)maxyΩ|g(y)|±g(x)maxyΩ|g(y)|0.

Nun gilt w(x)0 sogar für alle xΩ. Wäre dieses nämlich nicht der Fall, so existiert ein zΩ mit w(x)w(z) für alle xΩ. Dann gilt

w(z)=w(z)+c(z)w(z)0

im Widerspruch zu (5). Also folgt

±u(x)maxyΩ|g(y)|+ϱeβM=maxyΩ|g(y)|+e2βM(supyΩ|f(y)|+ε)

für alle xΩ und alle ε>0. Nach Grenzübergang ε0 ergibt sich schließlich

|u(x)|maxyΩ|g(y)|+γ(m,M)supyΩ|f(y)|,xΩ

mit γ(m,M):=e2β(m,M)M.

q.e.d.

Satz 2 (Das Hopfsche Maximumprinzip)

I. =u,uC2(Ω) bezeichne einen reduzierten elliptischen Differentialoperator auf dem Gebiet Ωn,n.
II. Für u=u(x)C2(Ω) sei die Differentialgleichung
u(x)0,xΩ
erfüllt und u nehme in einem Punkt zΩ ihr Maximum an, d. h.
u(z)u(x) für alle xΩ.
Behauptung: Dann folgt u(x)u(z) für alle xΩ.

Beweis

Wir betrachten die nicht leere, in Ω abgeschlossene Menge

Θ:={xΩ:u(x)=supyΩu(y)=:s}

und zeigen, dass diese Menge offen ist. Da Ω ein Gebiet ist, folgt durch Fortsetzung die Identität Θ=Ω und somit

u(x)s=u(z) für alle xΩ.

Sei also ξΘ beliebig gewählt. Dann betrachten wir für beliebiges ηΩ mit

|ηξ|<12dist(ξ,nΩ)

die Kugel G:=Bϱ(η) vom Radius ϱ:=|ηξ| um den Punkt η. Offenbar gilt GΩ und ξG. Wir können also Elliptizitätskonstanten 0<mM<+ so angeben, dass u,uC2(G) gleichmäßig elliptisch ist. Wäre nun u(η)<s=u(ξ) erfüllt, so gilt die Ungleichung

uν(ξ)=u(ξ)ν>0

im Widerspruch zu u(ξ)=0. Somit folgt u(η)=s. Da dies für beliebige ηΩ mit |ηξ|<12dist(ξ,nΩ) gilt, erhalten wir Br(ξ)Θ mit einem 0<r<12dist(ξ,nΩ). Also ist Θ offen.

q.e.d.

Satz 3 (Scharfes Maximumprinzip)

I. Sei Ωn ein Gebiet und zΩ ein Randpunkt von Ω, für den folgendes gilt: Es gibt eine Kugel Bϱ(z) und eine Funktion φ=φ(x)C2(Bϱ(z)) mit φ(z)0 und φ(z)=0, so dass
ΩBϱ(z)={xBϱ(z):φ(x)<0}
erfüllt ist.
II. Die Koeffizientenfunktionen aij(x),bi(x)C0(Ω),i,j=1,,n seien so gegeben, dass der reduzierte partielle Differentialoperator
u(x)=i,j=1naij(x)2xixju(x)+i=1nbi(x)xiu(x),xΩ
gleichmäßig elliptisch auf Ω ist.
III. Die Funktion u=u(x)C2(Ω)C0(Ω) genüge der Differentialgleichung
u(x)0 für alle xΩ.
IV. Schließlich nehme u in z ihr Maximum an, d. h.
u(x)u(z) für alle xΩ
und für ihre dort existierende Ableitung in Richtung der äußeren Normale ν an Ω gelte
uν(x)=0.
Behauptung: Dann folgt u(x)u(z) für alle xΩ.

