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== Einleitung ==
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Dabei werden die folgenden Teilaspekte im Detail behandelt:
* (1) Definition von Momenten
* (2) Erwartungswert
* (3) Varianz

== Motivation - Erwartungswert ==
Vorbemerkung: Zwei Personen <math> A </math> und <math>B </math> vereinbaren ein Würfelspiel.

* Ausgang '1': <math> A </math> zahlt an <math>B </math> 5€
* Ausgang '2', ..., '6': <math> B </math> zahlt an <math>A </math> 1€

Die Gewinnerwartung für die beiden Spieler beträgt hier Null: Erwarteter Gewinn von <math>B</math>:

:<math> 5 \cdot \frac {1} {6} - 1 \cdot \frac {1} {6} - ... -1 \cdot \frac {1} {6} = 0 </math>

("faires Spiel").

=== Bemerkung - Wahrscheinlichkeit und Wert der Zufallsgröße ===
In der obigen Gleichung 

:<math> 5 \cdot \frac {1} {6} - 1 \cdot \frac {1} {6} - ... -1 \cdot \frac {1} {6} = 0 </math>
setzen sich die einzelnen Terme (z.B. <math> 5 \cdot \frac{1}{6} </math>) aus dem Wert der Zufallsgröße <math>X(1) = 5</math> und der Wahrscheinlichkeit <math> \frac{1}{6} </math> für das Eintretens des Ereignisse ("1 gewürfelt") zusammen.

=== Definition - Erwartungswert ===
Sei <math> X </math> eine auf einem diskreten [[Wahrscheinlichkeitsraum]] <math> (\Omega, \mathcal{S}, P) </math> definierte Zufallsvariable, dann heißt 

:<math> E(X) = \sum_{x \in X (\Omega)} x \cdot P(X=x) = \sum_{x \in X(\Omega)} x \cdot P_X (\lbrace x \rbrace)</math>

Erwartungswert von <math> X </math>, vorausgesetzt, dass <math> \sum_{x \in X(\Omega)} |x| \cdot P(X=x) < \infty </math>.

=== Bemerkung - Anzahl Summanden ===
Die Zufallsgröße <math>X</math> nimmt nur zwei Werte an, nämlich <math>X(\omega)=5</math> für <math>\omega =1</math> und <math>X(\omega)=-1</math> für <math>\omega =2,3,4,5,6</math>. Dabei besteht der Erwartungswert in der obigen Notation nur aus zwei Summanden, da <math>X(\Omega)=\{-1,5\}</math>.

=== Bemerkung - Notation zum Beispiel ===
Möchte man den Erwartungswert analog zur obigen Notation mit 6 Summand definieren:

:<math> E(X) = \sum_{\omega \in \Omega} X(\omega) \cdot P(\{\omega\}) =
5 \cdot \frac {1} {6} + \underbrace{(- 1) \cdot \frac {1} {6} + ... +(-1) \cdot \frac {1} {6}}_{=(-1) \cdot \frac {5} {6}} = 0 </math>

=== Bemerkung - Erwartungswert ===
Die Reihe <math> \sum _x |x| \cdot P(X=x) < \infty</math> hat nur abzählbar viele Elemente <math>x</math> mit <math>P(X=x) \not= 0</math>. Mit <math> \sum _x |x| \cdot \underbrace{P(X=x)}_{\geq 0} </math> ist die Reihe in der Definition zum Erwartungswert absolut konvergent. Die Fälle <math> E(x) = + \infty </math> und <math> E(x) = - \infty </math> werden also ausgeschlossen. In solchen Fällen existiert der Erwartungswert nicht.

=== Satz - Erwartungswert für diskrete Zufallsvariablen ===
Bezeichnet <math> p_\omega = P( \lbrace \omega \rbrace ) </math> die Wahrscheinlichkeitsfunktion von <math> P </math> auf <math> \Omega </math>, so gilt für eine auf <math> ( \Omega, \mathcal{S}, P)</math> definierte Zufallsvariable <math> X:\Omega \to \mathbb{R}</math>:

:<math> E(X)= \sum_{\omega \in \Omega} X(\omega)\cdot p_\omega </math>

(sofern <math> \sum |X(\omega)| \cdot p_\omega < \infty </math>).

