Kurs:Funktionalanalysis/Quotientenraum

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Einleitung

Der Quotientenvektorraum, auch kurz Quotientenraum oder Faktorraum genannt, ist ein Begriff aus der linearen Algebra, einem Teilgebiet der Mathematik. Er ist derjenige Vektorraum, der als Bild einer Parallelprojektion entlang eines Untervektorraums entsteht. Die Elemente des Quotientenvektorraumes sind Äquivalenzklassen. In einem Quotientenvektorraum entspricht der Nullvektor dem Untervektorraum bzgl. dem der Quotientenraum gebildet wird. Alle anderen Elemente entstehen durch Verschiebung des Untervektorraumen mit einem Repräsentanten des Vektorraumes.

Definition: Aquivalenzrelation

Es sei V ein Vektorraum über einem Körper K und U ein Untervektorraum von V. Durch die Festsetzung

v1v2:v1v2U für v1,v2V

wird auf V eine Äquivalenzrelation definiert.

Geometrische Interpretation

Die Vektoren v1 und v2 sind also äquivalent, wenn sie sich um einen Vektor aus uU unterscheiden. Betrachtet man z.B. eine Gerade als eindimensionalen Untervektorraum U durch den Ursprung, so kann man die Äquivalenz zweier Vektor v1 und v2 geometrisch wie folgt ausgedrücken:

Wenn die Gerade durch die Punkte v1 und v2 parallel zur durch U definierten Gerade ist, sind v1 und v2 äquivalent.

Äquivalenzklassen

Die Äquivalenzklasse eines Punktes v ist

[v]:=v+U:={v+uuU},

anschaulich der zu U „parallele“ affine Unterraum durch v. Die Äquivalenzklassen werden auch als Nebenklassen bezeichnet (dieser Begriff stammt aus der Gruppentheorie).

Definition: Quotientenvektorraum

Der Quotientenvektorraum von V nach U ist die Menge aller Äquivalenzklassen und wird mit V/U bezeichnet:

V/U:={[v]vV}.

Er bildet einen Vektorraum, wenn die Vektorraumoperationen vertreterweise definiert werden:

  • [v1]+[v2]=[v1+v2]
  • λ[v]=[λv]

für v,v1,v2V und λK.

Wohldefiniertheit der Operationen

Diese Operationen sind wohldefiniert, also von der Wahl der Vertreter unabhängig, d.h.

  • Für v1,v2[v] und w1,w2[w] gilt auch [v1+w1]=[v2+w2]
  • Für v1,v2[v] und λ𝕂 gilt auch [λv1]=[λv2]

bzw.

  • Für v1[v] und w1[w] gilt auch [v1+w1]=[v+w]
  • Für v1[v] und λ𝕂 gilt auch [λv1]=[λv]

Beweisidee für den Nachweis der Wohldefiniertheit

Man zeigt jeweils zwei Mengeninklusionen für die Repräsentatenunabhängigkeit der definierten Operationen:

  • Seien v1[v] und w1[w] beliebig gewählt. Man zeigt v1+w1[v+w] bzw. [v]+[w][v+w]
  • Für v1[v] und λ𝕂 zeigt man λv1[λv] bzw. λ[v1][λv]

Aufgabe für Studierende

Betrachten Sie die Inklusionen [v]+[w][v+w] und λ[v1][λv]. In meisten Fällen gilt sogar die Mengengleichheit [v]+[w]=[v+w] und λ[v1]=[λv]. Bestimmen Sie die Fälle, in denen eine echte Teilmengenbeziehung vorliegt!

Mengeninklusion für den Nachweis der Wohldefiniertheit

Exemplarisch wird für v1[v] der Nachweis Mengeninklusion λ[v1][λv] geführt (Beweisen Sie die anderen 3 Mengeninklusionen analog als Übung):

  • Sei x[λv1], dann gilt es ein u1U mit x=λv1+u1[λv1].
  • Ferner gibt es mit v1[v] ein u2U mit v1=v+u2v+U=[v].
  • Insgesamt erhält man: x=λv1+u1=λ(v+u2)+u1=λv+(λu2+u1U)[λv].

Ideal und Multiplikation

Ist A eine Algebra und der Untervektorraum UA zugleich auch ein Ideal, dann kann man auch eine wohldefinierte Multiplkation auf dem Quotientenraum A/U odefinieren. Für die Multiplikation im Quotientenraum A/U muss man wieder die Repräsentantenunabhängigkeit nachweisen. Also mit v1[v] und w1[w] gilt auch:

v1w1[vw]

Zeigen Sie die Repräsentantenunabhängigkeit der Multiplikation im Quotientenraum!

Eigenschaften 1

  • Es gibt eine kanonische surjektive lineare Abbildung
π:VV/U,v[v].
  • Ist W ein Komplement von U in V, d. h. ist V die direkte Summe von U und W, so ist die Einschränkung von π auf W ein Isomorphismus. Es gibt aber keine kanonische Möglichkeit, V/U als Unterraum von V aufzufassen.
  • Ist V endlichdimensional, dann ergibt sich daraus die folgende Beziehung für die Dimensionen:
dimU+dimV/U=dimV

Eigenschaften 2

  • Der Dualraum von V/U kann mit denjenigen Linearformen auf V identifiziert werden, die auf U identisch 0 sind.
  • Der Homomorphiesatz besagt, dass eine lineare Abbildung f:VW einen Isomorphismus
V/(Kern(f))Im(f)
zwischen dem Quotientenraum von V nach dem Kern von f und dem Bild von f induziert, d. h. die Verkettung
VV/(Kern(f))Im(f)W
ist gleich f.

Anwendung in der Funktionalanalysis

Viele normierte Räume entstehen auf die folgende Weise: Sei V ein reeller oder komplexer Vektorraum und sei p eine Halbnorm auf V. Dann ist U={vVp(v)=0} ein Untervektorraum von V. Der Quotientenraum V/U wird dann mit der Norm [v]p(v) ein normierter Vektorraum.

Allgemeiner: Sei V ein topologischer Vektorraum, der nicht hausdorffsch ist. Dann lässt sich analog zu oben ein Unterraum definieren: U={vVJede 0-Umgebung enthält v}={0}. Der Quotientenraum V/U wird mit der Quotiententopologie ein hausdorffscher topologischer Vektorraum.

Beispiele

Die folgenden Beispiele zeigen mathematische Anwendung für Quotientenräume:

  • Lp-Räume
  • Unterräume, die durch Halbnormen definiert werden,
  • gemeometrische Interpretation

Abstrakt

Die Lp-Räume sind Quotientenräume bei denen man Funktionen in einer Äquivalenzklasse zusammenfasst, die sich nur auf Nullmengen unterscheiden. Mit dieser Bemerkung für Lp-Räume sind auch die Sobolew-Räume Quotientenvektorräume.

Konkret

Gegeben sei der Vektorraum V=2 und der eindimensionale Untervektorraum

U={(xx)|x}.

Dann ist zum Beispiel

(4212)+U:={(4212)+u|uU}

eine Äquivalenzklasse des Quotientenraumes V/U.

Geometrische Darstellung von Quotientenräumen

Anschaulich ist jede Gerade, die parallel zur winkelhalbierenden Gerade des 1. Quadranten ist, eine Äquivalenzklasse:

Faktorraum

Siehe auch

Literatur

  • Gerd Fischer: Lineare Algebra. Vieweg-Verlag, lSBN 3-528-97217-3.
  • Klaus Jänich: Lineare Algebra. Springer-Lehrbuch, lSBN 3-540-66888-8.

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