Beweis

Wegen Voraussetzung I kann man eine Kugel G=Br(ξ) mit einem ξΩ und r>0 so bestimmen, dass

GΩ,GΩ={z},ν(z)=|zξ|1(zξ)

richtig ist. Wäre nun u(ξ)<u(z) erfüllt, so würde nach dem Hopfschen Randpunktlemma uν(x)>0 folgen, im Widerspruch zu Voraussetzung IV. Also nimmt u ihr Maximum im inneren Punkt ξΩ an und Satz 2 liefert u(x)u(z) für alle xΩ.

Definition 2

Der lineare elliptische Differentialoperator heißt stabil, falls es eine Funktion v(x):Ω(0,+)C2(Ω) mit
v(x)0 für alle xΩ
gibt.

§2 Quasilineare elliptische Differentialgleichungen

Satz 1 (Eindeutige Lösbarkeit des gemischten Randwertproblems)

I. Es sei Ω2 ein beschränktes Gebiet. Der Rand Ω enthalte eine - eventuell leere - Teilmenge ΓΩ mit den folgenden Eigenschaften:
a) Die Menge ΩΓ ist abgeschlossen.
b) Für alle ξΓ gibt es ein ϱ=ϱ(ξ)(0,+) und eine Funktion φ=φ(x)C2(Bϱ(ξ)) mit φ(ξ)=0 und φ(ξ)0, so dass gilt
ΩBϱ(ξ)={yBϱ(ξ):φ(y)<0}.
II. Die stetigen Funktionen f=f(x):ΩΓ und g=g(x):Γ seien vorgelegt.
III. Die beiden Funktionen u=u(x):Ω und v=v(x):Ω der Regularitätsklasse C2(Ω)C0(Ω)C1(ΩΓ) seien Lösungen des gemischten, quasi linearen, elliptischen Randwertproblems
(1) i,j=1nAij(x,u(x))2xixju(x)+B(x,u(x),u(x))=0,xΩ,
(2) f(x)=u(x),xΩΓ,
(3) νu(x)=g(x),xΓ.
Dabei bezeichnet ν=ν(x):ΓSn1 die äußere Normale auf Γ an Ω.
IV. Schließlich gelte
Bz(x,z,p)0 für alle (x,z,p)Ω×n+1.
Behauptung: Dann folgt u(x)v(x) für alle xΩ.

Beweis

Die Funktion

w(x):=u(x)v(x)C2(Ω)C0(Ω)C1(ΩΓ)

genügt der linearen, elliptischen Differentialgleichung

(4) i,j=1naij(x)2xixjw(x)+i=1nbi(x)xiw(x)+c(x)w(x)=0,xΩ,

die in einer Umgebung von Γ gleichmäßig elliptisch ist. Weiter erfüllt w die homogenen Randbedingungen

w(x)=0,xΩΓ und νw(x)=0,xΓ.

Wegen Voraussetzung IV gilt für den Koeffizienten

c(x):=01Bz(x,v(x)+tw(x),v(x))dt0 für alle xΩ.

Nach Satz 2 und Satz 3 aus §1 kann w(x) weder in Ω noch auf Γ ihr globales Maximum und globales Minimum annehmen. Somit folgt w(x)0 bzw.

u(x)v(x) in Ω.

q.e.d.

§3 Die Wärmeleitungsgleichung

Satz 1 (Fourier-Plancherelsches Integraltheorem)

Der lineare Operator
g~(x):=𝐅1(g)|x:=(2π)n2neiξxg(ξ)dξ,gC0(n)
kann stetig fortgesetzt werden auf den Hilbertraum
:=L2(n):={φ:n:φ ist Lebesgue-messbar und es gilt n|φ(ξ)|2dξ<+}
mit dem inneren Produkt
(φ,ψ):=nφ(ξ)ψ(ξ)dξ,φ,ψ.
Die Abbildung 𝐅1: besitzt die Umkehrabbildung
f~(ξ):=𝐅(f)|ξ:=(2π)n2neiξxf(x)dx,fC0(n),
die wiederum stetig auf fortgesetzt werden kann. Weiter sind 𝐅 und 𝐅1 isometrische Operatoren auf , d. h.
(𝐅φ,𝐅ψ)=(φ,ψ)=(𝐅1φ,𝐅1ψ) für alle φ,ψ
und es gilt
(𝐅φ,ψ)=(φ,𝐅1ψ) für alle φ,ψ.