=== Beweis ===
Es ist 

:<math>
  \begin{array}{rcl}
        \displaystyle \sum_{\omega \in \Omega} X(\omega) \cdot p_\omega
        & =    & 
        \displaystyle 
        \sum_{x \in X(\Omega)} 
        \sum _{\omega:X(\omega) = x} X(\omega) \cdot p_\omega  \\
        & =    & 
        \displaystyle 
        \sum_{x \in X(\Omega)} x \sum_{\omega:X(\omega)=x} p_w \\
        & =    &  
        \displaystyle 
        \sum_{x \in X(\Omega)} x \cdot P^X(\lbrace x \rbrace) \\
        & =    & E(X) \\
          \end{array}
</math>

=== Bemerkung zum Beweis ===
In den Beweis geht der große Umordnungssatz für konvergente Reihen aus der Analysis ein. Die Anwendung Umordnungssatzes ist möglich, da <math> E(|X|) < \infty</math> gilt und damit die Reihe absolut konvergent ist.

=== Bemerkungen - Existenz Erwartungeswertes ===
Im Fall absoluter Konvergenz der Reihen (Beispiele oben) sagt man:
* <math> X </math> besitzt einen Erwartungswert, oder
* der Erwartungswert von <math> X</math> existiert.  
<math> X </math> besitzt genau dann einen Erwartungswert, falls <math> E|X| = \sum_w |X(w)| p_w < \infty </math>. <br>

==== Endlicher Ergebnisraum ====
Dies ist bei endlichen <math> \Omega </math> immer der Fall. 


==== Schreibweise ====
Statt <math>E(X)</math> auch <math>EX</math> oder <math>E_PX</math>, wenn man kenntlich machen möchte, bzgl. welchem Wahrscheinlichkeitsmaß <math>P</math> der Erwartungswert berechnet wurde.

=== Elementare Folgerungen ===
Aus dem obigen Satz zum Erwartungswert folgt: <math> E(1) = 1, E(X) \le E(Y)</math>, falls <math> X(w) \le Y(w)</math> für alle <math> w \in \Omega </math> gilt.

==== Beispiel ====
Ist <math> X(w) = \lbrace w_1, ..., w_m \rbrace</math>, und ist <math> P_X</math> die Gleichverteilung auf <math> X(\Omega)</math>, so lautet der Erwartungswert 

:<math> E(X)= \frac {1} {m} \sum _{i=1}^{m} x_i </math> ("arithmetisches Mittel").  <br>

(Der Erwartungswert der Augenzahl beim Würfeln ist 3,5.)

==== Beispiel ====
Für die Indikatorvariable <math> X=1_A</math> eines Ereignisses <math> A \subset \Omega </math> gilt:

:<math> E(1_A) = 0 \cdot P(1_A = 0) + 1 \cdot P(1_A = 1) = P(A)</math>

Eine direkte Folgerung aus der Behauptung ist der folgende Satz.

=== Satz - Linearität des Erwartungswertes ===
Besitzen die Zufallsvariablen <math> X_1, X_2</math> Erwartungswerte, so auch die Zufallsvariablen <math> aX_1, bX_2, a,b \in \mathbb{R}</math>, und es gilt:

:<math> E(aX_1+bX_2 ) = aE(X_1) + bE(X_2)</math> ("[[Kurs:Stochastik/Linearität Erwartungswert|Linearität]]")

=== Anwendungsbeispiel für die Linearität des Erwartungswertes ===
Für ein <math> B(n,p)</math>-verteiltes <math>X</math> gilt:

:<math> E(X) = np</math>


===== Beweismöglichkeiten=====
1. <math> E(X)= \sum _{k=k}^{n} k \binom {n}{k} p^k (1-p)^{n-k} = ... = n \cdot p</math>

2. Für die Binominalverteilung gilt  <math> X=X_1 + .. + X_n </math> mit <math> EX_i = p</math>. Dann ist 

:<math> E(X)=E(X_1) + ... + E(X_n) = n \cdot p </math> (wg. Linearität).  <br>

Der Erwartungswert von Funktionen <math> \phi \circ X</math> einer Zufallsgröße berechnet sich wie folgt.

