Kurs:Statistik für Anwender/Vergleich von Erwartungswert und arithmetischem Mittelwert

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Vergleich von Erwartungswert und arithmetischem Mittelwert

Erwartungswert einer ZV

Wir betrachten eine (diskrete) ZV X, mit ihrer Wahrscheinlichkeitsverteilung:
mögl. Wertx1x2xmgesamtWahrsch.P(X=x1)=w1P(X=x2)=w2P(X=xm)=wmw1+w2++wm=1

Der Erwartungswert der ZV X ergibt sich dann als:
E(X)=x1w1+x2w2++xmwm

Durchführung des zugehörigen Zufallsexperiments und Mittelwert

Führt man das zugehörige ZE n-mal durch, so erhält man eine Stichprobe mit absoluten und relativen Häufigkeiten:
Wertx1x2xmgesamtabs. Häuf.h(x1)=h1h(x2)=h2h(xm)=hmh1+h2++hm=nrel. Häuf.r(x1)=h1nr(x2)=h2nr(xm)=hmnr1+r2++rm=1

Der arithmetischen Mittelwert des Merkmals X ergibt sich dann als:
X=x1r1+x2r2++xmrm

Vergleich Erwartungswert und Arithmetisches Mittel

Allerdings stimmen die relativen Häufigkeiten rk (normalerweise) nicht exakt mit den Wahrscheinlichkeiten wk überein und folglich ist (normalerweise) X=E(X).
Folgendes ist erkennbar:

  • Die relative Häufigkeit h(ak)n ist eine Schätzung für die Wahrscheinlichkeit P(X=ak).
  • Der arithmetische Mittelwert x ist eine Schätzung für den EW E(X) der ZV.
  • Die empirische Varianz sx2 ist eine Schätzung für die Varianz V(X) der ZV.

Unterschiede

Es ist wichtig, eine Unterscheidung zwischen P(X=ak) und r(ak) bzw. zwischen E(X) und x bzw. zwischen V(X) und sx2 vorzunehmen. Zu beachten ist dabei:

  • P(X=ak), E(X) und σX sind der ZV X zugeordnet. Sie sind durch das Zufallsexperiment eindeutig festgelegt und hängen nicht von der Stichprobe ab. Leider sind sie in vielen in der Praxis relevanten Situationen nicht bekannt.
  • h(ak), x und sx sind der Stichprobe zugeordnet. Sie können aus ihr leicht berechnet werden und sind somit bekannt. Allerdings hängen Sie (wie auch die Stichprobe) vom Zufall ab. Erhebt man eine neue Stichprobe, so erhält man andere Werte für h(ak), x und sx.

Zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen

Es gibt nun zwei typische Situationen, die völlig unterschiedliche Blickwinkel bieten:

Betrachtungsweise 1: Mögliche Werte und Wahrscheinlichkeiten sind bekannt

Die möglichen Werte und die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten sind bekannt. Man kann dann einfach E(X) berechnen, die Erhebung einer Stichprobe und die Bestimmung des arithmetischen Mittelwerts X sind zwar möglich, bringen aber nichts ein.

Beispiel 1

Beim Würfelwurf sind die Werte 1,,6 möglich (alle mit Wahrscheinlichkeit 16) und daraus bestimmt man E(X)=3.5. Man könnte nun mehrmals werfen und erhält (zum Beispiel) die folgenden Häufigkeiten:

k123456gesamthkh(1)=5h(2)=1h(3)=4h(4)=4h(5)=2h(6)=4n=20rkr(1)=0.25r(2)=0.05r(3)=0.2r(4)=0.2r(5)=0.1r(6)=0.21

Daraus lässt sich X=0.251+0.052+0.23+0.24+0.15+0.26=3.45 bestimmen. Dabei liegt X nahe bei E(X). Dies ist wahrscheinlich, muss aber nicht so sein (im Extremfall wäre auch X=1 oder X=6 möglich gewesen).

Betrachtungsweise 2: Mögliche Werte und Wahrscheinlichkeiten sind unbekannt

Man kennt die möglichen Werte und die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten nicht, möchte aber gerne etwas über E(X) wissen. Daher erhebt man eine Stichprobe. Dann kann man X als Schätzwert für E(X) nehmen. Man weiß dann aber im konkreten Fall nicht, wie gut diese Schätzung ist. In der schließenden Statistik (siehe Vorlesung ’Statistik für Anwender II’) untersucht man Methoden zur Beurteilung solcher Schätzungen.

Beispiel 2

In einer Lostrommel befinden sich viele Kugeln mit Zahlen darauf. Sie wissen nicht, welche Zahlen daraufstehen und mit welcher Häufigkeit sie vertreten sind. Bei 50-maligem Ziehen erhalten Sie die folgenden absoluten Häufigkeiten:

k01234711gesamthk171595211n=50rk0.340.30.180.10.040.020.021

Daraus berechnen Sie
X=1.48
und können dies als Schätzwert für E(X) nehmen.

Beispiel 3.1

Man interessiert sich für den Erwartungswert der Zufallsvariable Z, die die Anzahl der Jungtiere in einem Wurf einer Katze. Da man die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Anzahlen nicht kennt, kann man diesen Erwatungswert nicht ausrechnen. Man hat daher nur die Möglichkeit, ihn mit Hilfe des Erwartungswerts einer Stichprobe zu schätzen.
Beispielsweise erhebt man die folgende Stichprobe:
k123456789101112gesamthk8173126643211010100rk0.080.170.310.260.060.040.030.020.010.0100.0101

Beispiel 3.2

Anmerkung: Wahrscheinlichkeiten sind unbekannt, können durch relative Häufigkeit geschätzt werden.

