Kurs:Gewöhnliche Differentialgleichungen/3.1 Konsistenz und Konvergenz eines Einschrittverfahrens

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3.1 Konsistenz und Konvergenz eines Einschrittverfahrens

Nun befassen wir uns genauer mit der Exaktheit der Einschrittverfahren und der Konvergenz der gewonnenen Folge (numerische Lösung) zur exakten Lösung.


Definition 3.2 (Lokaler (Abschneide-) Fehler).

Sei y die exakte Lösung der Anfangswertaufgabe (1.6). τ(t;h)=τ(t;h;y;Φ)y(t+h)y(t)hΦ(t,y(t);h;f)h,  tGh{tNh}:=G'h(3.8)


heißt lokaler Abschneidefehler (lokaler Verfahrensfehler von Φ) an der Stelle t.
In der Literatur wird manchmal als lokaler Fehler auch ε(t;h)=y(t+h)y(t)hΦ(t,y(t);h;f)hτ(t;h)

bezeichnet.



Bemerkung 3.2 (Bedeutung des lokalen Verfahrensfehlers)

  • Ersetzt man in oberer Definition y(t+h) mit ηi+1 und y(t) mit ηi, erhält man mithilfe von (3.7) τ(t;h)=ε(t;h)=0. Das heißt, dass die numerische Lösung das Einschrittverfahren (3.7) exakt erfüllt. Die exakte Lösung y(t) genügt der Gleichung (3.7) allerdings nicht, sondern erfüllt sie nur annährend, mit einem möglicherweise “kleinen” -lokalen Verfahrensfehler. Der lokale Fehler beschreibt also wie “gut” die exakte Lösung das Einschrittverfahren (3.7) erfüllt.
  • Wendet man in dem Einschrittverfahren (3.7) als Startwert anstatt ηi den exakten Wert y(ti) an und erhält man dann nach einem Schritt von (3.7) die numerische Lösung

η~i+1=y(t)+hΦ(t,y(t);),

so kann man den lokalen Fehler als Unterschied der numerischen und der exakten Lösung nach einem Schritt des Einschrittverfahrens verstehen, ε(ti;h):=y(ti+1)η~i+1.

  • Die Bedeutung des lokalen Felhlers kann man noch verdeutlichen, in dem man die Taylorentwicklung von y(ti+h) um Punkt h=0 betrachtet. Hier wird es klar, dass der lokaler Fehler beschreibt, wie die Verfahrensfunktion Φ den Rest der Taylorreihe approximiert: y(ti+h)=y(ti)+hy(ti)+h22y(ti)+Φ(ti,y(ti);h;f)=y(ti)+hΦ(ti,y;h;f)+ε(ti;h).Daher kommt der Name Abschneidefehler.

Betrachtet man die Volterra’sche Integralgleichung auf dem Intervall (ti,ti+1), y(ti+h)=y(ti)+titi+1f(s,y(s))ds, so beschreibt der lokaler Fehler, wie gut hΦ das integral titi+1f(s,y(s))ds approximert.


Es ist klar, dass die Verfahrensfunktion eines sinnvollen ESV nicht beliebig sein kann, sondern gewisse Eigenschaften erfüllen muss. Welche sind das? Anstrebenswert ist, dass sich der lokale Verfahrensfehler verkleinert mit immer kleinerer Schrittweite h. Wir betrachten nun die Definition des lokalen Verfahrensfehlers τ(ti,h)=(y(ti+h)y(ti)hΦ(ti,h))/h, siehe (3.8). Für h0 erhalten wir im ersten Term auf der rechten Seite y(ti+h)y(ti)h=y(ti)=f(ti,y(ti)). Um die Kleinheit des lokalen Fehlers für h0 zu garantieren, muss daher die Verfahrensfunktion die folgende Eigenschaft besitzen: ϕ(ti,y(ti),h;f)f(ti,y(ti)) für h0.

Diese Eigenschaft wird die Konsistenz (Verträglichkeit) des Verfahrens mit der Anfangswertaufgabe, siehe (1.6), genannt. Die Güte der Approximation von der rechten Seite der Anfangswertaufgabe f durch die Verfahrensfunktion Φ und damit die Genauigkeit des numerischen Verfahrens wird mit der Konsistenzordnung gemessen.