=== Satz - Verkettung von messbaren Abbildungen ===
Ist <math> X: \Omega \to \Omega'</math> Zufallsgröße auf <math> (\Omega,P) </math> und <math> \phi: \Omega' \to \mathbb{R}</math> eine Abbildung, dann gilt

:<math> E(\phi \circ X)= \sum_{x \in X(\Omega)} \phi(x) P_X( \lbrace x \rbrace)</math>

(Falls die Reihe absolut konvergiert).

=== Beweis ===
:<math> E_P(\phi \circ X) = \sum_{w \in \Omega} \phi(X(w)) p_w = \sum_{x \in X(w)} \sum_{w:X(w) = x} \phi(X(w)) p_w </math>

:<math> = \sum_{x \in X(w)} \phi(x) \sum _{w: X(w)=x} p_w = \sum_{x \in X(w)} \phi(x) P_X(\lbrace x \rbrace). </math>

(Großer Umordnungssatz für absolut konvergente Reihen)  <br>

=== Beispiele ===
Gemäß der Behauptung gilt z.B.

: Mit <math>\phi_1(x) := x^2</math> erhält man <math>E(\phi_1) = \sum_{x} x^2 P_X(\lbrace x \rbrace) </math>

:Mit <math>\phi_2(x) := e^x</math> erhält man  <math> E(\phi_2) = \sum_ {x} e^x P_X(\lbrace x \rbrace)</math>

usw.

====Bemerkung ====
Die rechte Seite der Behauptung kann man auch als <math> E_{P_X} (\phi)</math> schreiben.  <br>
In der Tat, <math> P_X (\lbrace x \rbrace)</math> ist Wahrscheinlichkeitsfunktion auf <math> \Omega' </math> und <math> \phi</math> wird als Zufallsvariable auf <math> (\Omega', P_X)</math> aufgefasst:

:<math> E_P(\phi \circ X)= E_{P_X}(\phi)</math>

=== Satz - Multipkikation von unabhängigen Zufallsgrößen ===
Die Zufallsvariablen <math> X,Y</math> mögen unabhängig sein und Erwartungswerte besitzen. Dann besitzt auch <math> X \cdot Y</math> einen Erwartungswert und es gilt

:<math> E(X \cdot Y) = E(X) \cdot E(Y)</math>

====Beweis (i.1)====
Zur Existenz von <math> E(X \cdot Y)</math>:

:<math> E(|X \cdot Y|)= \sum_{w \in \Omega } |X(w) \cdot Y(w)| p_w </math>

:<math> = \sum_{x \in X(\Omega)} \sum _{y \in Y(\Omega)} \sum_{w:X(\omega)=x, Y(\omega) = y} |X(w) \cdot Y(w)| p_w </math>

:<math> = \sum_{x \in X(\Omega)}\sum_{y \in Y(\Omega)} | x \cdot y | P(X=x, Y=y)</math>

==== Beweis (i.2) ====

:<math> = \sum_{x \in X(\Omega)} |x| \cdot P(X=x) \sum_{y \in Y(\Omega)} |y| \cdot P(Y=y)</math>

:<math> = E|X| \cdot E|Y| < \infty </math>

(Reihe links oben also absolut konvergent.)

==== Beweis (ii) ====
Die gleiche Rechnung wie in (i) ohne Betragsstriche liefert:

:<math> E(X \cdot Y) = \sum_{w \in \Omega} X(w) \cdot Y(w) p_w </math>

:<math> = ... = \sum_{x \in X(\Omega)} x \cdot P(X=x) \sum_{y \in Y(\Omega)} y \cdot P(Y=y) </math>

:<math> = E(X) \cdot E(Y)</math>

Es wurde angewandt: Doppelreihensatz und Umordnungssatz für Reihen mit nicht negativen Gliedern (in (i)) und für absolut konvergente Reihen (in (ii)).

====Bemerkung ====
1. Allgemein gilt für unabhängige Zufallsvariablen <math> X_1, ..., X_n</math> mit existierenden Erwartungswerten:

:<math> E(X_1 \cdot ... \cdot X_n) = E(X_1) \cdot ... \cdot E(X_n)</math>

2. Bei fehlender Unabhängigkeit folgt aus <math> P|X| < \infty, P|Y| < \infty </math> nicht notwendigerweise <math> P| X \cdot Y| <\infty </math>.