Beweis

Dieser Satz wird später bewiesen.

Definition 1

Wir nennen den Operator 𝐅: die Fouriertransformation und 𝐅1 die inverse Fouriertransformation.

Definition 2

Die Funktion
K(x,y,t):=(4πt)n2exp{|xy|24t},xn,yn,t+
nennen wir die Kernfunktion der Wärmeleitungsgleichung.

Satz 2 (Parabolisches Maximum-Minimum-Prinzip)

Sei u=u(x,y)C2(ΩT)C0(ΩTΔΩT) eine Lösung der Wärmeleitungsgleichung
Δxu(x,t)tu(x,t)=0,(x,t)ΩT
Dann folgt
min(ξ,τ)ΔΩTu(ξ,τ)=:mu(x,t)M:=max(ξ,τ)ΔΩTu(ξ,τ),(x,t)ΩT.

Beweis

Durch eine Anwendung auf die Hilfsfunktionen

u(x,t)M und mu(x,t),(x,t)ΩTΔΩT

erhält man sofort die Behauptung.

q.e.d.

Satz 3 (Eindeutigkeitssatz für die Wärmeleitungsgleichung)

Gegeben sei die beschränkte, stetige Funktion f=f(x):nC0(n). Dann gibt es genau eine beschränkte Lösung u des Anfangswertproblems für die Wärmeleitungsgleichung zu dieser Funktion f, d. h.
(1) u=u(x,t)C2(n×+,)C0(n×[0,+),),
(1) Δxu(x,t)tu(x,t)=0 in n×+,
(1) u(x,0)=f(x),xn,
(1) sup(x,t)n×+|u(x,t)|<+.

Beweis

Seien u=u(x,t) und v=v(x,t) zwei Lösungen von (1), so setzen wir

M:=supn×+|u(x,t)|+supn×+|v(x,t)|[0,+).

Für die Funktion

w(x,t)=u(x,t)v(x,t)C2(n×+,)C0(n×[0,+),)

gilt dann

(2) Δxu(x,t)tu(x,t)=0 in n×+,
(2) u(x,0)=f(x),xn,
(2) |w(x,t)|M für alle (x,t)n×[0,+).

Wir wählen nun Zahlen T+ sowie R+ und erklären zu der Kugel BR:={xn:|x|<R} den parabolischen Zylinder

BR,T:={(x,t)n×+:xBR,t(0,T]}

mit dem parabolischen Rand

ΔBR,T={(x,t)BR×[0,T]:xBR oder t=0}.

Auf BR,T betrachten wir sowohl die Lösung w(x,t) des Problems (2) als auch die Funktion

(3) W(x,t):=2nMR2(|x|22n+t).

Die Funktion W genügt der Differentialgleichung

(Δxt)W(x,t)=2nMR2(11)=0,(x,t)BR,T

und auf dem parabolischen Rand gilt

|w(x,t)|W(x,t),(x,t)ΔBR,T.

Anwendung des parabolischen Maximum-Minimum-Prinzips liefert nun

(4) |w(x,t)|W(x,t)=2nMR2(|x|22n+t),(x,t)BR,T.

Lassen wir nun R+ in Formel (4) streben, so folgt

w(x,t)=0,xn,t(0,T]

mit beliebigem T+. Somit haben wir w(x,t)0 bzw. u(x,t)v(x,t) in n×+.

q.e.d.