Definition 3.3 (Konsistenz)

Sei τ(t;h) der lokaler Fehler des Einschrittverfahrens.
Das Einschrittverfahren (3.7) heißt konsistent mit der Anfangswertaufgabe, wenn maxtG'h|τ(t;h)|0 für h0. Das Einschrittverfahren (3.7) hat bezüglich der Anfangswertaufgabe (1.6) die Mindestkonsistenzordnung p wenn

maxtG'h|τ(t;h)|=𝒪(hp) für h0,

d.h. es existiert eine Konstante C+,C< sodass |τ(t;h)|Chp für alle t(t0,T).
Die maximale Mindestkonsistenzordnung pmax heißt die Konsistenzordnung des Einschrittverfahrens bezüglich der Anfangswertaufgabe (1.6).
Handelt es sich um ein System von Anfangswertaufgaben (1.6), m>1, wird die Konsistenz mit Hilfe der m Norm anstatt mit Betrag definiert.


Beispiel 3.3

Sei fC1([t0,T]×) (eimal stetig differenzierbar in t,y). Bestimme die Konsistenzordnung vom expliziten Eulerverfahren (3.2).

Wir berechnen zuerst den lokalen Fehler. Für das explizite Eulerverfahren gilt Φf, daher τ(t,h)=1h(y(t+h)y(t)hf(t,y(t))).
Nun setzen wir die Taylorreihe um h=0, y(t+h)=y(t)+hy(t)+h22y(ξ), ξ(t,t+h) ein und erstetzen f(t,y(t)) laut der Anfangswertaufgabe mit y(t). Wir erhalten

τ(t,h)=1h(y(t)+hy(t)+h22y(ξ)y(t)hy(t))=h2y(ξ)C2h=𝒪(h) für h0,

da y(ξ)=f(ξ,y(ξ)) eine stetige Funktion ist, und diese auf einem geschlossenen Intervall [t,t+h] gleichmäßig beschränkt ist. Damit hat das explizite Euerverfahren die Konsistenzordnung 1.


Außer der Konsistenz des Einschrittverfahrens für eine Anfangswertaufgabe ist noch ein weiterer Begriff von Bedeutung - die Konvergenz der erzeugten numerischen Lösung {ηi}i=1Nh zu der exakten Lösung y(t) an den Gitterpunkten tGh. Im vorherigen Beispiel haben wir die Konsistenzordnung Eins des expliziten Eulerverfahrens bestimmt und in Beipiel 3.2 haben wir uns davon überzeugt, dass dieses Verfahren für eine konkrete Anfangswertaufgabe auch konvergiert. Wie wir später sehen werden, garantiert alleine die Konsistenz eines Verfahrens die Konvergenz der numerischen Lösung nicht, eine andere Annahme ist zusätzlich erforderlich.
Die Konvergenz eines Einschrittverfahrens wird mittels des sogenannten globalen Diskretisierungsfehlers quantifiziert. Dieser beschreibt die tatsächtliche Entfernung der numerisch erzeugten Folge zu der exakten Lösung:



Definition 3.4 (Globaler Fehler)

Sei y die exakte Lösung der Anfangswertaufgabe (1.6). Das Einschrittverfahren (3.7) definiert in folgender Weise die Gitterfunktion η
η(;h):Ghm, η0:y(t0), ηi+1=ηi+hΦ(ti,ηi;h;f), i=0,1,Nh1.
Der globale Diskretisierungsfehler an der Stelle tGh ist definiert als

e(t;h)=y(t)η(t;h).(3.9)


In jedem Schritt des numerischen Verfahrens wird eine Annäherung der Lösung an entsprechender Stelle gewonnen und für weitere Schritte benutzt. Am Anfang (t=t0) nimmt man noch den exakten Startwert y(t0) und gewinnt im ersten Schritt des ESV eine numerische Lösung η1 in t1, wobei η1y(t1). Diese nutzt man in nächstem Schritt um η2 auszurechnen, allerdings ist in diesem (zweiten) Schritt bereits der Startwert fehlerbehaftet, da in η1y(t1). So wird die tatsächtlich erzeugte numerische Lösung ab dem zweitem Schritt nicht mehr mit der numerischen Lösung η~ (ausgehend aus exaktem Startwert, siehe Bemerkung 3.1 Punkt ii), übereinstimmen. Außer dem lokalen Diskretisierungsfehler gehen auch die fehlerbehafteten Startwerte in die numerische Schrittberechnung ein, also eine weitere Ungenauigkeit. In jedem Berechnungsschritt kummuliert sich der Fehler zum globalen Diskretisierungsfehler e(ti;h). Dieser weicht damit von dem lokalen Fehler ε(ti;h) für i=2,Nh ab. Ein konvergentes Einschrittverfahren weist sich allerdings mit einem angemessen kleinen globalen Diskretisierungsfehler aus, der für Schrittweite h0 verschwindet. Das Akkumlieren des Fehlers, der lokale Verfahrensfehler und der globale Diskretisierungsfehler ist in folgender Grafik dargestellt.