=== Bedingter Erwartungswert (Definition) ===
Sei <math> (\Omega, \mathcal{S}, P) </math> diskreter Wahrscheinlichkeitsraum, <math>X</math> Zufallsvariable mit existierendem Erwartungswert und <math> A \subset \Omega </math> mit <math> P(A)> 0</math>. Dann heißt 

:<math> E(X|A) = E_{P_{(\cdot |A)}} (X)</math>

der bedingte Erwartungswert von <math>X</math> unter (der Bedingung) <math>A</math>.  <br>
[ <math> P( \cdot|A)</math> ist die bedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung auf <math> \Omega </math> unter <math> A </math>.]

==== Formeln zu Berechnung ====
:<math> E(X|A) = \sum_{w \in \Omega} X(w) P( \lbrace w \rbrace|A) = \sum X(w) \frac {P( \lbrace w \rbrace \cap A)} {P(A)} </math>

:<math> = \frac {1} { P(A)} \sum_{w \in A} X(w) p_w = \frac {1} {P(A)} \sum_{w \in \Omega} 1_A (w) X(w) p_w = \frac {1} {P(A)} E(1_A X)</math>

==== Bemerkungen ====
* Da <math> \sum_{\Omega} X(w)p_w </math> absolut konvergiert, so auch  <math>\sum_A X(w) p_w</math>; also existiert <math> E(X|A)</math>.  <br>

* Spezialfälle: <math> E(1_A|A) =1, E(X|\Omega) = E(X)</math>  <br>

* Der hier eingeführte Begriff des bedingten Erwartungswertes spielt eine untergeordnete Rolle. In der allgemeinen Wahrscheinlichkeitstheorie definiert man bedingte Erwartungswerte der Art <math> E(X|Y)</math>, <math> Y </math> Zufallsvariable, welche von großer Wichtigkeit sind (jedoch hier in der Einführung nicht gebraucht werden).

== Momente ==
In dem obigen Beispiel wurde der Erwartungswert <math>E(X)</math> als Spezialfall von Momenten <math>E(X^k)</math> betrachtet, die im Folgenden definiert werden. 

=== Definition - Momente ===
Es sei <math>X</math> eine [[w:de:Zufallsvariable|Zufallsvariable]] und <math>k</math> eine [[w:de:natürliche Zahl|natürliche Zahl]]. Dann bezeichnet man als ''Moment der Ordnung <math>k</math> von <math>X</math>'' oder kürzer als ''<math>k</math>-tes Moment von <math>X</math>'' den Erwartungswert der <math>k</math>&#8209;ten Potenz von <math>X</math> (unter der Voraussetzung, dass dieser existiert):

:<math> m_k := \operatorname{E}\left(X^k\right), </math>

und als ''<math>k</math>-tes absolutes Moment von <math>X</math>'' wird der Erwartungswert der <math>k</math>-ten Potenz des Absolutbetrages <math>|X|</math> von <math>X</math> bezeichnet:

:<math> M_k := \operatorname{E}\left(\left|X\right|^k\right). </math>

=== Bemerkung - nichtganzzahlige Momente ===
In theoretischen Untersuchungen werden mitunter auch Momente nichtganzzahliger Ordnung <math>\kappa</math> betrachtet.

=== Bemerkung - Existenz von Momenten ===
Die Existenz von Momenten einer bestimmten Ordnung liefert allgemein Aussagen über die Verteilung der Wahrscheinlichkeitsmasse.


=== Bemerkung - Erwartungswert als Moment 1. Ordnung ===
Das ''erste Moment'' ist der Erwartungswert. Er wird meist mit <math>\mu</math> bezeichnet und kann als Mittelwert angesehen werden.

== Siehe auch ==
* [[Kurs:Stochastik/Linearität Erwartungswert|Linearität des Erwartungswertes]]
* [[Kurs:Stochastik/Varianz|Varianz]]
* [[Kurs:Stochastik/Kovarianz|Kovarianz]]
* [[Kurs:Stochastik/Erzeugende Funktionen|Erzeugende Funktionen]]
* [[Kurs:Stochastik]]

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