§4 Charakteristische Flächen

Definition 1

Sei φ=φ(y1,,yn+1):ΩC2(Ω) eine nicht konstante Funktion, für welche die Menge
:={yΩ:φ(y)=0}
nicht leer ist. Wir nennen eine charakteristische Fläche für die Differentialgleichung
(1) u(y):=j,k=1n+1ajk(y)2xjxku(y)+j=1n+1bj(y)xju(y)+c(y)u(y)=h(y),
falls die zugehörige quadratische Form
(2) Q[φ](y):=j,k=1n+1ajk(y)φyj(y)φyk(y),yΩ
die Bedingung
Q[φ](y)=0 für alle y
erfüllt. Andererseits heißt nicht charakteristische Fläche, wenn gilt
Q[φ](y)0 für alle y.
Im Falle n=1 sprechen wir von charakteristischen bzw. nicht charakteristischen Kurven.

Definition 2

Zu dem Gebiet Ωn und Zahlen t1<t2+ betrachten wir die Dose
Ωt1,t2:={(x,t)n×:xΩ,t(t1,t2)}.
Wir erklären den d'Alembert-Operator :C2(Ωt1,t2)C0(Ωt1,t2) durch
(3) u(x1,,xn,t):=2t2u(x1,,xn,t)c2Δxu(x1,,xn,t)
für (x1,,xn,t)Ω×(t1,t2). Dabei ist c>0 eine feste positive Konstante (welche im physikalischen Kontext die Lichtgeschwindigkeit darstellt).

Satz 1 (Energieabschätzung für die Wellengleichung)

Der Punkt (ξ,τ)=(ξ1,,ξn,τ)n×+ mit dem zugehörigen Kegel
K=K(ξ,τ):={(x,t)n×+:t(0,τ),|xξ|<c(τt)}
sei gegeben. Weiter sei u=u(x,t)C2(K)C1(K) eine Lösung der homogenen Wellengleichung
(4) u(x,t)+q(x,t)tu(x,t)=0 in K.
Hierbei ist q=q(x,t)C0(K,[0,+)) ein nicht negatives, stetiges Potenzial auf K.
Dann gilt für alle s(0,τ) die Energieungleichung
(5) x:|xξ|<c(τs){c2|Δxu(x,s)|2+|tu(x,s)|2}dxx:|xξ|<cτ{c2|Δxu(x,0)|2+|tu(x,0)|2}dx.

Beweis

1. Mit Hilfe der Transformation (x,t)(c(x+ξ),t) ziehen wir uns auf den Fall ξ=0,c=1 zurück. Die Koeffizientenmatrix des d'Alembert-Operators hat dann die Form

(6) (ajk)j,k=1,,n+1=(10001000+1).

Für s(0,τ) betrachten wir die Dose

D=D(s):={(x,t)n×+:t(0,τ)|x|<τt,t(0,s)},

dessen Rand D=0s aus den drei Hyperflächen 0,s und besteht. Dabei ist =DK(0,τ) eine charakteristische Fläche für die Differentialgleichung (4) mit der äußeren Normale

ν=ν(x,t)=(ν1(x,t),,νn(x,t),νn+1(x,t))=(ν~(x,t),νn+1(x,t))
=(12x|x|,12),(x,t).

Für die Flächen

0:={(x,t)DK(0,τ):t=0}

bzw.

s:={(x,t)DK(0,τ):t=s}

erhalten wir die äußere Normale

ν=ν(x,0)=(0,,0,1),(x,0)0,
ν=ν(x,s)=(0,,0,+1),(x,s)s.

2. Wir multiplizieren nun (4) mit 2ut(x,t) und berechnen

(7) 0=2ut(uttΔxu(x,t))+2q(x,t)(ut(x,t))2
=t[(ut)2]2divx(utxu)+2xutxu+2q(ut)2
=t[|xu(x,t)|2+|tu(x,t)|2]+divx(2utxu)+2q(ut)2

für (x,t)D. Integrieren wir (7) mit Hilfe des Gaußschen Satzes über die Dose D=D(s), so erhalten wir

0=2Dq(x,t)(ut(x,t))2dxdt+s{|xu(x,s)|2+|tu(x,s)|2}dx
0{|xu(x,0)|2+|tu(x,0)|2}dx
+{2utxuν~+12(|xu|2+|ut|2)}dσ(x,t)
s{|xu(x,s)|2+|ut(x,s)|2}dx0{|xu(x,0)|2+|ut(x,0)|2}dx.