Die Güte der Konvergenz eines Einschrittverfahrens wird mit der Kleinheit des globalen Diskretisierung in folgender Weise definiert.

Abbildung 3.5: Lokaler und globaler Diskretisierungsfehler, Vergleich.


Definition 3.5 (Konvergenz)

Sei e(t;h) der globale Fehler des Einschrittverfahrens.
Das Einschrrittverfahren (3.7) heißt konvergentfür die Anfangswertaufgabe (1.6), wenn maxtGhe(t;h)0 für h0, hier beschreibt eine Norm in m.
Das Einschrittverfahren (3.7) hat bezüglich der Anfangswertaufgabe (1.6) die Mindestkonvergenzordnung p wenn

maxtGhe(t;h)=𝒪(hp) für h0.
Die maximale Mindestkonvergenzordnung pmax heißt die Konvergenzordnung des Einschrittverfahrens bezüglich der Anfangswertaufgabe (1.6).


Im Folgenden werden wir die hinreichende Bedingung der Konvergenz eines Einschrittverfahrens studieren. Dafür wird folgendes Lemma hilfreich.



Lemma 3.1

Sei {vi}i=0 eine reele Folge und es gelte die rekursive Beziehung v0=0,|vn+1|(1+α)|vn|+β,n=0,1,(3.10)


wobei α>0,β0. Dann gilt folgende Abschätzung: |vn|βα(enα1)(3.11)


Beweis. Offensichtlich gilt die Aussage für n=0, da |v0|=0βα(e01)=0.
Für n=1 gilt nach dem Rekursionsfortschritt (3.10) |v1|(1+α)0+β=β.

Da eα>1+α, bzw. eα1α>1 für α>0 gilt (nachrechnen!), erhalten wir aus dem oberen |v1|β<βeα1α.
Nach dem Rekursionsfortschritt ist
|v2|(1+α)|v1|+β=((1+α)+1)β,
|v3|(1+α)|v2|+β=((1+α)2+(1+α)+1)β und so weiter.
Also erhalten wir mit der Rekursion (3.10) nach n Schritten und der Summenformel für die geometrische Reihe |vn|((1+α)n1+(1+α)n2++(1+α)+1)β=β1(1+α)n1(1+α)=βα((1+α)n1).

Schätzen wir in oberem Ausdruck (1+α) nach oben mit (1+α)<1+α+α22!+α33!+=eα ab, erhalten wir schließlich die Behauptung des Lemmas. ◻



Satz 3.1 (Lokale Konvergenz)

Sei yC1[t0,T] eine eindeutige stetig differenzierbare Lösung der AWA (1.6) und die Menge Sh,γ ein γ-Streifen um die exakte Lösung: Sh,γ:={(t,η), tG'h,ηm(Gitterfunktion),mit η(t)y(t)γ, 0<h<Tt0}. Gelte zusätzlich

  1. Φ ist gleichmäßig Lipschitz-stetig auf Sh,γ mit einer Konstante M>0, d.h. Φ(t,η1;h;f)Φ(t,η2;h;f)Mη1η2 (t,η1),(t,η2)Sh,γ,
  2. Φ habe bezüglich der AWA (1.6) die Mindestkonsistenzordnung p, d.h. es existiert ein K>0 mit maxtG'hτ(t;h)Khp,für0<h<Tt0.

Dann existiert ein h¯[0,h0], sodass für tGh und alle 0<hh¯h0 gilt e(t;h)KMhp(eM(tt0)1).(3.12)


Abbildung 3.6: Menge Sh,γ (γ-Streifen)


Beweis. Wesentlich für den Beweis der Konvergenz eines konsistenten Einschritverfahren ist die Lipschitz-Stetigkeit der Verfahrensfunktion. Die Menge Sh,γ garantiert die lokale Lipschitz-Stetigkeit von Φ. Offensichtlich ist y(t0)Sh,γ und y(t)Sh,γ für tG'h. Allerdings kann das Näherungsverfahren (3.7) aus dem γ-Streifen Sh,γ (wo es in t0 angefangen hat) herausführen, also ηi+1=ηi+hΦ(t,η,h,f)Sh,γ für ein ηiSh,γ. Um dies zu verhindern modifizieren wir das Einschrittverfahren, indem wir die Werte der Gitterfunktion η(t) mit η(t)y(t)>γ auf den Rand von Sh,γ zurückziehen. Wir stellen diese Modifikation zunächst graphisch dar.