Daraus ergibt sich der artithmetische Mittelwert der Stichprobe:

X=3.61


Der Erwartungswert

E(X)

ist aber unbekannt, kann aber durch

X

geschätzt werden.

Erwartungstreue, Varianzbetrachtung und Konsistenz obiger Schätzungen

Sei X eine endliche ZV, die die Werte a1,,am mit den Wahrscheinlichkeiten pk=P(X=ak) (k=1,,m) annehmen kann und EW E(X) und Varianz V(X) hat.

Weiterhin seien X1,,Xm unabhängige ZV, die identisch wie X verteilt sind (d.h. sie haben alle diesselbe W-Funktion wie X). Wir betrachten außerdem die ZV:
Hnk=#{j{1,,n}; Xj=ak}(k=1,,m)Mn=1nj=1nXjVn=1n1j=1n(XjMn)2

Schätzung von p

Die Schätzung von pk=P(X=ak) durch Hnkn

  • ist erwartungstreu, das heißt, es gilt: E(Hnkn)=pk
  • hat eine gegen 0 konvergierende Varianz, also: V(Hnkn)n0
  • ist konsistent, d.h. für alle c>0 ist: P(|Hnknpk|<c)n1

Schätzung von E

Die Schätzung von E(X) durch Mn

  • ist erwartungstreu, das heißt, es gilt: E(Mn)=E(X)
  • hat eine gegen 0 konvergierende Varianz, also: V(Mn)n0
  • ist konsistent, d.h. für alle c>0 ist: P(|MnE(X)|<c)n1

Schätzung von V

Die Schätzung von V(X) durch Vn

  • ist erwartungstreu, das heißt, es gilt: E(Vn)=V(X)
  • hat eine gegen 0 konvergierende Varianz, also: V(Vn)n0
  • ist konsistent, d.h. für alle c>0 ist: P(|VnV(X)|<c)n1

Beispiel 4.1

Wir betrachten eine ZV X mit den folgenden möglichen Werten 0,3,9,12 und den folgenden dazugeörenden Wahrscheinlichkeiten: P(X=0)=0.1P(X=3)=0.2P(X=9)=0.3P(X=12)=0.4 Daraus berechnet man EW und Varianz von X durch: E(X)=8.1und
V(X)=18.09

Beispiel 4.2

Eine Person, die die oben angegebenen Wahrscheinlichkeiten nicht kennt, will Schätzungen für E(X) und V(X) vornehmen. Dazu führt sie eine Stichprobe der Länge n=3 durch und berechnet daraus x und sx2. Für die Stichprobe x1,x2,x3 gibt es 64 Möglichkeiten. Diese haben bestimmte Wahrscheinlichkeiten und führen zu verschiedenen Werten für x und sx2.

Beispiel 4.3

mögliche StichprobeWahrscheinlichkeitergibtergibt(x1,x2,Xx3)zusammenx=sx2=(0,0,0)0.00100(3,3,3)0.00830(9,9,9)0.02790(12,12,12)0.064120(0,0,3),(0,3,0),(3,0,0)0.00613(0,0,9),(0,9,0),(9,0,0)0.009327(0,0,12),(0,12,0),(12,0,0)0.012448(3,3,0),(3,0,3),(0,3,3)0.01223(3,3,9),(3,9,3),(9,3,3)0.036512(3,3,12),(3,12,3),(12,3,3)0.048627(9,9,0),(9,0,9),(0,9,9)0.027627

Beispiel 4.4

mögliche StichprobeWahrscheinlichkeitergibtergibt(x1,x2,Xx3)zusammenx=sx2=(9,9,3),(9,3,9),(3,9,9)0.054712(9,9,12),(9,12,9),(12,9,9)0.108103(12,12,0),(12,0,12),(0,12,12)0.048848(12,12,3),(12,3,12),(3,12,12)0.096927(12,12,9),(12,9,12),(9,12,12)0.144113(0,3,9),(0,9,3),(3,0,9),(3,9,0),(9,0,3),(9,3,0)0.036421(0,3,12),(0,12,3),(3,0,12),(3,12,0),(12,0,3),(12,3,0)0.048539(0,9,12),(0,12,9),(9,0,12),(9,12,0),(12,0,9),(12,9,0)0.072739(3,9,12),(3,12,9),(9,3,12),(9,12,3),(12,3,9),(12,9,3)0.144821

Beispiel 4.5

Fasst man x=^Mn als ZV auf, so kann diese also die folgenden Werte mit den angegebenen Wahrscheinlichkeiten annehmen: a0123456789101112P(Mn=A)0.0010.0060.0120.0170.0480.0840.0750.1260.1920.1230.1080.1440.064
Daraus ergibt sich
E(Mn)=8.1=E(X)

Beispiel 4.6

Fasst man sx2=^Vn als ZV auf, so kann diese also die folgenden Werte mit den angegebenen Wahrscheinlichkeiten annehmen: a031221273948P(Vn=a)0.1000.2700.0900.1800.1800.1200.060 Daraus ergibt sich
E(Vn)=18.08=V(X)

Damit haben wir die Erwartungstreue der beiden Schätzungen für diese spezielle ZV X nachgerechnet.

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