Es ist nämlich q(ut)2 nicht negativ und es gilt

|2utxuν~|2|ut||xu||ν~|=22|ut||xu|12(|xu|2+|ut|2)

auf . Es folgt also

s{|xu(x,s)|2|tu(x,s)|2}dx0{|xu(x,0)|2|tu(x,0)|2}dx.

q.e.d.

Satz 2 (Eindeutigkeit des Cauchyschen Anfangswertproblems für die Wellengleichung)

Die Voraussetzungen von Satz 1 seien erfüllt und u=u(x,t) genüge zusätzlich den homogenen Cauchyschen Anfangsbedingungen
(8) u(x,0)=0=ut(x,0) für alle xn mit |xξ|<cτ.
Dann folgt u(x,t)0 auf K=K(ξ,τ).

Beweis

Aus den Anfangsbedingungen (8) lesen wir ab

c2|xu(x,0)|2+|tu(x,0)|2=0,|xξ|<cτ

und die Energieabschätzung aus Satz 1 liefert

x:|xξ|<c(τs){c2|Δxu(x,s)|2+|tu(x,s)|2}dx=0 für alle s(0,τ).

Somit folgt xu(x,t)0ut(x,t) auf K und daher u(x,t)const. Wiederum aus (8) erhalten wir schließlich

u(x,t)0 in K.

q.e.d.

§5 Die Wellengleichung im n für n=1,3,2

Satz 1 (d'Alembert)

Zu vorgegebenen Funktionen f=f(x)C2() und g=g(x)C1() stellt die Funktion
(1) u(x,t)=12{f(x+ct)+f(xct)}+12cxctx+ctg(ξ)dξ,(x,t)2
die eindeutig bestimmte Lösung des Cauchyschen Anfangswertproblems für die eindimensionale Wellengleichung 𝒫(f,g,1) dar.

Definition 1

Sei f=f(x)C2(n) gegeben. Wir nennen die Funktion
(2) v=v(x,r)=M(x,r;f):=1ωn|ξ|=1f(x+rξ)dσ(ξ),(x,r)n×
den sphärischen Integralmittelwert von f über die Sphäre
B|r|(x):={yn:|yx|=|r|}.

Satz 2 (F. John)

Zu vorgegebenem f=f(x)Ck(n) mit k2 gehört die Funktion v=v(x,r)=M(x,r;f):n× der Regularitätsklasse Ck(n×) an und es gelten die folgenden Aussagen:
a) v(x,0)=f(x) für alle xn.
b) v(x,r)=v(x,r) für alle xn,r.
c) rv(x,0)=0 für alle xn.
d) 2r2v(x,r)+n1rrv(x,r)Δxv(x,r)=0 im n×({0}).

Beweis

a) Aus (2) ersehen wir vCk(n×) und

v(x,0)=1ωn|ξ|=1f(x)dσ(ξ)=f(x) für alle xn.

b) und c) Ebenfalls aus (2) lesen wir sofort ab v(x,r)=v(x,r) und Differentiation liefert vr(x,0)=vr(x,0) für alle xn.

d) Wir führen auf der Sphäre Sn1(x):={yn:|yx|=1} Polarkoordinaten ein:

y=x+rξ,ξSn1,r>0.

Nach Kapitel I, §8 wird der Laplaceoperator in diesen Koordinaten zu

Δ=2r2+n1rr+1r2Λ,

wobei Λ den Laplace- Beltrami-Operator auf der Sphäre Sn1 bezeichnet. In Kapitel I, §8 haben wir die Symmetrie von Λ auf Sn1nachgewiesen. Wir erhalten damit für alle xn und r>0 die Gleichung

Δxv(x,r)=1ωn|ξ|=1Δxf(x+rξ)dσ(ξ)
=1ωn|ξ|=1{2r2+n1rr+1r2Λ}f(x+rξ)dσ(ξ)
={2r2+n1rr}v(x,r)+1r2ωn|ξ|=11Λf(x+rξ)dσ(ξ)
={2r2+n1rr}v(x,r)+1r2ωn|ξ|=1(Λ1)f(x+rξ)dσ(ξ)={2r2+n1rr}v(x,r),

denn Λ1=0. Also ist die Darbouxsche Differentialgleichung für alle xn und r>0 erfüllt. Da diese invariant unter der Spiegelung rr ist, bleibt sie gültig für alle xn und r<0.

q.e.d.