Die entsprechende modifizierte Verfahrensfunktion lautet: Φ^(t,η^,h,f)={Φ(t,η(t),h,f)falls (t,η)Sh,γ,Φ(t,y(t)+γ,h,f)falls (t,η)Sh,γ, η(t)>y(t)+γ,Φ(t,y(t)γ,h,f)falls (t,η)Sh,γ, η(t)<y(t)γ.

Mithilfe dieser Verfahrensfunktion erhalten wir die Paare (t,η^(t))Sh,γ.
Da die ursprüngliche Funktion Φ Lipschitz stetig auf Sh,γ war, bleibt diese Eigenschaft erhalten für Φ^.

Nun untersuchen wir den globalen Diskretisierungsfehler e^i+1:=e^(ti+1,h)=y(ti+1)η^i+1 der Näherungsfolge η^i (des modifizerten Verfahrens). Es gilt η^i+1=η^i+hΦ^(t,η^i;h;f),i=0,1,Nh1, η^0=y(t0).(3.13)


Für die exakte Lösung dagen gilt, vergleiche (3.8), y(ti+1)=y(ti)+hΦ^(ti,y(ti);h;f)+hτ^(ti,h).

Der lokale Abschneidefehler des modifizierten Verfahrens gleicht dem ursprünglichen, τ^(t;h)=1h(y(t+h)y(t)hΦ^(t,y(t),...))=1h(y(t+h)y(t)hΦ(t,y(t),...))=τ(t;h),

da Φ und Φ^ sich nur in dem zweiten Argument unterscheiden, was hier identisch ist (die exakte Lösung), siehe (3.8). Daher erhalten wir für die exakte Lösung y(ti+1)=y(ti)+hΦ^(ti,y(ti);h;f)+hτ(ti,h).

Setzt man y(ti+1) und η^i+1 in e^i+1 ein, erhält man e^i+1=y(ti)η^i+h(Φ^(ti,y(ti);h;f)Φ^(t,η^i;h;f))+hτ(ti,h).

Mithilfe der Dreiecksungleichung der Vektornorm, siehe Definition 2.2, der Lipschitz-Stetigkeit von Φ^ bezüglich der zweiten Variable (Voraussetzug i)) und der Vorraussetzug ii) erhält man die Abschätzung e^i+1e^i+hMy(ti)η^i+Khp+1=e^i(1+hM)+Khp+1.

Mit der Anwendung der Abschätzung (3.11) für rekursive Folgen folgt schließlich e^iKhpM(eihM1),i=0,1,Nh.

Da ih=tit0, ist (3.12) zuerst für das modifizierte (in Sh,γ) eingeschränkte Verfahren (3.13) bewiesen.

Um (3.12) für ei=e(t,h),tGh zu beweisen, beachte man, dass tit0Tt0 und damit e^iKM(e(Tt0)M1)hp=Chp, C>0. Nun wählt man hier die Schrittweite h<h0 klein genug, sodass Chpγ für ein vorher gegebenes γ>0. Damit ist der globale Fehler e^iy(ti)η^(ti)γ  für alle i=0,1,Nh.

In diesem Fall wird das ESV (3.13) nie aus dem γ-Streifen Sh,γ herausführen, und die Verfahrensfunktion braucht nicht modifiziert werden, Φ^=Φ. Demzufolge für eine hinreichend kleine Schrittweite h gilt η^i=ηi und e^i=ei für alle i=0,1,Nh (3.12) ist bewiesen.


Bemerkung 3.2 Folgerungen und Bemerkungen zum Satz 3.1:

  1. Die Folgerung der Abschätzung des globalen Fehlers (3.12) im Satz 3.1 ist
    e(t;h)Chp, bzw. maxtGhe(t;h)=𝒪(hp). Damit hat das Einschrittverfahren (3.7) bezüglich der AWA (1.6) die Mindestkonvergenzordnung p, vergleiche Definition 3.5.
  2. Die Konsistenz und die lokale Lipschitz-Stetigkeit der Verfahrensfunktion Φ im Streifen Sh,γ sind die hinreichende Bedingungen der (lokalen) Konvergenz eines Einschrittverfahrens gegen die eindeutige exakte Lösung.
  3. In der oberen Schranke des globalen Diskretisierungsfehlers spielt der Faktor
    hp(e(tt0)M1), tGh eine Rolle. Je größer t ist, desto größer kann der globale Fehler eventuell sein (Fehler akkumuliert) und desto kleiner muss die Schrittweite h gewählt werden, um den Fehler beschränkt zu halten. Ein gutes Verfahren liefert allerdings einen globalen Fehler, der auch für ’große’ h zufriedenstellend ist.


Beispiel 3.4 (Das explizite Eulerverfahren)

Für das Verfahren (3.2) gilt
Φ(t,y;h;f)=f(t,y). Dieses Verfahren hat für fC1 die Konsistenzordnung 1, siehe Beispiel (3.3). Da f stetig differenzierbar in y ist, ist f auch (lokal) Lipschitz-stetig (überzeugen Sie sich davon, indem Sie den Mittelwertsatz anwenden).

Demzufolge existiert eine eindeutige exakte Lösung der AWA und das explizite Eulerverfahren hat die (Mindest)-Konvergenzordnung 1.


Beispiel 3.5 (Das verbesserte (modifizierte) Eulerverfahren)

Die Verfarensfunktion des verbesserten Eulerverfahrens lautet Φ(t,y;h;f)=f(t+h2,y+h2f(t,y)), vergleiche (3.4).
Sei fC1f erfüllt die Lipschitz-Bedingung (lokal).
Nun zeigen wir, dass auch Φ Lipschtiz-stetig ist: Mithilfe der Definition der Formel der Verfahrensfunktion, des zweifachen Anwendens der Lipschtiz-Stetigigkeit von f und der Dreiecksungleichung erhalten wir Φ(t,y1;h;f)Φ(t,y2;h;f)=f(t+h2,y1+h2f(t,y1))f(t+h2,y2+h2f(t,y1))L(y1+h2f(t,y1))(y2+h2f(t,y2))Ly1y2+Lh2f(t,y1)f(t,y2)L(1+Lh2)y1y2=L~y1y2,

d.h. Φ erfüllt die Lipschtiz-Bedingung mit der Konstante L~:=L(1+Lh2).

Nun bestimmen wir die Konsistenzordnung dieses Verfahrens. Wir setzen voraus, dass fC2. Ähnlich wie im Beispiel 3.3 berechnen wir den lokalen Fehler τ(t,h)=1h(y(t+h)y(t)h[f(t+h2,y+h2f(t,y))]).

Nun ersetzen wir y(t+h) und die Verfahrensfunktion f(t+1h,y+1hf(t,y)) mit den Taylorreihen um Entwicklungspunkt h=0, y(t+h)=y(t)+hy(t)+h22y(t)+h33!y(θ)%+h44!y(iv)(θ), θ(t,t+h), f(t+,y+f(t,y))=f(t,y)%(t+,y+f(t,y))|h=0+hdf(t+,y+f(t,y))dh|h=0+h22!d2f(t+,y+f(t,y))dh2|h=0%+h33!d3fdh3+=f(t,y)+h(12ft+f2fy)(t,y)+h22!%(h2)2(14ftt+2f4fty+f24fyy)(θ1,θ2)

mit θ1(t,t+), θ2(y+f(t,y)). Hier bezeichnen ft:=tf(,),fy:=yf(,),fty:=tyf(,) die entsprechende erste und zweite partielle Ableitung von f(t,y) nach t, y. [1]
Nach dem Einsetzen von y(t+h) und f(t+,y+f(t,y)) in τ unter der Beachtung von y(t)=f(t,y(t))undy(t)=f(t,y(t)=ft(t,y)+fy(t,y)y(t)ft(t,y)+fy(t,y)f(t,y)(3.14)

erhalten wir τ(t,h)=y(t)+h2y(t)+h26y(θ)(f(t,y)y(t)+h2(ft+ffyy(t))(t,y)+h28(ftt+2ffty+f2fyy)(θ1,θ2))=h26y(θ)h28(ftt+2ffty+f2fyy)(θ1,θ2).%+(h3) für h0,

Nach der Voraussetzung ist f(t,y) zweimal stetig differenzierbar in t und y, und y(t) dreimal stetig differentierbar in t, also existiert eine Konstante C>0 mit τ(t,h)h26y(θ)+h28(ftt+2ffty+f2fyy)(θ1,θ2)Ch2.