Satz 3 (Kirchhoff)

Es seien Funktionen f=f(x)C3(3) und g=g(x)C2(3) vorgegeben. Dann wird das Cauchysche Anfangswertproblem 𝒫(f,g,3) für die dreidimensionale Wellengleichung eindeutig gelöst durch die Funktion
(3) u(x,t)=t{tM(x,ct;f)}+tM(x,ct;g)=14πc2t2|yx|=ct{tg(y)+f(y)+f(y)(yx)}dσ(y)
für (x,t)3×+.

Beweis

1. Gemäß Satz 2 für den Fall n=3 erfüllt die Funktion v(x,r)=M(x,r;g),(x,r)3×({0}) die Darbouxsche Differentialgleichung

0=vrr(x,r)+2rvr(x,r)Δxv(x,r)=1r{rv(x,r)}rrΔxv(x,r).

Multiplikation mit r liefert

0=2r2{rv(x,r)}Δx{rv(x,r)},(x,r)3×.

Wir betrachten nun die Funktion

ψ(x,t):=1c{ctv(x,ct)}=tv(x,ct)=t4π|ξ|=1g(x+ctξ)dσ(ξ)

mit (x,t)3×. Diese genügt der Wellengleichung

(4) ψ(x,t)=2t2ψ(x,t)c2Δxψ(x,t)=0 im 3×

und erfüllt die Anfangsbedingungen

(5) ψ(x,0)=0,tψ(x,0)=v(x,0)=g(x) für alle x3.

2. Wie in Teil 1 des Beweises sieht man, dass die Funktion

χ(x,t):=tM(x,ct;f)=t4π|ξ|=1f(x+ctξ)dσ(ξ),(x,t)3×

der Wellengleichung χ(x,t)=0 im 3× genügt. Ferner gilt χC3(3×). Wir betrachten nun die Funktion

φ(x,t):=tχ(x,t)=t{tM(x,ct;f)}=M(x,ct;f)+ttM(x,ct;f)
=14π|ξ|=1f(x+ctξ)dσ(ξ)+14πt{|ξ|=1f(x+ctξ)dσ(ξ)}
=14π|ξ|=1{f(x+ctξ)+ctf(x+ctξ)ξ}dσ(ξ).

Auch φ erfüllt die Wellengleichung und wir haben die Anfangsbedingungen

φ(x,0)=M(x,0;f)=f(x),
tφ(x,0)=2t2χ(x,0)=c2Δxχ(x,0)=c2{tΔxM(x,ct;f)}t=0=0

für alle x3.

3. Mit

u(x,t):=φ(x,t)+ψ(x,t)=t{tM(x,ct;f)}+tM(x,ct;g)
=14π|ξ|=1{f(x+ctξ)+ctf(x+ctξ)ξ+tg(x+ctξ)}dσ(ξ).

für (x,t)3× erhalten wir eine Lösung der Wellengleichung und wegen (5) und obigen Anfangsbedingungen genügt u den Anfangsbedingungen

u(x,0)=f(x),tu(x,0)=g(x),x3.

Verwenden wir nun die Substitution y=x+ctξ,dσ(y)=c2t2dσ(ξ), so folgt für alle (x,t)3×+ die Identität

u(x,t)=14πc2t2|yx|=ct{tg(y)+f(y)+f(y)(yx)}dσ(y).

q.e.d.

§6 Die Wellengleichung im n für n2

Satz 1 (Mittelwertsatz von Asgeirsson)