Damit ist τ(t,h)=𝒪(h2), die Mindestkonsistenzordnung ist 2.

Nun untersuchen wir, ob eine höhere Konsistenzordnung möglich ist. Dafür müssen die Taylorreihen um eine weitere Potenz von h erweitert werden. In dem Fall werden y in t ausgewertet, das zweite Differenzial ftt+2ffty+f2fyy in (t,y) und die Taylorreste (enthält h4) in θ bzw (θ1,θ2). Nach dem Einsetzen der erweiterten Reihen in τ(t,h) erhalten wir ähnlich wie oben τ(t,h)=h26y(t)h28(ftt+2ffty+f2fyy)(t,y)+(h3), wobei (h3) dieTaylorreste mit h3 enthält. Die Fortsetzung von (3.14) ergibt y(t)=f(t,y(t))=d(ft(t,y)+fy(t,y)f(t,y))dt=(ftt+ftyy+fytf+fyft+fyyyf+fy2y)(t,y)=y=f(ftt+2ftyf+fyft+fyyf2+fy2f)(t,y)neq(ftt+2ffty+f2fyy)(t,y).(3.15)

Daraus ist ersichtlich, dass die quadratischen Terme im Ausdruck für τ(t,h), 16y(t)18(ftt+2ffty+f2fyy)(t,y)0. Damit bleibt die maximale Mindestkonsistenzordnung (Konsitenzerodnung) dieses Verfahrens 2. Schließlich erhalten wir mit der Lipschtitz-Stetigkeit der Verfahrensfunktion die Konvergenzordnung 2 des verbesserten Eulerverfahrens.


Am Ende dieses Kapitels fassen wir nun das Vorgehen zur Bestimmung der Konsistenzordnung eines Einschrittverfahrens zusammen:

  1. Berechne die Taylorentwicklung der exakten Lösung an der Stelle t, y(t+h)=y(t)+hy(t)+
  2. Berechne die Taylorentwicklung der Verfahrensfunktion an der Stelle h=0, ϕ(t,y;h;f)=ϕ(t,y;0;f)+hdϕdh(t,y;h;f)|h=0+
  3. Setze die Taylorreihen in die Definition vom lokalen Fehler ein τ(t,h)1h(y(t+h)y(t)h[Φ(t,y;h;f)]).
  4. Ersetze die auftretenden Ableitungen von y wie in (3.14) und (3.15) und vergleiche die resultienden Koeffizienten bei h,h2,,hp1 in τ. Sind diese Null, hat das Verfahren die Mindestkonsistenzordnug p.
  5. Untersuche die Möglichkeit einer höheren Konsistenzordnung, analysiere den resultierenden Koeffizienten bei hp.


Bemerkung 3.3

Im Beispiel 3.5 haben wir gesehen, dass einige Terme aus y mit
ftt+2ffty+f2fyy übereinstimmen, siehe (3.15). Dies führt zur folgenden Überlegung. Würde in der Taylorentwicklung der Verfahrensfunktion Φ beim Term mit h2 die Konstante 1/6 stehen, würden die Terme ftt+2ffty+f2fyy komplett verschwinden und nur ein Teil von y im führenden Fehlerglied stehen. Der lokaler Fehler τ wäre so minimal. Verfahren, die die Konstante des führenden Fehlerglieds minimieren nennt man auch optimal. Wir haben gesehen, dass das modifiziere Eulerverfahren (explizite Mittelpunktregel) aus dieser Sicht nicht optimal ist. Im nächstem Kapitel lernen wir die Einschritt Runge-Kutta Verfahren, deren Konstruktion mit mehreren Freitheitsgraden sich für die Verfahrenskoeffizienten anbietet. Die freien Parameter kann man so wählen, dass das resultierende Verfahren höchstmögliche Ordnung und kleinstmögliche führende Fehlerglieder haben.


  1. Man betrachtet hier die Funktion f=f(ξ,ζ) als Funktion zweier von h abhängigen Variablen ξ(h) und ζ(h), und verwendet die Kettenregel um die totale Ableitungen df(ξ(h),ζ(h))dh auszurechnen.